von Gaetano Donizetti, Tragedia lirica in drei Akten, Libretto: Salvatore Cammarano, UA: 28. Oktober 1837, Teatro di San Carlo, Neapel
Dirigent: Alexander Kalajdzic, Chor und Orchester des Nationaltheater Mannheim
Solisten: Ludmila Slepneva (Elisabetta), Juhan Tralla (Roberto Devereux), Marie-Belle Sandis (Sara), Thomas Berau (Herzog von Nottingham), Mihail Mihaylov (Sir Gualtiero Raleigh), Christoph Wittmann (Lord Cecil), Johannes Wimmer (Vertrauter Nottinghams), Avtandil Merebashvili (Page)
Besuchte Aufführung: 30. Januar 2010 (Premiere, konzertante Aufführung)
Inhalt
Roberto Devereux ist wegen eines Komplotts gegen das Königshaus angeklagt. Die bereits in die Jahre gekommene Königin Elisabeth bietet dem jungen Grafen Freispruch für gegenseitige Liebe. Da er ablehnt, bleibt ihm als einziger Fürsprecher sein Freund, der Herzog von Nottingham. Dieser hat sich in Robertos Abwesenheit mit dessen eigentlicher Liebe Sara vermählt. Als sie dem Verurteilten einen goldbestickten Schal als Liebespfand schenkt und er einen ihm von der Königin geschenkten Ring bei Sara zurückläßt, ist das Schicksal von allen dreien besiegelt.
Sänger und Orchester
In zarten Tönen stimmte das Orchester unter Alexander Kalajdzic die mit der britischen Königshymne God save the Queen beginnende Ouvertüre an. Kalajdzic gelang es, die Instrumentalsoli an dramaturgisch relevanten Stellen aus dem Tuttiklang hervorzuheben, wie beispielsweise im Marcia funebre (Trauermarsch) und der Kerkerszene des dritten Aktes. Das Ensemble der Sänger, die alle ihr Rollendebüt gaben, beeindruckte mit individueller Vielfalt: Ludmila Slepneva (Elisabetta) tat sich vor der Pause noch schwer, ihrer Partie die adäquate Expressivität zu verleihen, vor allem in ihren furioso-Abschnitten wie Un lampo orribile – Ein graunhaftes Licht. Bei ihrem L’amor suo mi fe beata – Seine Liebe machte mich glücklich fehlte eine gewisse Tragik und Glaubwürdigkeit, während sie an den wenigen Stellen des ersten Aktes ihre kurzen Canto-fiorito-Passagen mit spielerischer Leichtigkeit zum besten gab. Auch ihre Spitzentöne waren zu Beginn sehr offen artikuliert, was im Fortissimo zu unangenehmen Schärfen führte. Ihr finales Quel sangue versato – Dieses vergossene Blut war dagegen an Dramatik und stimmlicher Gewandtheit kaum zu übertreffen, auch in den Höhen behielt sie die stimmliche Kontrolle. Juhan Tralla (Roberto Devereux) sang seine Rolle mit stark geschlossener, jedoch präsenter Stimme, die im Piano wenig zur Geltung kommt, sondern eher im Forte oder Fortissimo. Vor allem die Kerkerszene Ed ancor la tremenda porta non si dischiude – Noch immer öffnet sich die schreckliche Tür nicht überzeugte, da hier sein Timbres eine gewisse Melancholie zum Ausdruck brachte. Christoph Wittmann (Lord Cecil) gelang es mit seinem ersten Auftritt, einen dramatischen Spannungsbogen mit den deklamatorischen Tonrepetitionen des Nunzio son del parlamento – Ich bin Gesandter des Parlaments zu erzeugen, ohne dabei monoton zu wirken. Das größte Lob des Abends gebührt Marie Belle Sandis (Sara). Mit ihrem atemdurchdrungenen, dunklen Timbre verkörperte sie auf ergreifende Weise die Rolle der unglücklichen Geliebten. Bereits in ihrem ersten Ausruf Mestizia in me! – O Traurigkeit in mir! bringt sie das ganze Schicksal dieser Figur zum Ausdruck. Gesättigtes Volumen in der Tiefe, samtweiche Spitzentöne und ein Messa di voce, das keinerlei Unsicherheiten in der Stimmbeherrschung kennt, zeigen, wie routiniert sich Sandis in dieser Partie zurechtfindet.
Fazit
Ein Abend der besonderen Art war dieser Roberto Devereux mit Sicherheit. Das Fehlen störender Regieeinfälle und irritierender Bühnenbilder mag für den ein oder anderen zu Beginn noch gewöhnungsbedürftig sein. Durch die Rückkehr zur musikalischen Reinform gibt allein die Musik Donizettis Einblick in die Seelenzustände der Protagonisten. Die Begeisterung des Publikums zeigte sich im häufig vorkommenden Zwischenapplaus. Diese Premiere hätte eigentlich mehr als einen nur gut zur Hälfte ausverkauften Saal verdient. Hoffentlich kein Anlaß, in Zukunft auf konzertantes Musiktheater zu verzichten.
Daniel Rilling