von Jean-Philipe Rameau (1683-1764), Comédie lyrique in drei Akten, Libretto: Jean François Duplat de Monticourt (?) von nach einer Erzählung von Jean de La Fontaine und nach 43. Gesang Orlando furioso (1516) von Ludovico Ariosto, UA: 12. Februar 1760, Académie Royale de Musique, Paris
Regie/Choreographie: Arila Siegert, Bühne: Frank Philipp Schlößmann, Licht: Volker Weinhart, Live-Malerei: Helge Leiberg
Dirigent: Konrad Junghänel, Neue Düsseldorfer Hofmusik, Chor der Deutschen Oper am Rhein, Einstudierung: Gerhard Michalski
Solisten: Anna Virovlansky (Argie), Iulia Elena Surdu (Nérine), Laimonas Pautienius (Orcan), Anders J. Dahlin (Atis), Adrian Sampetrean (Anselme), Thomas Michael Allen (Manto, Fee/Paladin), Tänzerinnen und Tänzer
Besuchte Aufführung: 28. Januar 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Der alternde Anselme fühlt sich zu seiner jungen und reichen Ziehtochter Prinzessin Argie hingezogen, die jedoch den jungen Paladin Atis begehrt. Mit ihrer Vertrauten Nérine wird sie von dem Diener Orcan bewacht. Als Atis erfährt, daß Anselme Argie heiraten möchte, schleicht er sich als Pilger verkleidet in den Palast. Anselme stimmt zum Schein der Verbindung der jungen Leute zu, beauftragt jedoch Orcan, Argie zu töten. Doch dieser bringt eine solche Tat nicht fertig. Atis möchte den Greis seiner Doppelmoral überführen und verzaubert mithilfe der Fee Manto den Palast in eine chinesische Festung. Vom Reichtum angelockt, gibt der Alte sich den Verführungskünsten einer maurischen Sklavin hin. Sie ist niemand anderes als die Fee, und vor den Augen Argies wird er überführt. Am Ende gibt er Argie und Atis seinen Segen.
Aufführung
Vor der Ouvertüre ist die später mehrfach zu hörende Windmaschine aus dem Orchestergraben zu vernehmen: Die geflügelte Fee Manto (historisch korrekt mit einem Mann besetzt) tritt vor einem schwarzem Hintergrund auf. Nach und nach füllt sich die Szene. Mehrere helle Wandelemente werden zu einem Raum zusammengeschoben, welcher den Wächter Orcan, Argie und Nérine beherbergt. Argie betrauert ihr Schicksal als Gefangene. Detailverliebt hat die Choreographin Arila Siegert die Regiefäden gesponnen: Eine bunte Gauklergruppe belebt die Instrumentalsätze mit modernem Bewegungstanz. Die hellen Wandelemente werden per Overheadprojektor von dem Künstler Helge Leiberg bemalt, den jeweils besungenen Stimmungen entsprechend: Er zeichnet etwa ein schwarzes Gitternetz über die Fassade, wenn Argie ihr Gefängnis beklagt. Bunt wird es, als sie die Liebe zu Atis besingt. Der chinesische Palast entsteht aus den gleichen hellen Kulissenelementen, er wird ebenfalls kommentierend bemalt. Bei den Kostümen herrscht nun die Farbe Gold vor. In Gruppen wird mit Stäbchen gegessen, einige tragen chinesische Schirmchen.
Sänger und Orchester
Besonders hervorzuheben ist die Arbeit der Neuen Düsseldorfer Hofmusik unter Konrad Junghänel. Bruchlos gelingen die Wechsel von Tanzsätzen zu Arien und Zwischenmusiken. Kunstvolles, mitunter perkussiv wirkendes Ensemblespiel, sowie eingesetztes, historische Instrumente, wie die zwei Musetten (eine französische Variante des Dudelsack), tragen ihren Teil zur lebendigen Gestaltung der Musik bei. Die Solisten waren allesamt auch gute Schauspieler: Anna Virovlansky (Argie) und Anders J. Dahlin (als tänzerisch begabter Atis) fanden sich gut in die historische Aufführungspraxis ein, indem sie weitgehend auf das Vibrato verzichteten. Iulia Elena Surdu sang mühelos ihre Koloraturen, Adrian Sampetrean als Anselme und Laimonas Pautienius als Maulheld Orcan repräsentierten ihre Rollen angemessen. Thomas Michael Allen als Fee Manto nahm sowohl als Sänger, als auch exaltierte Verführerin von Anselme für sich ein. Die Tänzer sorgten für phantasievoll gestaltete Szenen, die jedoch kaum dem höfischen Tanz zu Zeiten Louis XV. verpflichtet waren. Der Chor überzeugte musikalisch und wurde oft, gemeinsam mit den Tänzern, als bunt gekleidete Menge zum Blickfang.
Fazit
Eine rundum gelungene, moderne Adaption der französischen Barockoper. Arila Siegert spürte den vielfältigen Elementen des zwischen Comédie lyrique und Comédie-ballet, stehenden Werkes nach. Ihr chinesischer Palast präsentierte wirkungsvoll eine verzauberte, fremde Welt. Gelungene optische Effekte prägten die Szenen. Die Live-Bemalung der Kulissen, die nicht zuletzt an eine hervorragende Lichtregie gekoppelt war, verlieh der vor 250 Jahren entstandenen Oper im wahrsten Sinne des Wortes neue Farbe. Die Tänze wurden mit Überlegung modernisiert. Man könnte einwenden, daß die Regisseurin, die auch Choreographin ist, nicht den historischen Tanzstil pflegte, stattdessen moderne Tanzbewegungen einsetzte, beispielsweise Breakdance-Elemente. Doch wirkte sich das auf den positiven Gesamteindruck nicht störend aus, weil diese Elemente organisch in die Inszenierung eingearbeitet worden sind.
Felicitas Zink
Bild: Hans Jörg Michel
Das Bild zeigt: Chor, Tänzerinnen und Tänzer. In der Mitte Anders J. Dahlin als Atis.