Erfurt, Theater – IM WEISSEN RÖSSL AM WOLFGANGSEE

von Ralf Benatzky, Singspiel in drei Akten, Libretto vom Komponisten zusammen mit Hans Müller-Einigen und Erik Charell, UA: 8. November 1930, Berlin
Regie: Aldona Farrugia, Bühne/Kostüme: Norman Heinrich, Choreographie: Rudolf Hanisch
Dirigent: Johannes Pell, Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Erfurt
Solisten: Stéphanie Müther (Josepha Vogelhuber), Jörg Rathmann (Leopold Brandmeyer), Fernando Blumenthal (Wilhelm Giesecke), Anna Buschbeck (Ottilie), Richard Carlucci (Dr. Otto Siedler), Tobias Schäfer (Sigismund Sülzheimer), Reinhard Friedrich (Prof. Dr. Hinzelmann), Christa Dalby (Klärchen), Dario Süß (Der Kaiser), Gregor Nöllen (Piccolo), Elisabeth Veit (Kathi), Ina Mecke (Stubenmadel)
Besuchte Aufführung: 13. Januar 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
erfurt-im-weisen-rossel.jpgIm Hotel „Zum weißen Rössl“ am Wolfgangsee wartet das Personal auf die Sommergäste. Auch der Berliner Stammgast und Rechtsanwalt Dr. Otto Siedler hat sich wieder angekündigt, in welchen zum Leidwesen des Zahlkellners Leopold die Chefin des Hauses, Josepha Vogelhuber, verliebt ist. Leopold, selbst in seine Chefin verliebt, kann nach vergeblichem Werben die Abfuhren Josephas nicht mehr ertragen und kündigt. Gleichzeitig bemüht sich Dr. Siedler um Ottilie, die Tochter des Berliner Fabrikanten Wilhelm Giesecke. Damit nicht genug treffen der Fabrikantensohn Sigismund Sülzheimer sowie Prof. Dr. Heinzelmann samt seiner Tochter Klärchen im „Rössl“ ein. Unerwartet kündigt sich Kaiser Franz Joseph zum Schützenfest an. Josepha ist überfordert und bittet Leopold zurückzukehren. Beim Empfang seiner Majestät kommt es zum Eklat. Anstatt Leopold endgültig zu entlassen, engagiert sie ihn schließlich als Ehemann.
Aufführung
Das multifunktionale Bühnenbild mit Holzfassadenansicht wird im Verlauf des Singspiels passend zu den verschiedenen Szenen durch die Darsteller umgestaltet. Ein langer Bootssteg halbiert den Zuschauerraum und integriert somit das Publikum in die Inszenierung. Der Balkon von Dr. Siedlers Zimmer läßt sich ausklappen, die Gartenbänke und –tische herausziehen. Zwei Laufbänder dienen als Ersatz für die Wanderung Gieseckes und eine Kletterwand für die Liebeslektionen Sigismunds und Klärens auf der Alm. Die Kostümwahl ist zeitlos: das Hauspersonal ist klassisch schwarz-weiß, die Gäste sind hingegen sommerlich bunt gekleidet. Ein etwa fünfzehnminütiges pantomimisches Vorspiel während des Einlasses versetzt den Zuschauer von Beginn an in die Langeweile vor Saisonbeginn. Das Hauspersonal erwartet sehnsüchtig die Gäste. Diese, eine müde Gruppe, werden innerhalb weniger Minuten in massentouristischer Manier mit Kaffee, Brötchen und Informationen zum Ort abgefertigt.
Sänger und Orchester
Stéphanie Müther (Josepha Vogelhuber) und Jörg Rathmann (Leopold) begeisterten sowohl schauspielerisch als auch stimmlich. Die Freude am Genrewechsel von der Oper zur Revue war ihnen deutlich anzusehen. Darstellerisch ausgezeichnet waren außerdem Fernando Blumenthal (Giesecke), Tobias Schäfer (Sigismund), Christa Dalby (Klärchen) und Anna Buschbeck (Ottilie). Überraschend agil spielte der schauspielerisch sonst etwas schwerfällige Richard Carlucci (Dr. Siedler). Sein unüberhörbarer amerikanischer Akzent wurde in die Inszenierung mit eingebaut und war dramaturgisch wirkungsvoll. Zusammen mit Anna Buschbeck, welche keine Scheu vor ständigem Wechsel zwischen Singstimme und Sprechstimme à la Marlene Dietrich hatte, bot er schmeichelnde Duette, welche sein italienisches Tenortimbre vorteilhaft zur Geltung brachten.
Die musikalische Begleitung, bestehend aus einem kleinen Streicherensemble, Klavier und Schlagwerk, unter der Leitung Johannes Pells wirkte steif und dem szenischen Geschehen gegenüber unaufgeschlossen. Außerdem waren Sänger und Musiker mehrmals rhythmisch nicht zusammen.
Fazit
Das Singspiel lebt mehr von den Dialogen als von der Musik. Für die Erfurter Studiobühnenadaption wurde von dem Einsatz eines Chores und eines großen Orchesters abgesehen. Aldona Farrugia und Norman Heinrich beweisen mit dieser Inszenierung, daß auch mit bescheidenen Mitteln und kleinem Budget ein unvergeßlicher Theaterabend erreicht werden kann. Die vielen komischen Details der Inszenierung sowie die darstellerische Leistung des gesamten Ensembles erwecken das Stück gekonnt zum Leben. Überaus amüsant!

Josephin Wietschel

Bild: L. Edelhoff
Das Bild zeigt:: Jörg Rathmann (Leopold) versucht Fernando Blumenthal (Giesecke) zum Dudeln zu überreden, aber Stéphanie Müther (Josepha) macht ihm wieder einmal einen Strich durch die Rechnung.

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