von Christoph Willibald Gluck (1714-1787), Tragedia messa in musica in 3 Akten, Libretto: Ranieri de’ Calzabigi nach Alkestis von Euripides (Wiener Fassung 1767) u. Le Blanc du Roullet (Pariser Fassung 1776), UA: 26. Dezember 1767, Wien
Regie: Peter Konwitschny, Bühne: Jörg Kossdorf, Kostüme: Michaela Mayer-Michnay, Choreinstudierung: Sören Eckhoff
Dirigent: George Petrou, Gewandhausorchester, Chor und Kinderchor der Oper Leipzig
Solisten: Chiara Angella (Alkestis), Yves Saelens (Admetos), Norman Reinhardt (Evandros), Viktorija Kaminskaite (Ismene), Jürgen Kurth (Oberpriester), Ryan McKinny (Herkules), Tomas Möwes (Apollo) u. a.
Besuchte Aufführung: 17. April 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Admetos, König von Thessalien, liegt im Sterben. Das Orakel weissagt, daß der König sterben wird, wenn sich nicht jemand für ihn opfert. Seine Frau Alkestis beschließt, für ihn in den Tod zu gehen und sie läßt sich auch nicht von ihrer Vertrauten Ismene von diesem Vorhaben abhalten. Im Totenreich angekommen bittet Alkestis um einen letzten Aufschub für ihr Leben, da sie ein letztes Mal ihren Mann und ihre Kinder wiedersehen möchte. Ihr inzwischen genesener Gemahl erfährt von Alkestis Opfer und geht ins Totenreich, um ihr zu folgen. Da stößt Herkules zu ihnen, und er besiegt die Totengötter. Alkestis kann so aus dem Hades gerettet werden und die Opferbereitschaft des Ehepaares wird gepriesen.
Vorbemerkung
Die Inszenierung stellt die erste Oper im sog. Gluck-Ring an der Oper Leipzig dar, in dem Glucks vier tragische Opern von Peter Konwitschny bis zum Jahr 2013 inszeniert werden sollen. Zur Aufführung kam die so titulierte Leipziger Fassung, die Teile der der Wiener Fassung von 1767 und der Pariser Fassung von 1776 sowie neue deutsche Textstellen von Werner Hintze verwendete, so daß die ersten beiden Akte in italienischer Sprache, der dritte Akt zusätzlich in deutscher Sprache gesungen wurde.
Aufführung
In den ersten beiden Akten mit antikisierenden Ausstattungselementen und Kostümen dominiert die Bühne ein zentrales Podest, welches einen Opferaltar darstellt, zu dem Stufen hinaufführen. Im Hintergrund ziehen auf einer Projektionsfläche Wolkenbilder vorüber. Durch Anhebung eines Bühnenteiles wird der Blick in den Bereich der in Nebel getauchten Unterwelt frei. Im letzten Akt wandelt sich die Bühne zu einer bunten Fernsehshow mit flankierend ansteigenden Sitzreihen voller Zuschauer, wobei Herkules als TV-Moderator mit Keulenmikrofon fungiert. Im Hintergrund sieht man das Kamerabild, das eine große Studiokamera im Vordergrund der Bühne aufnimmt.
Sänger und Orchester
Sopranistin Chiara Angella (Alkestis) verleiht ihrer Rolle durch ihre wendige Stimmführung glaubhaften Ausdruck, auch wenn ihre dunkel satinierte Stimme in den Höhen einiges an Strahlkraft vermissen läßt, vor allem bei den lyrischen Passagen zeigt sich ihre Stärke im gehauchten Vibrato. Yves Saelens (Admetos) Tenorstimme ist von einem kräftigen Mittelbau geprägt, deren Intensität in den Höhenlagen eine druckvolle Steigerung erfährt. Allein in den dramatischen Szenen wirkt seine Intonation in Bezug auf die Lautstärkenvariation leicht unkontrolliert. Viktorija Kaminskaite gibt eine gesanglich ausdrucksstarke Ismene, die von ihrem strahlendem Sopran getragen wird. Tenor Norman Reinhardt (Evandros) prägt seine Rolle insbesondere mit jung-dynamischer Stimmflexibilität. Mit druckvollem Stimmvolumen und klarer Diktion kann Baßbariton Ryan McKinny als Herkules bewegen, wobei seine teilweise Zurücknahme in den oberen Lagen weiteres Stimmpotential vermuten läßt. Ebenso können Bariton Jürgen Kurth (Oberpriester) mit farbenreicher Stimmtiefe und Bariton Tomas Möwes (Apollo) mit voluminös geführter Mittellage gesanglich überzeugen.
Das Gewandhausorchester unter George Petrou formt die Klangfiguren des Vorspiels (la Sinfonia) in breit angelegtem Klangteppich in romantisch assoziierender Spielweise aus. Dieser Eindruck wird insbesondere durch die pastosen Überzeichnungen im Blech im weiteren Verlauf des Werkes unterstützt. Insgesamt wirkte das Spiel zwar engagiert, bisweilen jedoch unkonzentriert und ohne Tiefenschärfe. Vor allem zu loben ist die hohe Qualität des Chores in Bezug auf farblich nuancenreiche Stimmführung.
Fazit
Die Inszenierung bewegt sich in den ersten beiden Akten auf relativ uninspiriertem Terrain asketisch gehaltener Bühnenausstattung, welche die Sänger in den Vordergrund stellt und den Mythos des antiken Griechenlands heraufbeschwört. Völlig unverständlich bleibt die Abkehr von dieser Linie hin zu einem bunten Bühnenzirkus im dritten Akt, der einen großen Gegensatz zum zuvor gesehenen darstellt. Die Handlung nimmt einen unverständlichen Verlauf einer modernen Fernsehshow mit Herkules als TV-Kasper, der unvereinbar mit dem gereiften, antikisierenden Bild der ersten beiden Akte ist. Das beeinträchtigt rückblickend erheblich die Glaubwürdigkeit der ersten beiden Akte, die disloziert vom letzten Akt im Raum stehen gelassen werden. Insgesamt betrachtet wird die Einheit der Handlung durch diese Vorgehensweise in unglaubwürdiger und banaler Weise zerrissen.
Dr. Andreas Gerth
Bild: Andreas Birkigt
Das Bild zeigt: Chiara Angella (Alkestis)