von Richard Wagner, Erster Tag des Ring des Nibelungen, Text: R. Wagner, UA:: 26.Juni 1870, München
Regie: Barrie Kosky, Bühne: Klaus Grünberg, Kostüme: Klaus Bruns, Licht: Klaus Grünberg, Susanne Reinhardt, Dramaturgie: Ulrich Lenz
Dirigent: Wolfgang Bozic, Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Solisten: Siegmund (Vincent Wolfsteiner), Sieglinde (Kelly God), Hunding (Albert Pesendorfer), Wotan (Robert Bork), Fricka (Khatuna Mikaberidze), Brünnhilde (Brigitte Hahn), Die Walküren: Gerhilde (Karen Frankenstein), Ortlinde (Carmen Fuggiss), Waltraute (Monika Walerowicz), Schwertleite (Sandra Fechner), Helmwige (Arantxa Armentia), Siegrune (Mareike Morr), Grimgerde (Valentina Kutzarova), Rossweisse (Julia Faylenbogen)
Besuchte Aufführung: 23. Mai 2010 (Premiere)
Siegmund sucht im Hause seines Feindes Hunding Schutz. Hundings Gattin Sieglinde nutzt die nächtliche Stunde, dem fremden Manne näher zu kommen. Man entdeckt, daß man ein Zwillingspaar ist und Sieglinde übergibt ihm das Schwert Nothung. Dann eilt man gemeinsam fort, um sich den Freuden der inzestuösen Liebe im Walde hinzugeben. Götterchef Wotans Frau Frickas fordert Siegmunds Tod wegen dessen inzestuösen Verhaltens. Wotan entspricht ihrer Bitte und fordert sie auf, Siegmund zu töten. Doch Brünnhilde will Siegmund schützen. Beim Kampf erscheint Wotan selbst, läßt Siegmunds Schwert Nothung zersplittern, so daß Hunding ihn töten Siegmund. Hunding aber wird von Wotan getötet. Kann fliehen, doch Brünnhilde bekommt ihre Strafe: Wotan versetzt sie innerhalb eines gewaltigen Feuerrings in Schlaf.
Aufführung
In Jeans und blutigem T-Shirt taumelt Siegmund in einem Wohnzimmer mit Couchtisch, Sofa und Sessel hin und her. Das Mahl nimmt man mit Stäbchen aus chinesischen Lunchboxen zu sich und trinkt dazu Bier. Hunding tritt ständig seine Frau in den Hintern und verprügelt sie. Als Siegmund sich auf Sieglinde stürzt, folgt ein gewaltiger Erguß einer schleimigen Flüssigkeit aus der Deckenöffnung, was nach dem unmittelbar folgenden Vorhang einen Buh-Orkan auslöste.
Danach befindet man sich offenbar in einem Theater: Ränge, Aufgänge, Vorhänge – wohl das große Welttheater. Der Walkürenfelsen ist eine – ganz in weiß gehaltene – Tankstelle. Die acht Walküren, als Punkermädel hergerichtet, sind an Zahl verdoppelt. Sie kreischen und hüpfen (auch während der Musik) blutige Leichname schwingend durch die Szene. Zum Feuerzauber liegt Brünnhilde in einer Tankstellen und Wotan leert ein paar Eimer Benzin rund um die Zapfsäule. Doch er entzündet nur eine kleine Gartenfackel an Brünnhildes Kopf (Gestattete die Feuerwehr nicht mehr?)
Sänger und Orchester
GMD Wolfgang Bozic dirigierte Wagner wie gewohnt, aber nicht bei allen Hannoveranern beliebt, klassisch – wieder keine Überraschungen, aber meistens mit viel Rücksicht auf die Sänger. Nur das Blech war besonders anfangs durchaus nicht auf Medaillenkurs.
Dramatischste Ausdruckskraft, Kondition und Stimmkraft ohne Grenzen; der Wälse!Wälse! Ruf Vincent Wolfsteiners (Siegmund) hätte Tote auferweckt – eine gigantische Leistung von der aber auch ein Meister des Subtilen: im schwermutsvollen und folgenreichen Gespräch mit Brünnhilde beispielsweise. Ihm ebenbürtige Partnerin mit gewohnter Stimmgewalt Kelly God als Sieglinde. Auch Brigitte Hahn (Brünnhilde0) kam da bestens mit und ließ keinerlei Schwächen der herausfordernden Rolle erkennen. Nicht gerade – um es mal so zu formulieren – ihren allerbesten Tag hatte Khatuna Mikaberidze als Fricka; irgendwie fand sie nicht zu sich und zu ihrer Rolle an diesem Premierenabend. Wer sie allerdings schon des öfteren in großen Partien in Hannover bewundern konnte, der weiß: Das war nur ein vorübergehender kleiner Durchhänger. Mit sicherem düsterem Baß Albert Pesendorfer als grimmiger Hunding. Imposant auch in der absolut glaubwürdigen Erscheinung bis hin zum fiesen Triumph in seinem markanten Gesicht, als er Siegmund den Todesstoß verpaßt. Vielleicht wirkte deshalb ein an sich tadellos singender Robert Bork als Wotan blaß. Die Walküren (außer dem störenden Gekreische) haben dann ihren Walkürenritt bravourös absolviert
Fazit
Riesen-Beifall für die Sänger, verdientermaßen die meisten Bravos für Siegmund, einige Buhs für Fricka. Als Barrie Kosky erschien, brach ein Buh-Sturm unerwarteter Größenordnung los, dazwischen auch Bravorufe. Offensichtlich teilten das Publikum sich in eine etwa halbe-halbe Zustimmung bzw. Ablehnung der Inszenierung.
Dr. Rüdiger Ehlert
Bild: Thomas M. Jauk
Das Bild zeigt die Walküren in Aktion: Mareike Morr (Siegrune), Monika Walerowicz (Waltraute), Arantxa Armentia (Helmwige), Statisterie