von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Opera buffa in vier Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte nach P.A. Caron de Beaumarchais’ Le mariage de Figaro, UA: 1786, Wien
Regie/Bühne: Ole Anders Tandberg, Kostüm: Maria Geber, Licht: Ellen Ruge, Choreographie: Anna Koch, Dramaturgie: Stefan Johansson
Dirigent: Stefan Klingele, Königliche Hofkapelle, Chor der Königlichen Oper, Einstudierung: Folke Alin und Christina Hörnell
Solisten: Ola Eliasson (Graf Almaviva), Maria Fontosh (Gräfin Almaviva), Elin Rombo (Susanna), Johan Edholm (Figaro), Katija Dragojevic (Cherubino), Marianne Eklöf (Marcellina), Lennart Forsén (Doktor Bartolo), Anton Ljungqvist (Antonio) u.a.
Besuchte Aufführung: 27. März 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Der Graf Almaviva stellt Susanna, der Verlobten seines Dieners Figaro, nach. Figaro droht außerdem eine Zwangsheirat mit der wesentlich älteren Marcellina, wenn er ihr nicht seine Schulden zurückzahlt. Als Figaro und Susanna Hochzeit halten wollen, überschlagen sich die Ereignisse. Doch alles nimmt ein glückliches Ende, als sich herausstellt, daß Marcellina die leibliche Mutter Figaros ist und als es der Gräfin Almaviva gelingt, ihren lüsternen Gatten derart vorzuführen und zu beschämen, daß er Besserung gelobt und von Susanna abläßt.
Aufführung
Der erste Akt spielt in einem Korridor, der dritte und vierte in einem winterlich verschneiten Park. Die Kostüme und das Bühnenbild siedeln die Handlung in der Gegenwart an. Die Akteure werden im Einklang mit der Handlung der Oper geführt, d.h. man bekommt alle die vom Text geforderten szenischen Aktionen zu sehen – und noch einige dazu. Die Personenregie ist beweglich und pointiert, das Tempo der Darsteller orientiert sich an der Musik. Durch zusätzlich angebrachte Scheinwerfer am vorderen Bühnenrand sind mehr Wechsel der Beleuchtung möglich als sonst in diesem Hause.
Sänger und Orchester
Mit wenigen Ausnahmen waren die sängerischen Leistungen dieses Abends tadellos. Die Titelrolle der Oper ist mit Johan Edholm glänzend besetzt. Deutlich in der Aussprache und der Phrasierung und mit erkennbarer Lust an der Darstellung lieferte er eine in jeder Hinsicht gelungene Interpretation seiner Partie ab. Das gleiche ist von Elin Rombo als Susanna zu sagen. Beeindruckend war die Verkörperung der Hosenrolle des Cherubino durch Katija Dragojevic. Zum einen verfügt sie über eine jugendlich schlanke und bewegliche Stimme, zum anderen war ihre Körpersprache verblüffend maskulin. Marianne Eklöf gab darstellerisch wie stimmlich eine hervorragende Marcellina ab, die wie die übrigen Sänger vor allem dynamisch mit dem Orchester harmonierte. Mit Einschränkungen gilt das auch für Maria Fontosh (Gräfin Almaviva), deren Stimme an Beweglichkeit, Nuancierungsfähigkeit und Fülle nichts zu wünschen übrig läßt. Bemerkenswert dicht ist ihr Legato, sicher ihre Koloraturtechnik, doch übertrieb sie es hin und wieder ein wenig mit der Lautstärke. Ola Eliasson (Graf Almaviva) machte vor allem schauspielerisch eine gute Figur und mit Ausnahmen auch stimmlich, weil seine Akzente punktuell etwas zu gewaltsam daherkamen. Äußerst erheiternd waren die Auftritte von Anton Ljungqvist als Antonio, der mit seiner enormen Körpergröße und seinem tiefschwarzen Baß im besten Sinne des Wortes buffonesk agierte. Stimmlich zu kraftlos war hingegen Lennart Forsén als Dr. Bartolo.
Das Dirigat von Stefan Klingele, der auch am Hammerklavier virtuos die Rezitative begleitete, war differenziert und auf einen transparenten Klang angelegt. Nur bei zwei Aktschlüssen nahm er die Tempi ein wenig zu schnell, nämlich bei Figaros Non più andrai – Niemals wirst du wieder gehen am Ende des ersten und bei dem Gente, gente! all’armi, all’armi! – Männer! Zu den Waffen! des Grafen am Ende des vierten Aktes. Auch hätte der Einsatz bei der Ouvertüre präziser gegeben werden müssen. Schließlich hätte Cherubinos Non so più cosa son – Ich weiß nicht, was ich bin im ersten Akt vom Tempo her ein wenig elastischer sein können. Abgesehen davon gab es jedoch nichts an der Leistung des Orchesters auszusetzen. Die Phrasierung war sauber, die dynamische und vor allem rhythmische Koordination mit den Solisten mustergültig. Ein wenig indifferent blieben in dieser Hinsicht die Choristen.
Fazit
Bis auf ganz wenige vielleicht allzu zotige Anspielungen findet die Personenregie das richtige Maß zwischen Modernisierung und Tradition und vor allem das richtige Tempo für die Aktionen. Man sieht und hört, daß man in Stockholm über viel Erfahrung verfügt, was das klassische Repertoire des 18. Jahrhunderts angeht. In musikalischer Hinsicht wahrt man historische Treue und kann ein insgesamt gesehen hervorragendes Sängerensemble aufbieten. Der neue Stockholmer Figaro ist erfrischend und kurzweilig geraten.
Dr. Martin Knust
Bild: Carl Thorborg
Das Bild zeigt: Johan Edholm (Figaro) und Elin Rombo (Susanna)