von Jules Massenet (1842-1912), Oper in 4 Akten
Libretto: Adolphe Philippe d’Ennery, Louis Gallet und Edouard Blau
Uraufführung: 30. November 1885, Paris
Regie: Nicolas Joel, Bühnenbild/Kostüme: Andreas Reinhardt †
Dirigent: Michel Plasson, Operorchester Zürich; Chor, Jugendchor, Zusatzchor, Einstudierung: Jürg Hämmerli
Solisten: Isabelle Kabatu (Chimène), Isabel Rey (Infantin), José Cura (Rodrigue), Andreas Hörl (Don Diègue), Vladimir Stoyanov (König), Cheyne Davidson (Graf Gormas), Tomasz Slawinski (St. Jacques), Miroslav Christoff (Don Arias), Krešimir Stražanac (Don Alonso und Maurischer Gesandter)
Besuchte Vorstellung: 26. Januar 2008 (Premiere am 13. Januar 2008)
Operngeschichte
Massenets Oper LE CID ist angeblich bereits die siebenundzwanzigste, die sich diesem Themenkreis stellt, u.a. zählen auch Paisiello und Peter Cornelius zu den Vorgängern. Zeitgleich mit Massenet arbeitete Debussy an einer Cid-Oper.
Die historischen Ereignisse um Rodrigo Diaz de Bivar, genannt El Cid, liegen mehr als neunhundert Jahre zurück. In erster Linie war El Cid, nach dem arabischen saiyid = Herr und Meister ein erfolgreicher Kriegsherr, der wesentlichen Anteil an der Rückeroberung derjenigen Teile der iberischen Halbinsel hatte, die seit dem achten Jahrhundert durch Mauren besetzt war. Seine recht wechselhafte Karriere – er fiel beim König des öfteren in Ungnade, wurde aber immer wieder rehabilitiert – fand ihren Höhepunkt in dem Ehrentitel Campeador. Er heiratete 1075 Jimena, eine Verwandte des Königs. Im Jahre 1099 starb er sechsundfünfzigjährig als Herrscher von Valencia.
Kurzinhalt
Rodrigue soll zum Ritter geschlagen werden, Fürsprecher ist Graf Gormas, Vater Chimènes, die Rodrigue liebt. Aber auch die Infantin höchselbst ist in den feschen Krieger verliebt, weiß aber, daß ihre Liebe zu einem Mann nicht königlichen Geblüts hoffnungslos ist. Rodrigue wird zum Ritter geschlagen, sein Vater, Don Diègue, ernennt der König zum Erzieher des Kronprinzen. Das wiederum mißfällt Graf Gormas, der selbst gern dieses Amt anstrebte. Wegen der Zurücksetzung außer sich vor Wut, schlägt er Don Diègue ins Gesicht. Rodrigue verteidigt seines Vaters Ehre, indem er Graf Gomes beim Duell tötet. Tochter Chimène – als Spanierin bedeutet auch ihr die Ehre mehr als die Liebe – fordert vom König Gerechtigkeit, im Klartext: Rodrigues Kopf. Da erscheint der maurische Gesandte und kündigt an, daß der Sultan die Spanier überfallen wollt. Daraufhin ernennt der König anstelle des getöteten Gormas Rodrigue zum Feldherrn. Beim Abschied gesteht Chimène Rodrigues, daß sie ihn immer noch liebe. Rodrigue aber will den Tod in der Schlacht suchen. Die Niederlage gegen die zahlenmäßig überlegenen Mauren scheint unvermeidlich, bis der Heilige Jakob erscheint und seine allerkatholischsten Spanier zum Sieg führt. Der König überläßt es Chimène, den siegreichen Rodrigues zu richten. Zunächst erscheint sie unfähig, ihm zu verzeihen. Als dieser sich jedoch erstechen will – schließlich ist auch er Spanier – gesteht sie öffentlich ihre Liebe und vergibt ihm.
