von Albert Lortzing, Komische Oper in drei Akten nach August von Kotzebues Schauspiel Der Rehbock, UA: 31. Dezember 1842, Stadttheater, Leipzig
Regie: Anthony Pilavachi, Bühne: Markus Meyer, Kostüme: Tatjana Ivschina
Dirigent: Martin Hoff, Staatskapelle Weimar, Opernchor des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Die Ameisenkinder (Chor des Goethe-Gymnasiums Weimar)
Solisten: Philipp Meierhöfer (Baculus), Alexandra Steiner (Gretchen), Uwe Schenker-Primus (Graf von Eberbach), Christine Hansmann (Gräfin), Szabolcs Brickner (Baron Kronthal), Heike Porstein (Baronin Freimann), Carolina Krogius (Nanette), Günter Moderegger (Pancratius), Oliver Luhn (Gast)
Besuchte Aufführung: 24. April 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Schulmeister Baculus möchte seine junge Braut Gretchen mit einem Rehbock als Festschmaus überraschen, doch läßt er sich beim verbotenem Wildern erwischen und erhält von seinem Vorgesetzten Graf von Eberbach prompt die Kündigung. Gleichzeitig treffen Baronin Freimann, Schwester des Grafen sowie Baron Kronthal, Bruder der Gräfin, in Verkleidung ein. Beide sind verwitwet und sollen durch ihre Geschwister einander vorgestellt werden. Doch zunächst wollen sie den anderen unerkannt kennenlernen. So trifft die Baronin als Mann kostümiert auf den unglücklichen Baculus und seine Frau. Sie bietet an, den Grafen verkleidet als Baculus Frau zu umschmeicheln, damit dieser die Kündigung zurückzieht. Der Baron, verkleidet als Stallmeister, trifft auf das falsche Gretchen. Beide verlieben sich sofort. Nach weiteren Verwechslungen und allerlei komischer Situationen erkennen sich die Geschwister, Baron und Baronin finden zu einander und selbst dem Schulmeister wird verziehen, da er in Wirklichkeit nur seinen eigenen Esel erschossen hat und keinen Rehbock.
Aufführung
Der erste Akt spielt in einer Art Küchenraum der Dorfschenke mit weis gekachelten Wänden, einem langen Tisch und niedriger Decke. Der gräfliche Salon hingegen – Schauplatz des zweiten und dritten Aktes – ist zur Höhe hin offen und geräumig. Die Wände schmücken riesige, farbintensive Vogeldarstellungen jeglicher Art zur Verdeutlichung der Jagdthematik. Die Kostüme entsprechen der gewählten Epoche. So trägt Gretchen ein modernes, leichtes Sommerkleid im typischen Charlestonschnitt. Die Gräfin, ganz in Schwarz und mit dramatischem Federschmuck auf dem Kopf, ähnelt, verstärkt durch eine absichtlich übertriebene Darstellung, den Stummfilmdarstellerinnen der 20er Jahre.
Sänger und Orchester
Mit gewohnt transparenten, differenzierten Instrumentalklang verwöhnt die Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Martin Hoff das Weimarer Publikum. Schon in der Ouvertüre werden die verschiedenen Instrumentengruppen mit präziser Intonation und herrlichem Schmelz deutlich in Szene gesetzt. Wenn auch die Komposition Lortzings im Folgenden dem Orchester nur geringen dramatischen Spielraum gibt, so bleibt es dennoch durchweg präsent ohne dabei die Sänger übertönen zu wollen.
Trotz Kehlkopfentzündung ließ es sich Christine Hansmann (Gräfin) nicht nehmen, ihre besonders eindrucksvoll ausgedeutete Rolle selbst darzustellen und zu sprechen. Christiane Basseck übernahm von der Seite aus die Gesangspartien. Auch der imposante volltönende Bariton Uwe Schenker-Primus (Graf) und der ihm zur Seite gestellte Tenor Szabolcs Brickner (Baron) lieferten eine ausgezeichnete, subtil komische Darstellung ihrer gegenseitigen Eifersucht. Beide sangen hervorragend, vor allem in den Ensembles stachen sie aus der Gruppe heraus. Die Sopranistin Heike Porstein (Baronin) interpretierte ihre Rolle, wie schon die Norina in Don Pasquale, mit brillanter Höhe, äußerst keck in der Darstellung und mit viel Witz im Ausdruck. Die feminine, weiche Seite hätte eventuell sowohl stimmlich, als auch darstellerisch noch etwas mehr hervorgehoben werden können. Dies fehlte bei Alexandra Steiner (Gretchen) keinesfalls. Mit geballter Weiblichkeit und einem strahlenden, sicher noch ausbaufähigem Sopran machte sie dem unglaublich komischen, stimmlich souveränen Philipp Meierhöfer (Baculus) das Leben schwer. Der lang anhaltende Applaus nach seiner darstellerisch hervorragenden Bravourarie im dritten Akt war durchaus verdient. Grundsätzlich muß die besonders gute Textverständlichkeit der Dialogszenen hervorgehoben werden. Des weiteren fand das Publikum einen agilen, ausdrucksstarken Opernchor unter der Leitung von Markus Oppeneiger vor.
Fazit
Diese Wildschütz-Premiere verdient das Prädikat „sehr amüsant“. Sowohl die teilweise ironische Inszenierung des leichten Opernstoffes, als auch die musikalische Leistung des gesamten Theaterensembles, gepaart mit einem künstlerisch beeindruckenden Bühnenbild im zweiten und dritten Akt, machen diesen Opernabend unvergeßlich.
Josephin Wietschel
Bild: Bernd Uhlig
Das Bild zeigt: Verliebte inkognito: Heike Porstein (Baronin) und Szabolcs Brickner (Baron)