Hannover, Staatsoper – MACBETH

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in vier Akten, Libretto: G. Verdi, Francesco Maria Piave und Andrea Maffei nach The Tragedy of Macbeth (1606) von William Shakespeare, UA: 21. April 1865, Paris, Théâtre-Lyrique, (Zweitfassung)
Regie: Frank Hilbrich, Bühne: Volker Thiele, Kostüm: Olaf Habelmann, Licht: Elana Siberski, Dramaturgie: Sylvia Roth
Dirigent: Lutz de Veer, Niedersächsisches Staatsorchester, Staatsoperchor Hannover, Einstudierung: Dan Ratiu
Brian Davis (Macbeth), Brigitte Hahn (Lady Macbeth), Shavleg Armasi (Banco), Latchezar Pravtchev (Macduff), Ivan Turšić (Malcolm), Anke Briegel (Kammerfrau), Young Myoung Kwon (Kammerherr), Peter Weidemann (König Duncan)
Besuchte Aufführung: 30. Januar 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
hannover-macbeth.jpgHexen prophezeien Macbeth, daß er Than von Cawdor sowie König von Schottland werden wird, Banco aber wird der Vater von Königen sein. Macbeth erreicht nach einer Schlacht die Nachricht, daß er tatsächlich zum neuen Than von Cawdor ernannt worden sei. Mit diesem schnellen Aufstieg ist der Ehrgeiz des Ehepaares Macbeth bis zum äußersten aufgestachelt, auch nach der Königswürde zu greifen. Macbeth ersticht König Duncan im Schlaf, um danach selbst gekrönt zu werden, und Macbeth läßt Banco ermorden. Dessen Sohn entkommt. Lady Macbeth wird wahnsinnig und stirbt, Macbeth wird bei einer Revolte umgebracht.
Aufführung
Der Vorhang ist geöffnet, die Bühne ist weiß. Ein Schattenspiel wird an die Wand geworfen. Macbeth umarmt seine schwangere Frau. Dieses Bild wird von den von hinten herannahenden Hexen, viele wild und bunt bekleidet, manche fast nackt, zerrissen. Beim Abendessen am weiß gedeckten Tisch fällt die Entscheidung, König Duncan zu ermorden. Nach der Bluttat entschwebt das weiße Bühnenbild nach oben und gibt den Blick frei auf schwarze Vorhänge. Ein Horrorkabinett öffnet sich im hinteren Teil der Bühne, Teile von Menschen hängen an Stahlgerüsten herab und Leichensäcke liegen auf der Bühne. Als die Lobeshymne für den rechtmäßigen König angestimmt wird, geht die Leichenfledderei, die schon zuvor zu sehen war, weiter und Tumult bricht aus.
Sänger und Orchester
Die beiden Hauptrollen werden von Brian Davis (Macbeth) und Brigitte Hahn (Lady Macbeth) gesungen. Davis singt mit kräftiger, eindringlicher Stimme und füllt seine Rolle vor allem darstellerisch aus. Manchmal gerät er allerdings so in Ekstase, daß vor lauter Schauspielerei sein Gesang fast zur Nebensache wird. Der fortschreitende Wahnsinn wird mindestens ebenso gut von Brigitte Hahn darstellerisch und auch gesanglich umgesetzt. Mit eindringlichem Sprechgesang beginnt sie die Briefszene, in der sie die Koloraturen und Spitzentöne einwandfrei zu singen vermag, und auch hohe Einsätze in ihrer Partie bereiten ihr keine Probleme.
Beide Hauptdarsteller werden allerdings noch überragt von Shavleg Armasi (Banco). Sein Baß erfüllt die Szene voll und ganz, zeichnet sich durch ein angenehmes Timbre und durch ein tiefes, vollklingendes Vibrato aus. Die Rolle als liebevoller Vater spielt er hinreißend, z.B. wenn er mit seinem kleinen Sohn und Macbeth „Mensch ärgere dich nicht“ spielt. Latchezar Pravtchev (Macduff) singt ebenfalls wohlklingend und kann auch darstellerisch überzeugen.
Das Orchester unter der Leitung von Lutz de Veer gab Verdis Musik die nötige fahle, düstere Farbe und bereitete den Sängern und Sängerinnen einen gut durchdachten und dynamisch fein abgestimmten Klangteppich. Besondere Erwähnung muß der Staatsopernchor finden. Der extreme Körpereinsatz, wenn auch bisweilen schon fast übertrieben, aber sicher vom Regisseur genau so gewollt, hindert die Sängerinnen und Sänger nicht daran, eine klangliche Einheit zu finden.
Fazit
Auch wenn manches ein wenig überzogen daherkommt – immer wieder werden z.B. Plakate und Bilder des Königs zerrissen und große und kleine Puppen in ihre Einzelteile zerlegt – , so ist die Grundeinstellung der Inszenierung doch immer zu erkennen: Es geht um die zunehmende seelische Erstarrung der Hauptcharaktere und den völligen Verfall aller menschlichen Werte. Regisseur Frank Hilbrich bedient sich hierfür einfacher, aber zugleich klarer Mittel, nämlich der Farbsymbolik von Weiß und Schwarz. Warum die Hexen teilweise ihre Brüste und Hintern entblößen müssen, ob sich dahinter irgendein tieferer Sinn verbirgt, bleibt der Rezensentin jedoch ein Rätsel. Fast wird man von dem vielen Tumult und Chaos auf der Bühne vom Wesentlichen abgelenkt: der Musik. Aber nur fast, da die sängerischen Leistungen und auch das Orchester an diesem Abend glanzvoll sind und somit die Produktion zuallererst zu einem musikalischen Genuß machen, die jedem wärmstens zu empfehlen ist.

Katharina Rupprich

Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt: Brian Davis (Macbeth) und Brigitte Hahn (Lady Macbeth)

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