Nürnberg, Staatstheater – MOÏSE ET PHARAO

von Gioachino Rossini (1792-1868), Opera in vier Akten, Libretto: Giuseppe Luigi Balocchi und Etienne de Jouy, UA: 1827, Salle de la rue le Peletier, Paris
Regie: David Mouchtar-Samorai, Bühne/Kostüme: Heinz Hauser
Dirigent: Christian Reuter, Nürnberger Philharmoniker, Chor und Tanzensemble des Staatstheaters Nürnberg
Solisten: Nicolai Karnolsky (Moise), Melih Tepretmez (Pharaon), David Yim (Aménophis), Richard Kindley (Eliézer), Daeyoung Kim (Osiride, Hoherpriester), Kalle Kanttila (Aufide), Ezgi Kutlu (Sinaïde), Leah Gordon (Anaï), Teresa Erbe (Marie), Daeyoung Kim (Une voix mysterieuse)
Besuchte Aufführung: 11. Februar 2010 (Premiere, in französischer Sprache)

Kurzinhalt
Nuernberg-MosesDie Oper behandelt die biblische Erzählung vom Auszug der Israeliten aus Ägypten, versehen mit der Liebesgeschichte zwischen Amenophis, dem Sohn des Pharaos, und der Israelitin Anaï, um derentwillen er den Auszug verhindern will. In die Auseinandersetzung greift Gott ein und sendet seine Plagen. Am Ende teilt sich auf der Bühne, und das Meer und schlägt über dem ertrinkenden Pharao zusammen.
Aufführung
Die Handlung verlegt David Mouchtar-Samorai an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Juden versuchen die Auswanderung aus einem unbestimmten Land: Die Bühne ist voll mit gepackten Koffern, auf denen die Juden sitzen. Ihre Peiniger, die sie an der Flucht hindern wollen, tragen Gesellschaftskleidung der Jahrhundertwende. Die Rolle des Moses wird zweigeteilt: Der Sänger stellt den jüdischen Theoretiker Theodor Herzl dar, was mit vielen Textzitaten als Einblendungen verdeutlicht wird, ein Schauspieler spielt den historischen Moses, der mit seinem Wanderstab anachronistisch über die Bühne zieht. Die Liebesbeziehung zwischen Amenophis und Anaï bleibt unkonkret: Scheinbar will der Sohn des Pharao nicht auf seine Sex-Sklavin verzichten. Die Plagen werden mit einfachen Theatermitteln dargestellt, es kriechen blutige Pestopfer über die Bühne, bei einem Erdbeben wanken die Darsteller darauf herum. Für den Gang durch das rote Meer teilt sich der Bühnenprospekt mit einer Meereslandschaft, bevor die Wände einstürzen und den Blick auf brennende Häuser freigeben.
Sänger und Orchester
Die Hauptrolle konnte hervorragend besetzt werden: Nicolai Karnolsky als Moïse ist ein volltönender, fast schwarzer Baß, der auch mit einer soliden Höhe glänzt. Hingegen fehlt Melih Tepretmez (Pharao) die Strahlkraft in der Tiefe, was für einen Bariton in einer Baßrolle nicht weiter erstaunlich ist. Viel Feuer verbreitet hingegen das Liebespaar: David Yim hat sich in der Rolle des Aménophis zu einem strahlenden, schweren italienischen Tenor weiter entwickelt. Leah Gordon ist als Anaï ein jugendlich leichter Sopran mit großer Reichweite, auch wenn sie in den höheren Lagen etwas zu stark tremoliert. In den beiden Duetten dämmert eine Romanze auf, die auch musikalisch in einer Tragödie endet. Mitreißender kann man eine Trennung nicht schildern, was ein Verdienst von Christian Reuter ist, der an dieser Stelle die Inszenierung ad absurdum führt – auch wenn etwas mehr Spannung dieser Grand Opera Rossinis gut getan hätte. Ferner schien die Besetzung besonders der Streicher etwas zu klein zu sein. Szenenapplaus gab es auch für Ezgi Kutlu als Frau des Pharao, Sinaïde, die mit glockenklarer Stimme und sicheren Koloraturen die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Erwähnenswert ist noch Teresa Erbe (Marie) als ausdrucksstarker Mezzo. Richard Kindley (Eliézer) hat hingegen einen wahrlich rabenschwarzen Abend.
Fazit
Eine Inszenierung, die zeigt, daß eine Verlegung der Handlung selten aufgeht. Neben anderem paßt die Flucht aus Ägypten in die Wüste wohl kaum ins Europa des 20. Jahrhunderts. Die Gestaltung der Plagen als schlichte Bühneneffekte stand der unfreiwilligen Komik, die man an der Uraufführung der ursprünglichen Oper von 1818 kritisierte, in nichts nach. Die nichtssagenden Theatergesten des Moses-Darstellers tun ein übriges. Die für die Dramaturgie des Stückes wichtige Liebesbeziehung zwischen Amenophis und Anaï bleibt unglaubwürdig. Das ist bedauerlich, denn die Leidenschaft und Verzweiflung in den Arien der beiden spricht eine ganz andere Sprache. Und daher feiert das Publikum die musikalische Seite dieser Produktion völlig zu Recht, ein weiterer Glanzpunkt im Bemühen des Staatstheaters Nürnberg in der Pflege selten gespielter Opern.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah
Das Bild zeigt: Amenophis (David Yim) verliert die Diskussion mit seiner Mutter (Ezgi Kutlu)

Veröffentlicht unter Nürnberg, Staatstheater, Opern