Oper Köln – DER FREISCHÜTZ

von Carl Maria von Weber, Romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto: Friedrich Kind
Regisseur: Michael Heinicke, Bühnenbild/Kostüme: Jens Kilian, Licht: Hans Toelstede
Dirigent: Enrico Delamboye, Gürzenich-Orchester und Chor der Oper Köln (Andrew Ollivant)
Solisten: Joachim Berger (Samiel), Wilfried Staber (Eremit), Miljeno Turk (Ottokar), Ulrich Hielscher (Kuno), Samuel Youn (Kaspar), Thomas Mohr (Max), Ausrine Stundyte (Agathe), Claudia Rohrbach (Ännchen), Johannes Preißinger (Kilian) u.a.
Besuchte Vorstellung: 16. November 2007 (Premiere: 20. Oktober 2007)

Vorbemerkung und Kurzinhalt
Der FreischützIm Bühnenmittelpunkt erhebt sich eine gewaltige Eiche im Herbstlaub, Symbol für den deutschen Wald in dieser deutschesten aller Opern. Um diesen Baum herum spielt sich alles ab: hier wird gefeiert und getrauert, hier erfüllen sich Hoffnungen, werden Träume zerstört.
Michael Heinicke inszeniert den Freischütz als romantisch-schöne Schaueroper. Trotz deutschem Wald und zeithistorischen Kostümen ist dies kein Provinztheater, das in einer vermeintlich guten alten Zeit spielt.
Die anscheinend heile Welt wird von Beginn an in Frage gestellt durch das Verhalten der Menschen. Die haben damals wie heute – Weber notiert in der Partitur: Zeit der Handlung: Kurz nach Beendigung des dreißigjährigen Kriegs – immer dieselben Probleme. Da ist die Liebe zwischen Ännchen und Max. Diese ist nicht wohlfeil zu haben, sondern an Bedingungen geknüpft. Menschen haben gestern wie heute Fantasien und Wünsche, zeigen Freude, leben Schadenfreude aus. Mancher ist einsam. Auch damals schon macht sich Gruppendynamik breit. Das Gute und das Böse sind in jedem Gedanken, in jeder Handlung dabei. In der Inszenierung wird dies sehr schön in weiß und in schwarz an den Gestalten von Samiel und dem Eremiten gezeigt, die für die Zuschauer optisch in Erscheinung treten, von den Akteuren aber wohl nur gesehen werden können, wenn beide den Hut von ihren lang wallenden Haaren abnehmen.
Die Aufführung
Die Wolfsschluchtszene ist – obwohl entrümpelt – naturalistisch gezeichnet mit Feuerkreis und Lichteffekten, aber ohne jeglichen modernistischen Eskapaden oder pseudopsychologische Extravaganzen. Einziger technischer Gag: Beim Freikugelguß erbebt die riesige Eiche und wird aus ihrem Bett hochgehoben, Samiel entsteigt der sich öffnenden Erde.
Einzige Ausnahme der sonst von der Regie gut gezeichneten Personen: Fürst Ottokar, ein herausgemachter, po-grapschender Juppie, Karikatur eines haltlosen, unreifen Pubertierenden.

Das Gürzenich-Orchester bot eine geschlossen gute Leistung, wobei besonders die Hörner genannt sein müssen. Enrico Delamboye hatte seine Truppe gut im Griff, auch die altbekannten und oft gehörten Melodien wirkten frisch und munter. Schön auch die Chorszenen, die den guten Ruf des Kölner Opernchores zu Recht unterstreichen.
Die Gesangssolisten traten als weitgehend gleichwertiges Ensemble auf. Samuel Young war ein markanter Kaspar. Er sang den Jägerburschen kraftvoll und brillant mit großer Wucht; leider läßt seine Textverständlichkeit zu wünschen übrig.
Thomas Mohr war ein prachtvoller Max. Er überzeugte sowohl in der Höhe und der Mittellage als auch und mit profunder Tiefe. Er sang kraftvoll und vollendet in den lyrischen Passagen. Ein Höhepunkt des Abends war zweifellos seine makellos vorgetragene Arie: Nein, länger trag ich nicht die Qualen.
Kammersänger Ulrich Hielscher: bravourös in der Rolle des Kuno. Claudia Rohrbach als Ännchen sang mit klarem hellem Sopran, stimmlich und optisch ein Genuß. Gegen sie hatte Ausrine Stundyte, das Ännchen, einen schweren Stand. Ihren wunderbar gesungenen Pianopassagen stehen Schwächen in der Höhe entgegen.
Miljenko Turk als Ottokar sang trotz seiner Jugend mit gewohnter Klasse. Ein wirklich talentierter Sänger.
Fazit: Michael Heinicke ist hier eine von Anfang bis Ende unterhaltsame und spannende Inszenierung gelungen, mit lebendigen Menschen, überzeugend gezeigt in ihrer Leidenschaft, in ihren Sorgen und Nöten.
Alles in allem ein schöner Opernabend. Neben der guten Leistung von Sängern, Chor und Orchester beeindruckte die Regie von Michael Heinicke. Das Bühnengeschehen präsentierte sich unverstaubt, munter und unterhaltsam. Man sieht, auch eine konservative, werktreue Inszenierung muss nicht muffig oder zopfig sein.
Großer Beifall für Sänger, Chor und Orchester. Auch Bühnenbild und Regie stießen beim Publikum auf große Zustimmung.
Wer eine werktreu und zeitgemäß gut gemachte Oper sehen möchte, sollte in diesen Freischütz gehen.

Dr. Rolf Jürgen Schaffer                                             Bild: Klaus Lefebvre

Veröffentlicht unter Köln, Bühnen der Stadt, Opern

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