ORLANDO – Halle, Oper

von Georg Friedrich Händel (1685-1759) Opera seria in 3 Akten, Libretto: Unbek. Bearbeiter nach Carlo Sigismondo Capeces Libretto zu Domenico Scarlattis Dramma per musica Orlando ovvero la gelosa pazzia (1711), UA: 27. Januar 1733, King’s Theatre Haymarket, London

Regie: Nicola Hümpel, Bühnenbild: Oliver Proske, Kostüme: Frauke Ritter

Dirigent: Bernhard Forck, Händelfestspielorchster Halle

Solisten: Owen Willetts (Orlando), Marie Friederike Schöder (Angelica), Dmitry Egorov (Medoro), Sophie Klußmann (Dorinda), Christoph Stegemann (Zoroastro)

Besuchte Aufführung: 4. Juni 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Orlando ist wie besessen in Angelica, die Königin von Catai verliebt. Dies ruft die Sorge des Magiers Zoroastro hervor, da Orlando daher seine ritterlichen Pflichten vernachlässigt. Dorinda, eine Schäferin, hat sich indessen in den Prinzen Medoro verliebt. Doch dessen Herz schlägt allein für Angelica, die ebenfalls in Liebe zu Medoro entbrannt ist. Angelica und Medoro fliehen, als Orlando in eifersüchtige Raserei gerät. In blinder Wut zerstört er beider Liebesgrotte und tötet scheinbar Medoro sowie Angelica. Nun greift Zoroastro ein und weckt den in tiefen Schlaf gefallenen Orlando mit Zaubertropfen, der sich daraufhin das Leben nehmen will, da ihm Dorinda seine Vergehen vorhält. Die beiden Totgeglaubten und durch den Magier geretteten Liebenden halten ihn jedoch davon ab und Orlando erkennt ihre Liebe an, und hat  wieder Zeit, sich neuen Heldentaten zu widmen.

Aufführung

Die Festspiel-Neuproduktion bedient sich klar strukturierter Bühnenelemente, die sich durch alle drei Akte hindurchziehen. Von einem raumgreifenden Podest, von dem funktionale Klappen und Sitzgelegenheiten geöffnet werden können, setzt sich eine halbkreisförmige Rückwand mit einer Tür ab. Auf die Rückwand werden bisweilen Zitate von Persönlichkeiten sowie unterschiedliche, computer-generierte Räume und Natureindrücke projiziert. Überdimensionale Hirtenstäbe oder von oben herabhängende und in Bewegung versetzte stilisierte Säulen imitieren zudem Natur- und Palasträume. Die Kostüme der Darsteller sind teilweise modern schlicht gehalten, wobei mitunter auch unterschiedliche Stilepochen und Kulturräume zitiert sowie miteinander verwoben werden. Neben den eigentlichen Sängern treten pantomimisch spielende Performer von Nico and the Navigators auf, welche sowohl untereinander agieren als auch die Sänger zur Interaktion bewegen.

Sänger und Orchester

Owen Willetts (Orlando) versteht es, seinen samtig timbrierten Countertenor, der es nicht an impulsiver Durchschlagskraft in der Mittellage fehlt, in den dramatischen Szenen aufleuchten zu lassen. Dabei fällt angenehm auf, daß er in den Höhen noch Reserven aufzuweisen hat, die er gezielt besonders in hochdramatischen Abschnitten zum Einsatz bringt. Bei ihm gerät gesanglich und darstellerisch Liebeswahn und Heldenmut zu einer rasanten Berg- und Talfahrt. Ein weiterer Höhepunkt des Abends bietet sich mit Marie Friederike Schöder. Ihre Interpretation der Angelica ist ängstliche Zurücknahme und glühende Liebe zugleich. Mit wendigen Phrasierungen, schillerndem Tremolo und absolut sauberer Intonation läßt sie ihre jugendlich frische Sopranstimme warm und zugleich durchschlagskräftig aufblitzen. Der Reigen der starken Stimmen setzt sich mit Countertenor Dmitry Egorov (Medoro) nahtlos fort. Seine kontrastreich gefärbte Stimme, die von erdigen Mitteltönen bis hin zu seidigen Höhen das Ohr umschmeichelt, stellt einen perfekten Gegenpart zur Stimmqualität von Marie Friederike Schöder dar. Baß Christoph Stegemann (Zoroastro) stellt mit absolut sauberer Intonation in den stimmlich voluminös ausgekosteten Tiefenbereichen, bei kristallklarem Duktus, einen mehr als würdigen Magier dar. Die Stärke von Sophie Klußmann (Dorinda) liegt eindeutig in den lyrischen Abschnitten, in denen ihre nuancenreich eingesetzte Sopranstimme voll zum Tragen kommt. In den Höhenlagen läßt sie etwas an tragendem Fundament vermissen.

Das Händelfestspielorchester Halle unter Bernhard Forck bringt dazu die Musik Händels mit engagiert lebendigem Spiel auf ihren Originalinstrumenten zum Leuchten.

Fazit

Die Inszenierung verliert sich allerdings durch die Ausstattungselementen und häufigen Handlungsinteraktionen mit den Pantomimen in zahlreichen Anspielungen, die jedoch auf Grund des mythischen Stoffes nicht eindeutig aufgelöst werden, sondern im Nebel des undeutbaren Ominösen versinken. Somit schwebt das Stück achselzuckend zwischen Mythologie und Moderne. Ein Bravo für die Sänger und das Orchester, die mit teilweise vorzüglichen Leistungen dem Orlando Leben einhauchten.

Dr. Andreas Gerth

Bild: Gert Kiermeyer

Das Bild zeigt: Owen Willetts (Orlando), Marie Friederike Schöder (Angelica)

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