von Charles Gounod (1818-1893), Oper in vier Akten (1859), Libretto: Jules Barbier und Michel Carré nach Johann Wolfgang von Goethes Faust, UA: 19. März 1859 Paris
Regie: Elisabeth Stöppler, Bühne: Rebecca Ringst, Kostüme: Ingo Krügler, Licht: Philipp Wiechert, Dramaturgie: Johanna Wall
Dirigent: Thomas Dorsch, Oldenburgisches Staatsorchester, Opern- und Extrachor des Oldenburgischen Staatstheaters, Leitung: Thomas Bönisch
Solisten: Daniel Ohlmann (Doktor Faust), Derrick Ballard (Mephistopheles), Paul Brady (Valentin), Henry Kiichli (Wagner), Mareke Freudenberg (Margarete), Barbara Schmidt-Gaden (Siebel), Annekatrin Kupke (Marthe), Victoria Rust (Bartänzerin)
Besuchte Aufführung: 7. März 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Der angesehene Doktor Faust ist auf den ersten Blick ein keineswegs beklagenswerter Mann. Doch ein Wunsch läßt ihn nicht ruhen: Er will wieder jung sein und leidenschaftlich. Die Erfüllung seiner Wünsche erscheint prompt in der Gestalt des dämonischen Mephistopheles, der ihm das Gewünschte offeriert, wenn auch nicht umsonst: Faust muß seinen Seelenfrieden opfern und ist fortan Knecht in Mephistopheles Reich. Die Entscheidung fällt Faust leichten Herzens, als Mephistopheles ihm Margarete zeigt, der Faust fortan in leidenschaftlicher Liebe verfallen ist. So entspinnt sich für Faust eine erotische aber verhängnisvolle Handlung, die Margarete schließlich mit dem Tod bezahlt.
Aufführung
Elisabeth Stöppler läßt Faust als einen gelangweilten Weltmann daherkommen. Die Sehnsucht nach Jugend und Leidenschaft wird durch Mephisto zur Genüge gestillt, er führt ihn an sinnlich-erotische, gleichzeitig aber auch gefährliche Orte. So erwartet die Zuschauer auf der Bühne eine absurd-wilde Kirmeswelt, in der Liebe und Tod zu verschmelzen drohen. Liebes- und Vergewaltigungsszenen werden ausführlich auf der Bühne dargestellt und in Mephistopheles Unterwelt erwartet Faust ein strippendes Barmädchen in Lackstaffage. Bilder von Tragik und Dramatik werden immer wieder durchbrochen durch humoristische Elemente – zum Beispiel mit einem durch die Luft fliegenden, jaulenden Pudel – lockern die Inszenierung auf und lassen das Publikum bisweilen auflachen. Das Bühnenbild ist minimalistisch, es tritt zurück hinter den aufwendigen Kostümen des Chores in den Massenszenen. Ein schwarzer, fahrbarer Kasten mit großem Fensterloch ordnet das Bühnengeschehen und wird mal zur Kirmesbude, mal zum Gefängnis für Margarete.
Sänger und Orchester
Im ersten Teil der Oper ließen sich deutliche Schwächen in Chor und Orchester ausmachen. Bei den Massenszenen mit Opern- und Extrachor fiel der musikalische Zusammenklang teilweise völlig auseinander. Grund dafür könnte die übervolle Bühne gewesen sein, dies ist aber keine Entschuldigung für den undifferenzierten, schwammigen Klang vor allem bei der Chorpassage Vin ou bìere – Wein und Bier am Anfang des zweiten Aktes. Die Sechzehntelläufe waren durchgängig nicht mit dem Orchester zusammen, der Chor hatte ohnehin Schwierigkeiten, das schnelle Tempo zu halten. Im zweiten Teil fand allerdings in allen kritisierten Punkten eine Steigerung statt; bei der Apotheose am Schluß entfaltete sich sogar ein wahres Klangerlebnis, als der Chor vom obersten Rang als himmlischer Chor auf die Zuschauerränge herabsang. Dabei gelang auch das musikalische Zusammenwirken von Chor und Orchester trotz der großen Entfernung bestens. Daniel Ohlmann (Doktor Faust) schien seiner Rolle weder musikalisch noch schauspielerisch gewachsen. Er wirkte durchgängig eher gequält als leidenschaftlich. Probleme hatte er vor allem bei hohen, langen Tönen, die er mehrmals zunächst zu tief ansetzte und dann nachintonieren mußte, was seine gefühlsintensiven Momente fast lächerlich wirken ließ. Seine Stimme wurde der Tragik der Rolle nicht gerecht, da sie keine große Farbigkeit im Timbre und Differenziertheit in der Dynamik aufwies. Ganz anders dagegen Mareke Freudenberg als Margarete: Sie brillierte mit einem großen Klangreichtum in ihrer facettenreichen Sopranstimme und konnte sowohl stimmlich als auch schauspielerisch ihre Rolle sehr überzeugend umsetzen. Die Registerwechsel bewältigte sie geschmeidig. Derrick Balard gab einen augenzwinkernden, aber auch abgrundtief boshaften Mephistopheles, der die Ambivalenz seiner Rolle vor allem durch seine überzeugende Mimik ausgestaltete. Stimmlich dem Faust weit überlegen, überzeugte er mit seiner dominanten, volltönenden Baßbaritonstimme.
Fazit
Insgesamt beeindruckte Stöpplers Inszenierung mit drastischen, unheimlichen, manchmal auch knallbunten Bildern, die die Gefühlswelt Fausts und Margaretes spiegelten. Die überdeutliche Darstellung von Sexualität in all ihren Ausprägungen lenkte allerdings teilweise von der Musik und der schauspielerischen Leistung der Darsteller ab. Musikalisch wurde den Zuschauern vor allem im zweiten Teil eine ordentliche Gesamtleistung dargeboten. Quittiert wurde dies mit langanhaltendem Beifall des Publikums.
Annika Klanke
Bild: Andreas J. Ettler
Das Bild zeigt: Daniel Ohlmann (Faust) und Mareke Freudenberg (Margarete) im Vordergrund, dahinter der rauchende Derrick Ballard (Mephistopheles)