von Gaetano Donizetti (1797 – 1848), Dramma semi-seria in zwei Akten, Libretto von einem anonymen Verfasser, in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln, Dialoge in Deutsch, UA: 1824, Neapel
Inszenierung: Andreas Baesler, Bühne: Harald Thor
Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Nürnberger Philharmoniker
Solisten: Hrachuhi Bassenz (Emilia), Kurt Schober (Claudio), Rainer Zaun (Don Romualdo), Christopher Lincoln (Federico), Melih Tepretmez (Il Conte), Audrey Lacrose Zicat (Luigia), Therese Fauser (Candida)
Besuchte Aufführung: 27. März 2010 (Premiere)
Kurzinhalt
Emilia widmet ihr Leben in der Eremitage von Liverpool ihrem Schmerz über den Tod ihres Vaters Claudio, der auf See umkam, über ihren Liebhaber, der sich als Heiratsschwindler entpuppte, und über ihre Mutter, die vor Gram verstarb. Ein Sturm führt eine Reisegruppe in die Eremitage: den kauzigen Edelmann Don Romualdo, dessen Verlobte Luigia, ihren Vater Il Conte und dessen Sekretär Federico. Nach einigen Verwicklungen entpuppt sich Federico als der Heiratsschwindler, der mit Luigia – wie einst mit Emilia – durchbrennen wollte. Er heiratet Emilia und bringt deren Vermögen zurück, weshalb ihm Claudio, der wieder aufgetaucht ist, verzeiht. Don Romualdo und Luigia versöhnen sich.
Aufführung
Die Umsetzung dieses düsteren, resignativen und morbiden Stoffes erfolgt in der optischen Ästhetik des Film Noir mit seinem schwarzen Humor. Die gesprochenen Dialoge wurden übersetzt, verkürzt und mit Slapstickeinlagen gewürzt. Das Ende des musikalischen Vorspiels, die Schilderung eines heftigen Unwetters, endet mit einem Knalleffekt: Ein Auto bricht durch eine Wand, Trümmer fliegen umher, die Bewohner eines typischen englischen Landsitzes aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts eilen herbei. Die Hausherrin Emilia di Liverpool trauert um ihre tote Mutter, deren Urne des öfteren umfällt oder herumgereicht wird. Das Bild der Mutter hängt drohend über dem Kamin, das Bild des Vaters auf der anderen Seite wurde von dem Auto überfahren. Die beherrschende Fensterfront dient auch als Projektionsfläche, es werden englische Landsitze oder Autofahrten durch Sturm und Gewitter gezeigt. Vor dem Kamin steht eine Leder-Sitzgruppe, dazwischen ein Bärenfell mit Kopf, über das wie in Dinner for one häufig gestolpert wird. Emilia betreibt neben einer Suppenküche für Arme, die schüsselklappernd im Bademantel zum Essen anstehen, auch noch eine Irrenanstalt. Der Gag im Schlußbild ist Alfred Hitchcock gewidmet, wenn das Gesicht des Statisten mit Hitchcocks berühmter Profilzeichnung überblendet wird. Auch darf er zweimal durchs Bild laufen – mit der Zigarre in der Hand.
Sänger und Orchester
Der Erfolgsgarant des Abends ist unstrittig Rainer Zaun, der sein schauspielerisches Talent als Don Romualdo – als naiver Liebhaber – unter Beweis stellt. Nicht nur, daß er in den gesprochenen Dialogen mit seinem hessischen Dialekt Heiterkeit verbreitet, er gewinnt die Herzen der Zuhörer auch mit seinem strahlenden und – wie bei den Koloraturen zu hören – geschmeidigen Baß. Hrachuhi Bassenz hat ein erfolgreiches Rollendebüt als Emilia, weil sie diesmal nicht mit zuviel Kraft singt. So gelingt es ihr, in dieser enorm anspruchsvollen Partie zu zeigen, wie sie Koloraturen zum Laufen bringen kann. Kurt Schober als Vater Claudio ist ein technisch brillanter Spielbariton, der ohne Probleme seine Arien mit voller Durchschlagskraft aussingt. Christopher Lincoln (Federico) zeigt sich als strahlender lyrischer Tenor. Seine Arien zählen zu den Glanznummern der Oper und würden es auch verdienen als Konzertarien mehr Beachtung zu finden. Melih Tepretmez (Il Conte) ist deutlich unterfordert, hat seinen großen Auftritt als Schwerhöriger, der alles mißversteht und damit witzig verdreht. Eigentlich ist Luigia nur eine kleine Nebenrolle. Durch Audrey Lacrose Zicat wird sie jedoch – musikalisch gesehen – etwas in den Mittelpunkt gerückt. Guido Johannes Rumstadt zeigt, wie ideal die Nürnberger Philharmoniker als Begleitorchester für eine Belcantoopern sind: Die Solisten werden unterstützt, nicht überdeckt und können so stimmlich glänzen. Aber Emilia die Liverpool ist nicht nur eine Belcanto-Oper, denn in den effektvollen orchestralen Zwischenspielen, wie z.B. dem Vorspiel oder dem nächtlich-düsterem Gewitter weiß das Orchester Klangbilder zu malen, die den Zuhörer in seinen Bann ziehen.
Fazit
Ein unglaubwürdiges und unverständliches Liebesdrama in einer Viereckskonstellation kann man, wie hier geschehen, mit etwas schrägem Humor, Slapstick und guten Darstellern zu einer Liebeskomödie umwandeln. Auch die musikalische Seite dieser Produktion war herausragend. Und daher feiert das Publikum die Solisten und das Regie-Team ausgiebig.
Oliver Hohlbach
Bild: Jutta Missbach
Das Bild zeigt: Das Schlußbild als Hommage an Alfred Hitchcock (im Hintergrund). vorne von links Christopher Lincoln (Federico), Hrachuhí Bassénz (Emilia di Liverpool), Audrey Larose Zicat (Luigia), Rainer Zaundahinter (Don Romualdo), Kurt Schober (Claudio di Liverpool) und Statisterie