KATJA KABANOWA – Bonn, Opernhaus

von Leoš Janáček. Oper in drei Akten, Libretto von Vinçenc Červinka nach dem Schauspiel „Gewitter“ von Alexander N. Ostrowskij. UA: 23. November 1921, Nationaltheater Brünn
Regie: Balász Kovalik, Bühne: Csaba Antal, Kostüme Angelika Höckner, Licht: Max Karbe, Dirigent: Will Humburg, Beethovenorchester Bonn, Chor des Theaters Bonn (Einstudierung: Sibylle Wagner), Solisten: Daniela Denschlag (Kabanicha), Mark Rosenthal (Tichon), Irina Oknina (Katja), Ramaz Chikviladze (Dikoj), George Oniani (Boris), Tansel Akzeybek (Vánja), Susanne Blattert (Varvara) u.a.
Besuchte Aufführung: 2. Mai 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
Boris entstammt einer adeligen Moskauer Familie. Er kann sein Erbe erst antreten, wenn er bis zur Volljährigkeit bei seinem Onkel Dikoj in Diensten auf dem Lande steht. Dikoj ist der Geliebte der Witwe Kabanicha, die im Hause Kabanow ein tyrannisches Regiment über ihren Sohn Tichon und dessen Frau Katja, sowie die Stieftochter Varvara führt. Katja begehrt Boris, was der Kabanicha nicht verborgen bleibt. Sie schickt ihren Sohn Tichon auf Geschäftsreise und er bricht auf, obwohl seine Frau ihn flehentlich zurückhält. Trotz des Misstrauens der Alten arrangiert Varvara ein Treffen zwischen Katja und Boris. Während eines Gewitters erfährt Katja von Tichons Rückkehr, gesteht in ihrer Verzweiflung vor aller Ohren den Ehebruch und flieht in die Dunkelheit. Gelockt von geheimnisvollen Stimmen stürzt sie sich in die Fluten der Wolga. Tichon bleibt schmerzerfüllt zurück und stellt sich nun gegen seine Mutter, für ihn die Mörderin seiner Frau.
Aufführung
Hoch aufgestapelte Paletten begrenzen einen unheimlichen, gefängnisartigen Ort. Die Zwischenräume der Kulisse lassen diffuses Licht und neugierige Blicke passieren. Im rechten Vordergrund erhöht steht der Wohnbereich, vollkommen verglast, ohne jede Privatsphäre. Mittig füllt Wasser die Szene – es ist die Wolga, in der Katja später versinken wird. Während der Ouvertüre steht sie zart in weißem, elegantem Kostüm, umgeben von Arbeitern, die ihr jeder einen Apfel reichen. Unter dieser Last bricht sie zusammen – eine Vorausahnung des kommenden Unheils. Später wird ihr Biss in einen Apfel den Moment der Verführung durch Boris symbolisieren. Äpfel sind omnipräsent: Tichon handelt mit ihnen kistenweise, seine Arbeiter schälen und essen sie, während des Gewitters prasseln Unmengen davon donnernd auf den Boden.
Sänger und Orchester
Will Humburg hält vom Pult des Beethovenorchesters aus von der Ouvertüre an die elektrisierte Spannung der Musik permanent aufrecht. Er nimmt den Zuhörer mit in diese Opernpartitur, die als eine der schwersten des Fachs gilt. Sämtliche Nuancen zwischen emotionaler Erregung und zarter Lyrik werden absolut überzeugend wiedergegeben. Das homogen ausgesuchte Ensemble rundet die musikalische Charakterisierung der Personen ab. Allen voran zu erwähnen ist Irina Oknina als leidenschaftliche, in der Gefühlskälte der Kabanows dahinvegetierende Katja. Ihre feminine Erscheinung passt perfekt zur Rolle, genauso wie ihr lichter Sopran zur komplett tschechisch gesungenen Titelpartie. Ihr nasses Ende war ebenso dramatisch, wie bühnenwirksam: Sie verschwindet komplett in der Wolga, als wäre sie nie dagewesen. Den ihr zur Seite gestellten Tichon verkörpert Mark Rosenthal (Tenor) stimmlich und spielerisch durchaus glaubhaft. Die Leidenschaft des Liebhabers Boris brachte George Onianis beweglicher Tenor mit viel Gefühlswärme zum Ausdruck, während  Ramaz Chikviladze seinen profunden Bass und seine kräftige Körperpräsenz dem korrupten und dominanten Dikoj lieh. Das dunkle Timbre von Daniela Denschlags Alt passte hervorragend zur machtbesessenen Kabanicha. In violettem Kostüm und angegrauter Hochfrisur gab sie das optische Pendant zur jugendlichen Katja. Die herrische Dominanz der Kabanicha fand eine starke szenische Umsetzung im Treueschwur, den Tichon seiner Frau auf ihr Geheiß abnimmt. Sie befahl es vom oben liegenden Wohnzimmer herab. Den Kontrapunkt zum tragischen Paar Boris-Katja gaben die Pflegetochter Varvara (Susanne Blattert in knalliger Aufmachung) und ihr Liebhaber Vánja (Tansel Akzeybek mit Lederjacke und Zigarette) mit ihren jugendlichen Stimmen ab.
Fazit
Obwohl das düstere Sujet nicht so recht in die lichte Maienzeit passen will, überzeugte die Bonner Aufführung vollkommen. Das Dirigat von Will Humburg war am Premierenabend von hypnotischer Wirkung. Die Regiearbeit des künstlerischen Leiters der ungarischen Staatsoper Balázs Kovalik gefiel durch genaue Personenführung, multifunktionales Bühnenbild (Csaba Antal), sowie wirkungsvolle Lichtregie (Max Karbe); man könnte allenfalls die stark strapazierte Apfelsymbolik monieren, sie zog sich jedoch stets mit Bezug zur Handlung durch das Operngeschehen.

Felicitas Zink

Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt: Irina Oknina (Katja), Statisterie der Bonner Oper

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