von Johann Simon Mayr (1763-1845), Opera seria, Libretto: Luigi Previdali, UA: 1809, Venedig
Regie: Philipp Kochheim, Bühne/Kostüme: Barbara Bloch
Dirigent: Tetsuro Ban, Philharmonisches Orchester, Opernchor und Extrachor Regensburg
Solisten: Jung-Hwan Choi (Leukippo), Enrico Lee (Ulisse), Eun-Joo Park (Penelope), Gesche Geier (Plistene), Melanie Schneider (Asteria/Minerva), Sung-Heon Ha (Taltibio), Ruben Gerson (Il Gerofante)
Besuchte Aufführung: 6. Februar 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Seit zwanzig Jahren wartet Penelope in Ithaka auf die Heimkehr ihres Mannes Odysseus aus dem trojanischen Krieg. In dieser Zeit hat sich Plistene in ihrem Palast eingenistet und bedrängt die Königin. Odysseus (Ulisse) landet nach einem Sturm auf Ithaka. Wegen der Warnung seines Freundes Leukippo sucht er verkleidet seine Frau auf und erklärt sich selbst für tot. Penelopes Schmerz bewegt ihn, und er ist versucht sich zu erkennen zu geben, doch die Feinde sind zu zahlreich. Taltibio bedrängt Penelope, die Sorge um den Staat voranzustellen und wieder zu heiraten, worauf die Seherin Asteria ihm politische Intrigen vorwirft. Schließlich gibt Odysseus sich zu erkennen, und es kommt zum Kampf mit Plistene. Auf dem Höhepunkt im Kampf um die Macht erscheint die Göttin Minerva und löst den Streit, indem sie die Identität des Odysseus bestätigt.
Aufführung
Nach seiner Wanderschaft kehrt ein moderner Odysseus in die Vergangenheit, in die Gesellschaft vor zwanzig Jahren, zurück. Er erscheint im Anzug und ist versehen mit modernen Ausrüstungsgegenständen wie Mobiltelefon und Laptop. Das stößt bei der historisch gekleideten fernöstlichen Gesellschaft, auf die er trifft, auf wenig Gegenliebe, und so zerstören sie ratlos die moderne Technologie mit ihren Samurai-Schwertern. Andererseits stehen die Neuankömmlinge ratlos vor den historischen Riten im Tempel und blicken fragend in die Weihegefäße. Entspannend fürs Auge ist die Tee-Zeremonie im Palastgarten, mit einigen bunten Blumen und Penelope im Kimono. Solche japanische Gewandungen trägt die gesamte griechische Gesellschaft, teils schwarz, teils farbenfroh gestaltet. Das übrige Bühnenbild besteht meist aus lose zusammengesetzten Brettern, die vom Winde verweht zu sein scheinen, wie auch das Landungsboot des Ulisse eher einem Bretterhaufen gleicht. Eine Ballett-Tänzerin tritt immer wieder im Hintergrund in Erscheinung, wo sie Bewegungsrituale ausführt.
Sänger und Orchester
Die Rolle des Plistene war ursprünglich für einen Kastraten vorgesehen, wurde aber schon in der Uraufführung mit einer Sopranistin besetzt. Hier wird sie von Gesche Geier gesungen, die mit dieser schweren Rolle – sich über volle drei Oktaven erstreckend endet sie beim dreigestrichenen D – keine Probleme hat. Sie ist ins schwere italienische und deutsche Fach mittlerweile hervorragend hineingewachsen. Die Sopranrolle der Penelope singt Eun-Joo Park, die zwischen Koloratursopran und dramatischen Sopran steht, was dazu führt, daß die Koloraturen zwar schön geführt sind, dafür mit unangenehmen Schärfen in den höheren Registern einhergehen. Die Tenorrolle des Ulisse hat Enrico Lee bekommen, der über schönes Stimmaterial verfügt, jedoch in den entscheidenden Momenten belegt klingt – ob das Premierenfieber ist? Die Entdeckung des Abends ist Sung-Heon Ha (Taltibio), ein volltönender Baß mit sehr sicherer Tiefe.
Sicherlich weder Barockspezialist noch Fachmann für italienische Oper ist der Dirigent Tetsuro Ban, aber vielleicht deshalb genau der richtige Mann für diese Oper, die für viele Übergänge der Operngeschichte steht. Stilistisch ist Mayrs Musik zwischen Wiener Klassik und Pariser Großer Oper anzusiedeln. In dieser Opera seria das richtige Gleichgewicht zwischen Koloratur-Untermalung und voluminösen Schönklang im Orchester zu finden ist sicherlich schwierig, aber ihm gelang dadurch ein in jeder Hinsicht musikalisch faszinierender Abend. Er eröffnete damit interpretatorisch eine Möglichkeit, sich dem Werk von Mayr wieder anzunähern.
Fazit
Eine Sternstunde der Oper, eine Wiederentdeckung eines einst bedeutenden, heute jedoch ganz unbekannten Komponisten. Musikalisch fast staatsopernwürdig besetzt, wurde die Premiere vom Publikum freudig aufgenommen, auch wenn die japanisch-griechische Kostümierung sehr wunderlich anmutet, aber wenigstens nicht störte, weil die farbenfrohe Ästethik angenehm wirkte. Dank sei auch dem Verlag Ricordi, der die präsentierte Spielfassung mit viel Mühe aus Archivmaterialien zusammenstellen ließ.
Oliver Hohlbach
Bild: Juliane Zitzlsperger
Das Bild zeigt: Ein Schwertkampf wie in einem japanischen Samurai-Film zwischen Ulisses (Enrico Lee) und Plistene (Gesche Geier)