Faust – Radebeul, Landesbühnen Sachsen

von Louis Spohr (1784-1859), Große romantische Oper, Libretto von Josef Karl Bernard, UA: 1816, Prag.

Regie: Horst O. Kupich, Bühne: Stefan Wiel

Dirigent: Michele Carulli, Orchester und Opernchor der Landesbühne Sachsen

Solisten: Hagen Erkrath (Mephistopheles), Norman D. Patzke (Faust), Judith Hoffmann (Röschen), Falk Hoffmann (Franz), Jussi Järvenpää (Gulf), Guido Hackhausen (Graf Hugo), Anna Erxleben (Kunigunde), Sandra Maxheimer (Hexe Sycorax), u.a.

Besuchte Aufführung: 11.April 2010 (B-Premiere)

Kurzinhalt

Faust kann sich nicht zwischen seiner Liebe zu dem jungen Röschen (die eigentlich mit Franz verlobt ist) und Kunigunde, der Verlobten von Graf Hugo, entscheiden. Er verkauft Mephistopheles seine Seele, um Kunigunde aus den Fängen des bösen Ritters Gulf befreien zu können. Da Graf Hugo als Retter gefeiert wird, erhält Faust von der Hexe Sycorax einen Liebestrank, den er Kunigunde während ihrer Hochzeit reicht. Graf Hugo, von dem plötzlichen Sinneswandel seiner Braut erzürnt, fordert Faust zum Duell. Faust tötet ihn und flieht mit Kunigunde. Als Röschen, Fausts erste Liebe, die Auseinandersetzung mit Kunigunde um Faust verliert, begeht sie Selbstmord. Weil Kunigunde Rache für den Mord an Graf Hugo will, kann es keine Rettung mehr für Faust geben: Mephistopheles fährt mit ihm zur Hölle.

Aufführung

Für diese Produktion zum vorjährigen Spohr Jahr wurde ein Einheitsbühnenbild entworfen. Es zeigt einen großen Untergrund-Bahnhof mit Blick in eine riesige Tunnelröhre – mit Zugangsrampen für Fahrgäste und einem riesigen Ventilator, der surrend für die Belüftung sorgt. Befördert werden hauptsächlich Fahrgäste in schwarzen Gothic-Stil Kleidern, die mehr herumlungern, als sich bewegen. Faust und seine Freunde sind wie die Schwarzen Sheriffs in der U-Bahn gekleidet. Einzig Mephistopheles erinnert mit seinem schwarzen Haarschnitt an die übliche Deutung dieser Figur. Die übrigen Figuren tragen Kleidung unserer Tage. Graf Hugo sticht dabei als übertrieben elegant gekleideter Dandy ins Auge. Kämpfe werden zumeist mit dem Schwert ausgetragen, jedoch drängt sich der Eindruck auf, daß die Handlung in einer Art Endzeitstimmung im U-Bahnhof spielt.

Sänger und Orchester

Eigentlich muß man dankbar sein, daß es der relativ kleinen Landesbühne Sachsen überhaupt gelungen ist, dieses Werk besetzen zu können, da nicht weniger als drei Soprane, vier Tenöre, vier Baritone und ein Baß gefordert sind. Deshalb müssen Abstriche in der Qualität hingenommen werden. Den beiden Hauptdarstellern, sowohl Hagen Erkrath (Mephistopheles) als auch Norman D. Patzke (Faust) sind zwei lyrische Baritone mit überzeugender Reichweite – auch in den Tenor-Bereich, aber die Dämonie und Tragik der beiden eng verknüpften Rollen können sie nicht darstellen. Ein anderes Bild zeigen die Sopranen: Sowohl Judith Hoffmann (Röschen), Anna Erxleben (Kunigunde) und Sandra Maxheimer (Hexe Sycorax) beeindrucken mit klaren hellen Stimmen, können sich aber dadurch (vor allem beim Kampf zwischen Kunigunde und Röschen) nicht voneinander abgrenzen. Noch erwähnenswert ist Jussi Järvenpää, der als Baß mit sehr sicherer Tiefe in seinem Kurzauftritt als Gulf auffällt.

Herr im Haus ist unumstritten GMD Michele Carulli, der mit seinem Orchester einen wahren Klangrausch lostritt. Selten hat man einen solchen romantischen Klangteppich erlebt wie an diesem Abend. Genauso sicher ist der bestens disponierte Chor, der überaus präzise mit dem Orchester zusammen wirkte – die Interaktion mit den Solisten hakte dann doch an einigen neuralgischen Punkten.

Fazit

Es mag sein, daß die Landesbühne Sachsen nur der kleine Bruder der Staatsoper Dresden und eine herausragende Sängerriege an einem solchen kleinen Haus kaum möglich ist. Eine etwas tiefgründigere, um nicht zu sagen, sinnvollere Inszenierung sollte dagegen schon möglich sein. Denn dieser Faust ist kein Gelehrtendrama nach Goethe sondern ein einfaches Drama um einen Vergnügungssüchtigen, der seine Seele verkauft und in der Hölle endet. Jedoch beweist die Aufführung, daß die Werke von Louis Spohr zu Unrecht vergessen sind und als ein Missing Link zur romantischen Oper wieder auf den Spielplan gehören. Das Publikum bedankte sich dafür ausgiebig bei Chor und Orchester.

Oliver Hohlbach

Bild: Martin Krok

Bildlegende:

Das Bild zeigt, wie der böse Gulf in die Hände von Faust fiel, Kunigunde jedoch in die Hände von Graf Hugo

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