von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Oper in drei Akten, Libretto von Vincenzo Grimani, Strichfassung von Michael Hampe, deutsch von Samuel Bächli und Berthold Warnecke, UA: 26. Dezember1709, Venedig, Teatro San Giovanni Crisostomo
Regie: Michael Hampe, Ausstattung: Hank Irwin Kittel
Dirigent: Samuel Bächli, Philharmonisches Orchester Erfurt
Solisten: Marisca Mulder (Agrippina), Albert Pesendorfer (Claudio), Peter Schöne (Nerone), Rebekah Rota (Poppea), Mireille Lebel (Ottone), Mate Solyom-Nagy (Lesbo), Florian Götz (Pallante), Marwan Shamiyeh (Narciso).
Besuchte Aufführung: 24. Januar 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Agrippina erfährt vom angeblichen Tod ihres Gatten Claudio, des Kaisers von Rom. Sie schickt daraufhin die ihren ergebenen Dienern Narciso und Pallante, um im Volk den Namen ihres Sohnes Nero als neuen Herrscher zu verbreiten. Während der Ausrufung Neros wird die Rückkehr Claudios bekannt, der Ottone als Dank, daß dieser ihm das Leben rettete, zum neuen Kaiser ausruft. Dieser würde wegen seiner Liebe zu Poppea, einer im Kaiserhaus hochbegehrten Dame, sogar auf den Thron verzichten, wovon auch Agrippina weiß. Als der in Leidenschaft entbrannte Claudio zu Poppea eilt, verweigert diese ihm ihre Zuneigung auf den Rat Agrippinas hin, denn Ottone als neuer Kaiser beanspruche sie nun für sich. Bei einem Zusammentreffen Poppeas mit Ottone bemerken beide die Intrige Agrippinas. Um sich zu rächen, bestellt Poppea Nero in ihr Gemach. Als Claudio eintrifft bezeichnet sie diesen als den eigentlichen Usurpator. Auch Narciso und Pallante offenbaren Claudio den Betrug Agrippinas. Diese versichert, so gehandelt zu haben, um dem Kaiser den Thron zu bewahren. So gewährt Claudio am Ende Nero den Thron und legitimiert das Verhältnis Poppeas und Ottones.
Aufführung
Die Ausstattung spiegelt die barocken Traditionen der Uraufführung wieder, denn schon damals orientierte man sich – wenn es um die Römerzeit ging – an der Renaissance. So besteht das Bühnenbild aus Rundbögen und einer Hallenkuppel wie dem Pantheon, die sich durch Wegnahme einzelner Mauerteile auch in eine Gartenlandschaft mit Ruinen verwandeln läßt. Auch die Kostüme entstammen dieser Zeit und sind daher sehr farbenprächtig und gerade hinsichtlich der Frisuren sehr aufwendig. Allerdings zeigt Michael Hampe in dem barocken Bühnenbild kein barockes Rampen- und Stehtheater, sondern er bemüht sich um eine durchdachte Handlung, was allerdings manchmal zu kuriosen Situationen führt – moderne Regietheatergesten wirken hier manchmal etwas aufgesetzt.
Sänger und Orchester
Für die Produktion in Erfurt wurde vom Regisseur Michael Hampe, dem Dirigenten Samuel Bächli und dem Hausdramaturgen Berthold Warnecke eine deutlich (um fast 1 Stunde) gekürzte Fassung erstellt und ins Deutsche übertragen. Auch wurden dabei einige Rollen in ein anderes Stimmfach verlagert. So wurde die eigentlich für einen Sopranisten vorgesehene Rolle des Nero von Peter Schöne verkörpert, der sich mit tollen Koloraturen und einem schönen baritonalen Timbre auszeichnet. Ottone sollte mit einem Alt besetzt sein, daher wirkt Mireille Lebel als Mezzo vor allem in den Rezitativen zu wenig burschikos – auch wenn sie als Mezzo ohne Fehl und Tadel ist. Narzis – vorgesehen für einen Altisten – ist mit dem Tenor Marwan Shamiyeh klanggetreu (und erfreulich klangschön) besetzt, er ergänzt sich hervorragend mit Florian Götz als sein Kollege Pallas. Die Hauptrollen entsprechen den Erwartungen, bis auf Albert Pesendorfer (Claudius), der einfach zu wenig baß-baritonale Tiefe entwickelt. Marisca Mulders dramatischer Sopran hat für die Agrippina vielleicht etwas zuviel Schärfe, besonders in den hohen Lagen der Koloraturen. Die Popea wird von Rebekah Rota, die ihre erkrankte Kollegin vertritt, mit heller klarer Sopranstimme präsentiert. Gewohnt souverän Mate Solyom-Nagy als Lesbus. Samuel Bächli präsentiert seine eigene Bearbeitung sehr durchdacht und führt das von ihm hervorragend präparierte Philharmonische Orchester nicht nur in die gehobenen barocken Klangwelten ein, sondern ihm gelingt auch der Nachweis, daß Händels Agrippina eine der wichtigsten Barockopern und wahrscheinlich auch Händels musikalisch überzeugendstes Werk ist.
Fazit
Die Frage warum man diese Oper deutlich kürzt und auf deutsch singt ist akademisch. Die Klangbilder sind durch eine andere Sprache immer anders als das Original und damit gewöhnungsbedürftig. Andererseits wird auch allen Zuhörern deutlich wie wenig Handlung durch die Arien dargestellt wird und noch dazu immer wieder wiederholt wird –was auch für einige nette Lacher in der Inszenierung gut ist. Bemerkenswert an dieser Stelle die ausgezeichnete Aussprache und damit gute Wortverständlichkeit aller Akteure. Als Ergebnis relativ kurzer aber freundlicher Applaus. Vielleicht hat das Publikum unter dem in der Werbung angekündigten Motto Gefeierte Oper Händels etwas anderes verstanden. Barocke Feiern und auch Opern sind eben etwas verschieden von heutigen Feiern.
Oliver Hohlbach
Bild: Hank Irwin Kittel
Das Bild zeigt: Agrippina (Marisca Mulder) spinnt mit Nero (Peter Schöne) ihre Intrigen