Die Aufführung
Das Einheitsbühnenbild ist erheblich augenanstrengend – wir befinden uns im Sektionsraum der Geschichte. Man blickt in pseudounendliche Räume, Götz Friedrichs Zeittunnel läßt grüßen. Alles, aber auch alles, auch die zwei riesigen Raumteiler, die mal vor- und mal zurückfahren, ist mit blau-liniertem Millimeterpapier ausgeschlagen, der doppelte Fluchtpunkt blickt aus dem Bühnenhintergrund mit gleißendem Blick zurück. Man fühlt sich wie auf dem Boden eines reichlich futuristischen Hallenbads – nur nicht unter Wasser! Plötzlich steht im Fluchtpunkt ein Altarbild, jetzt ist alles goldgelb, Rodrigue tötet Gormas. Beim Abschied Rodrigues von Chimène flackert ein ewiges Lämpchen auf dem Fliesenboden, eine einsame Zypresse weiß nicht so recht, was sie da soll. Im königlichen Palast sind wir wieder im Hallenbad, vier Kanonen stehen in den vier Ecken, was hätte der Ausstatter da auch sonst hinstellen sollen – vier Fernsehapparate? Die Schlacht findet im leeren „Hallenbad“ statt und im letzten Akt steht ein majestätischer Brunnen in der Mitte. Die Kostüme allerdings sind echt bis in die Mühlsteinkragen – immerhin!
Dirigent und Sänger
Michel Plasson, auch er eine feste Größe im eidgenössischen Opernhaus, läßt Massenets farbenprächtige, bombastische, aber auch sensible Musik als Schlachtenlärm ertönen. Große Musik und große Gefühle! Recht effektvoll, aber wo bleibt die Ausgewogenheit? Wo bleiben die lyrischen Momente? Dafür mußten die Sänger sorgen, allen voran José Cura. (Wie wir erfuhren, was sein Vater vor wenigen Tagen verstorben.)
Dennoch hat Cura keine Vorstellung abgesagt, eine fast übermenschliche Leistung, für die ihm unser Dank und unsere uneingeschränkte Anerkennung gilt. Auch in dieser schweren Stunde denkt er an sein Publikum, das z.T. von weit her angereist ist. Cura ist der martialische Kriegsherr, er zerbricht fast an dem Konflikt Ehre – Liebe, er weiß die dramatischen Momente förmlich herauszubrüllen, und er rührt unsere Herzen mit einem Pianissimo d’Amore, das ihm erstmal einer nachmachen muß. Eine grandiose Leistung, in unserer Achtung noch gesteigert durch die schicksalhaften Umstände seines Auftritts. Stimmgewaltig Isabel Rey als Chimène, für meinen Geschmack hatte sie anfangs zuviel Vibrato auf der Stimme, aber zugegeben, das klang dramatisch. Auch sie ausdruckszart im Liebesduell mit Rodrigue. Tadellose Leistung auch von ihrer Pseudo-Gegenspielerin und Pseudo-Verbündeten, Isabelle Kabatu als Infantin.
Hervorragend, mit geradezu schmeichelhaftem Bariton, Vladimir Stoyanov als Spanischer König. Großartig in Sang und Spiel, man verzweifelt förmlich mit ihm und an der Kraftlosigkeit des Alters, die auch uns erwartet, wenn es uns noch nicht erwischt hat, Andreas Hörl als beleidigter Vater Don Diègue. Rollendeckend war Cheyne Davidson als Graf Gormas. Auch die kleineren Rollen waren so besetzt wie man es von diesem Haus, das sich in den letzten Jahren unter Intendant Alexander Pereira an die Weltspitze emporgearbeitet hat, erwarten kann: Krešimir Stražanac als Maurischer Gesandter und Don Alonso, Tomasz Slawinski als St. Jacques und Miroslav Christoff als Don Arias. Mein persönlicher Superstar des Abends waren Chöre, wie man sie fast nur in Zürich hören kann – begeisternd!
Riesenapplaus für alle, besonders natürlich für José Cura.
Dr. Rüdiger Ehlert Foto: Suzanne Schwiertz
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