Tamerlano – Göttingen, Deutsches Theater

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Oper in drei Akten, Liebretto: Nicola Francesco Haym nach einem Libretto von Agostino Graf Piovene, UA: 31. Oktober 1724, King`s Theatre Haymarket, London

Regie: Johanna Garpe, Bühne: Martin Kukulies, Kostüme: Erika Landertinger

Dirigent: Nicholas McGegan, Festspielorchester Göttingen

Solisten: Christopher Ainslie (Tamerlano), Thomas Cooley (Bajazet), Kristina Hansson (Asteria), Clint van der Linde (Andronico), Franziska Gottwald (Irene), Lars Arvidson (Leone)

Besuchte Aufführung: 14. Mai 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Prusa, 1403. Sultan Bajazet wird als Gefangener des Tatarenherrschers Tamerlano an dessen Hof festgehalten. Tamerlano beauftragt seinen Gefolgsmann, den griechischen Prinzen Andronico, Bajazet freizulassen und ihn in seinem Namen um die Hand von dessen Tochter Asteria zu bitten. Bajazet lehnt ab und Asteria fühlt sich von ihrem Geliebten Andronico betrogen. Inzwischen ist Irene, die Verlobte Tamerlanos, eingetroffen und hat von dessen neuen Heiratsplänen erfahren. Sie ist wütend und möchte ihn umstimmen, gibt sich aber zunächst nicht zu erkennen. Asteria stimmt der Heirat mit Tamerlano zu, um sich später an ihm rächen zu können, offenbart ihre Mordpläne jedoch, als Bajazet mit Suizid droht. Tamerlano tobt und droht mit dem Schlimmsten. Nun offenbart auch Andronico seine Liebe zu Asteria; Tamerlano möchte daraufhin alle töten. Beim Bankett vergiftet Asteria Tamerlanos Getränk, was Irene beobachtet. Sie gibt sich nun zu erkennen und rettet Tamerlano. Bajazet taucht auf. Er hat Gift genommen und verabschiedet sich zärtlich von seiner Tochter. Tamerlano gibt nun nach: Asteria ist frei und kann sich mit Andronico vermählen, während Tamerlano Irene heiratet.

Aufführung

Die Bühnengestaltung besteht aus zwei schwarzen, hohen, rechteckigen und beweglichen Kästen, die die in orangerotes Licht getauchte Bühne vom ersten bis zum dritten Akt gestalten und je nach Handlungsort in Kerker, Thron- oder Bankettsaal verwandeln. Zusätzlich ist der Bühnenraum an seiner Stirnseite mit einer Landkarte versehen, auf der die Eroberungen Tamerlanos silberglänzend markiert sind. Die Kostümwahl ist eine Synthese zwischen Tradition und Moderne: So zeigt sich Asteria in ein türkises Seidengewand gehüllt und verschleiert, später dann in traditionell verziertem Brautkleid, Bajazet in weiß wallendem Gewand mit schwarzer Weste. Tamerlano, Andronico und Leone hingegen erscheinen in heutigen Anzügen in gedeckten Farben, Irene in schwarzem Minikleid mit Designerhandtasche und Designersonnenbrille.

Sänger und Orchester

Thomas Cooley gelang es an diesem Premierenabend in der Rolle des Bajazet mit Hilfe seiner ausdrucksstarken und intonationsreinen Stimme nebst passender schauspielerischer Darstellung jede Befindlichkeit seiner Figur gut zum Ausdruck zu bringen, was sich besonders in Arien wie Forte e lietoFroh und tapfer (1. Akt) zeigte. Die gesangliche Leistung von Christopher Ainslie (Tamerlano) durchlebte im Verlauf des Abends eine deutliche Steigerung. Setzte er sich zunächst trotz markeloser Intonation nur sehr schwer gegen das starke Orchester durch, z.B. bei Non deve esser mia sposa: La destino per voi –Sie kann ich nicht heiraten: Ich bestimme sie für euch (1. Akt), so vertrat er beispielsweise in A dispettoIch trotze dir (3. Akt) eine stolzere und herrschaftsangemessenere Nachdrücklichkeit. Clint van der Linde (Andronico) gelang es, die hohen Lagen sauber zu meistern, und in Klagearien Benché mi sprezziAuch wenn sie mich abweist einen seufzenden Klang zu treffen. Dennoch zeigten sich Schwachstellen in der Intonation in der tieferen Stimmlage sowie einem übertriebenen Vibrato. Positiv hervorzuheben ist das Liebesduett mit Asteria im 3. Akt, in dem beide Sänger nicht nur eine harmonische Abstimmung ihrer Stimmen, die sich zeitweilig wie zu einer einzigen verbinden, präsentierten, sondern ebenso einheitlich mit dem Orchester korrespondierten. Sowohl Kristina Hansson (Asteria) als auch Franziska Gottwald (Irene) ragten mit Genauigkeit in der Textverständlichkeit und Transparenz im Zusammenwirken mit dem Orchester hervor. Dabei gelang es ihnen außerdem, die Charaktere ihrer Figuren klar darzustellen wie z.B. im 1. Akt mit Asterias S´ei non mi vuol amarWill er mich nicht mehr lieben oder Irenes Par che mi nasca in senoEin Schimmer von Hoffnung. Auch Lars Arvidson präsentierte die Rolle des Leone mit witziger Mimik und starker, solider Baßstimme. Das Festspiel Orchester Göttingen unter Nicolas McGegan war in barocker Phrasierung, Akzentuierung und klanglicher Durchsichtigkeit sowie dynamischer Differenzierung ungemein präzise.

Fazit

Eine Opernabend, der von einem insgesamt starken Sängerensemble und einer qualitativ hochwertigen Orchesterleistung bestimmt wurde, was vom Publikum mit häufigem Zwischenapplaus und regelrechtem Begeisterungsausbruch am Ende der Aufführung gewürdigt wurde.

Friederike Jurth

Bild: Theodoro da Silva

Das Bild zeigt: Christopher Ainslie (Tamerlano) und Franziska Gottwald (Irene) im Hintergrund

Veröffentlicht unter Göttingen, Deutsches Theater, Opern