DER FERNE KLANG – Augsburg, Theater

von Franz Schreker (1878-1934) Oper in drei Aufzügen, Libretto vom Komponisten, UA: 18. August 1912, Opernhaus Frankfurt am Main
Regie: Renate Ackermann, Bühne und Kostüme: Timo Dentler und Okarina Peter, Dramaturgie: Ralf Waldschmidt, Choreografie: Dimas Casinha
Dirigent: Dirk Kaftan, Philharmonisches Orchester Augsburg, Chor des Theaters Augsburg, Choreinstudierung: Karl Andreas Mehling
Solisten: Sally du Randt (Grete), Eckehard Gerboth und Wilhelmine Busch (Ihre Eltern), Mathias Schulz (Fritz), Markus Hauser (Wirt/Polizist), Jan Friedrich Eggers (Schmierenschauspieler/Baron/Rudolf), Stephen Owen (Dr. Vigelius), Kerstin Descher (altes Weib) u.a.
Besuchte Aufführung: 28. Februar 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
Augsburg-Ferner-KlangDer junge Komponist Fritz und Grete lieben sich, doch vor der Heirat möchte er noch den ihm vorschwebenden fernen Klang finden. Fritz reist ab. Bald darauf kommt Gretes betrunkener Vater. Er hat seine Tochter im Spiel mit dem Wirt verloren. Grete weigert sich, ergreift die Flucht. Dabei begegnet sie der Kupplerin. Zehn Jahre vergehen, Grete ist in Venedig eine gefeierte und von den Herren begehrte Halbweltdame. Doch kann sie ihren geliebten Fritz nicht vergessen. Als Grete ihr Herz demjenigen verspricht, der es mit seinem Lied am tiefsten rühren kann, gewinnt ein zufällig erschienener Komponist. Grete erkennt ihren Fritz, er ist aber von ihr zutiefst enttäuscht. Als weitere fünf Jahre vergehen wird Fritz sich seiner Schuld bewußt. Diesmal endet die Begegnung der Liebenden tragisch. Fritz kann endlich den fernen Klang hören, doch er stirbt in Gretes Armen.
Aufführung
Das Bühnenbild enthält viele wechselnde gestalterische Elemente, auch wenn es schlicht bleibt. Es ist fast durchgehend perspektivisch aufgebaut, große Metallwände an den Seiten schillern und reflektieren die farbige Beleuchtung. Die Kostüme versetzen die Zuschauer in die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts. Ein beweglicher Kreis auf der Bühne leitet den zweiten Aufzug ein, er „schwimmt“ wie eine Gondel im Zeitlupentempo dem Publikum entgegen und trägt die venezianische Musikkapelle. Alle Halbweltdamen tragen schwarze Reizwäsche mit Leopardenmänteln, weiße Gymnastikbälle bieten ihnen Sitzgelegenheit. Der dritte Aufzug überrascht das Publikum mit einem Spiegel über dem Orchestergraben: Die Musik schwebt dem Publikum entgegen. Schillernder Glanzregen auf der Bühne gibt dem fernen Klang eine optische Gestalt, bevor Fritz seine letzte Begegnung mit Grete erlebt. Er stirbt allerdings nicht in ihren Armen, wie das Libretto es vorschreibt.
Sänger und Orchester
Alle Sänger erbringen eine hervorragende Leistung. Sie singen die anspruchsvolle Musik mit Gefühl und Hingabe – auch die stark expressiven großen Sprünge – und die Dialoge strahlen Natürlichkeit aus. Der gesungene Text ist gut zu verstehen. Besonderes Lob verdient Sally du Randt (Grete). Sie singt klar und leidenschaftlich mit ihrer schönen Sopranstimme; dabei spielt sie die Rolle der glücklich liebenden, dann trauernden, erheiterten und letztlich verlorenen Grete packend. Ihre Registerwechsel sind fließend, wie aus einem Guß. Sie vermag darüberhinaus stimmungsmäßig gut zu schattieren, der Beleuchtung der Bühne entsprechend. Zu nennen ist hier vor allem ihre ausdrucksstarke Darstellung der im Mondlicht nachsinnenden Grete in der siebten Szene des ersten Aufzugs. Die achte Szene des ersten Aufzugs setzt diese Stimmung fort, in der Kerstin Descher (altes Weib) mit ihrer farbenreichen Mezzosopranstimme in Aktion tritt. Mathias Schulz (Fritz) ist ein attraktiver, durchsetzungskräftiger Tenor. Besonders gelungen ist sein Dialog mit Sally du Randt in der achten Szene. Ihre Stimmen ergänzen sich in Klangspektrum und Klangfarbe. Er meistert seine Partie mit verhaltener Leidenschaft und hat auch im vorgeschriebene Sprechgesang genug Durchsetzungsvermögen. Stephen Owen (Dr. Vigelius) mit seinem angenehmen Baß und Mathias Schulz bestimmen sängerisch das Geschehen im dritten Aufzug, auch ihre Stimmen harmonieren gut mit einander. Das Orchester erbringt eine überwältigende Realisierung, seine gesamte Leistung ist ein Ohrenschmaus. Es spielt mit Begeisterung, was bisweilen wiederum – aber nur an einigen Höhepunkten – den Gesang übertönt.
Fazit
Diese in sich stimmige Aufführung war musikalisch wie auch spielerisch perfekt. Das Publikum spendete tosenden Beifall. Das Zusammenspiel zwischen Licht, Orchesterklang, Gesang und Spiel brachte den „fernen Klang“ in den Raum, versetzte den Zuschauer in die Illusion, ihn tatsächlich erfahren zu können. Renate Ackermanns Regiearbeit ist psychologisierend, sie setzte den Schwerpunkt auf die Gefühlswelt der Protagonisten. Manche Librettoanweisungen ließ sie außer acht und interpretierte frei. Es gab vulgäre und erniedrigende Elemente in der Begegnung zwischen dem Wirt und Grete, um die Tragik ihres Schicksals zu verdeutlichen. Die musikalische Leistung aller unter Dirk Kaftans Dirigat war enorm.

Ruta Akelyte Hermann

Bild: A. T. Schaefer
Das Bild zeigt. Sally du Randt (Grete) auf dem beweglichen Kreis vor dem Venezianischen Ensemble

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