DIE TOTE STADT – Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier

von Erich Wolfgang Korngold (1897 – 1957), Oper in drei Bildern, Libretto: Paul Schott
UA: 4. Dezember 1920, Hamburg und Köln
Regie: Thilo Reinhardt, Bühne: Wilfried Buchholz, Kostüme: Gisa Kuhn, Dramaturgie: Juliane Schunke, Licht: Jürgen Rudolph, Dirigent: Heiko Mathias Förster, Neue Philharmonie Westfalen, Chor: Christian Jeub, Opernchor des Musiktheaters im Revier, Kinderchor der Städtischen Musikschule Gelsenkirchen, Einstudierung: Francis Corke, Askan Geisler und Bernhard Stengel
Solisten: Burkhard Fritz (Paul), Majken Bjerno (Marietta, Erscheinung Mariens), Bjørn Waag (Frank, Pierrot), Almuth Herbst (Brigitta, Lucienne), Elena Kofina (Gestalt Maries)
Besuchte Aufführung: 27. Februar 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
Gelsenkirchen-Tote-stadtPaul lebt zurückgezogen in Brügge und betreibt einen obsessiven Totenkult um seine verstorbene Frau Marie. Eines Tages begegnet Paul der Tänzerin Marietta, die in seinen Augen der verstorbenen Marie vollkommen gleicht. Er läßt sich mit Marietta ein, sieht aber stets Marie in ihr. Marietta will sich jedoch nicht in diese Rolle drängen lassen und verlangt von Paul sie um ihretwillen zu lieben. Eines Morgens findet Marietta eine von Maries Locken und beginnt mit dieser zu tanzen. Hierüber ist Paul derart erbost, daß er Marietta umbringt. Plötzlich erwacht er allein in seinem Zimmer, kurz nach dem ersten Besuch Mariettas. Ihm wird klar, daß er einen schrecklichen Alptraum hatte, und er beschließt Brügge zu verlassen.
Aufführung
Im ersten Akt besteht das Bühnenbild aus einem großen, heruntergekommen, spärlich möblierten Raum mit einem zugemauerten Ausgang auf der rechten Seite. Trotz seiner Verwahrlosung erahnt man noch die einstige erlesene Ausstattung. Die Wand auf der Stirnseite ist als kahle Betonfläche gestaltet. Von Beginn des zweiten Aktes an wird die Betonwand entfernt und gibt den Blick auf eine Straßenszene im Stil des Historismus frei. Als Besonderheit hat Wilfried Buchholz den Boden der Bühne mit Wasser bedecken lassen, welches lediglich durch wenige Holzplanken überbrückt wird.
In Thilo Reinhardts Inszenierung dient der Raum im Vordergrund als Pauls Heim, das Straßenpanorama im Hintergrund einerseits als Straße, andererseits als Theater für Mariettas Ensemble. Der von Wasser bedeckte Boden wird vor Allem zu Beginn des dritten Aktes als Spielfläche für herumtollende Kinder genutzt, hat aber ansonsten keine Bedeutung.
Sänger und Orchester
Die Neue Philharmonie Westfalen setze Korngolds imposante und massive Musik mit viel spielerischem Können um. Alle Läufe und Soli kamen auf den Punkt. Gleichzeitig war die Musik aber niemals so sehr im Vordergrund, daß sie die Solisten übertönt hätte. Pauls Rolle bedarf einer großen Anstrengung, da der Solist meist gegen das Orchester ansingen muß. Dies löste Burkhard Fritz (Paul) mit Bravour. Trotz seiner kräftezehrenden Gesangspartie erreichte er die hohen Töne sicher und ohne  Ausdrucksverlust. Seine Gesangspartnerin Majken Bjerno (Marietta, Erscheinung Mariens) lieferte eine solide Vorstellung ab. Sie zeigte zwar leichte Schwächen in der mittleren Lage, in der die Töne manchmal etwas gedrückt schienen, glich diese aber durch ihre Tonstabilität in der hohen Lage aus und bewies als Erscheinung Mariens große stimmliche Zartheit.
Almuth Herbst (Brigitta) konnte mit den Leistungen der Protagonisten leider nicht immer mithalten. Ihre Stimme wies zwar auch einen großen Umfang an Ausdruck und Beweglichkeit auf, es fehlte ihr aber an der nötigen Kraft, das Orchester zu übertönen. Ebenso mußte auch Bjørn Waag (Frank) mit seiner Stimme kämpfen. Die hohe Lage kam bei ihm äußerst gequetscht,  daher fehlte es seiner Stimme leider an Volumen, Dynamik und Ausdruck. Der Opern- und Kinderchor gab eine gute Vorstellung ohne besondere Glanzpunkte.
Fazit
Es ist mit Sicherheit nicht leicht, den inneren Kampf Pauls mit sich selbst anschaulich auf die Bühne zu bringen. Dennoch stellt sich die Frage, ob es auf eine solche Art geschehen muß. Thilo Reinhardt hat hierzu einen Weg gewählt, der dem Betrachter nicht immer einleuchtet. So z.B. das Trugbild im zweiten Akt oder die Gestalt der nackten Marie im dritten. Warum erschien diese erst im Bischofsgewand und war dann darunter vollkommen nackt? Und warum mußte sie im späteren Verlauf des Aktes eine Hostie an der Wand befestigen und sich mit deren Blut besudeln? Im Großen und Ganzen fragte man sich bis zum Schluß: „Was wollte uns der Regisseur damit sagen?“

Fabian Schäfer

Bild: Pedro Malinowski
Das Bild zeigt: Majken Bjerno (Marietta) und Burkhard Fritz (Paul)

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