DER KÖNIG KANDAULES – Bielefeld, Stadttheater

von Alexander Zemlinsky (1871 – 1942), Oper in drei Akten, Libretto: Alexander Zemlinsky nach dem Drama Le Roi Candaule von André Gide; Partitur rekonstruiert und Instrumentation vervollständigt von Antony Beaumont, UA: 6. Oktober 1996, Hamburg

Regie: Birgit Kronshage, Bühnenbild und Kostüme: Marina Hellmann, Dramaturgie: Uwe Sommer, Dirigent: Peter Kuhn, Bielefelder Philharmoniker. Solisten: Luca Martin (König Kandaules), Sabine Passow (Nyssia), Alexander Marco-Buhrmester (Gyges), Ilknur Özcan (Trydo, stumme Rolle), Torben Jürgens (Koch/Philebos), Meik Schwalm (Phedros), Lasse Penttinen (Simias/Syphax), Jacek Janiszewski (Nicomedes), Lutz Laible (Pharnaces), Eric Laporte (Sebas), Sebastian Pilgrim (Archelaos), Statisterie des Stadttheaters Bielefeld

Besuchte Aufführung: 19. Juni 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Für König Kandaules ist es das größte Glück, seine Höflinge und Freunde in vollen Zügen an seinem Reichtum teilhaben zu lassen. Nachdem der Fischer Gyges ihm einen Fisch schenkt, in dessen Inneren ein Ring steckt, freundet sich Kandaules mit Gyges an und kommt auf den infamen Gedanken, sein größtes „Gut“, seine Frau Nyssia, mit ihm zu teilen. Mit Hilfe des Ringes, der seinen Träger unsichtbar macht, soll Gyges eine Liebesnacht mit Nyssia verbringen. Am nächsten Tag schwärmt Nyssia Kandaules von der letzten Nacht vor, was diesen nun rasend eifersüchtig macht. Gyges wiederum wird so von Gewissensbissen geplagt, daß er Nyssia den Betrug beichtet und ihr sein Leben bietet. Die tief in ihrer Ehre gekränkte Königin rächt sich, indem sie Gyges auffordert, Kandaules zu töten. Widerwillig wird Gyges schließlich zum Mörder an König Kandaules und übernimmt an der Seite von Nyssia die Herrschaft über dessen Reich.

Aufführung

Gyges steht auf einem trapezförmigen Podest in der Mitte der Bühne. Gekleidet wie ein armer Fischer spricht er den Leitsatz, der die Pointe des Stücks bildet: Wer sein Glück kennt, der halte es gut fest. Die Bühnenwände sind erdfarben und schlicht. Birgit Kronshage hält das Bühnenbild über alle drei Akte weitgehend gleich. Das Podest dient im weiteren Verlauf als reich gedeckter Tisch des Königs Kandaules. Im dritten Akt dient es als Bett für die Liebesnacht von Gyges und Nyssia und wird von weißen Vorhängen, die von oben herunter gelassen werden, umhüllt. Die hintere Bühnenwand wird bei dem Erscheinen Kandaules’ etwas geöffnet. Dahinter erscheint eine blau-türkise Bühnenwand mit großflächigem Muster, die sich ganz erst zeigt, als der Fisch von Gyges serviert wird. Nun ist ein riesiger Fisch symbolhaft in der hinteren linken Bühnenhälfte zu sehen. Kleine Änderungen der Bühnenrequisiten werden von vier Bediensteten des Königs vorgenommen, die alle als stumme Darsteller in ägyptisch anmutender Kleidung agieren. Nyssia, anfangs in schlichter grau-schwarzer Kleidung, trägt während der Liebesnacht ein cremefarbenes und im dritten Akt ein rotes Gewand. Für die Darstellung der Liebesnacht kommt ein musikbegleiteter Lichteffekt in dem ansonsten sehr effektarmen Bühnenbild zum Einsatz: Im Inneren des von weißen Vorhängen umhüllten Liebesschauplatzes wird parallel zur ansteigenden Dramatik in der Orchestermusik ein visuelles An- und Abschwellen der Spannung durch Farbwechsel von hell- bis dunkelgelb erzeugt.

Sänger und Orchester

Die wichtigsten Partien sind die des Kandaules, der Nyssia und des Gyges. Luca Martin (Kandaules) spielt die Rolle des Königs passabel und trägt die Gesangspassagen mit klarer Stimme vor. Sabine Paßow (Nyssia) zeigt sich sehr ausdrucksstark in ihrer Gestik. Doch teilweise benutzt sie ein so starkes Vibrato, daß die Textverständlichkeit leidet. Alexander Marco-Buhrmester (Gyges) hebt sich an diesem Abend mit seiner Leistung von den anderen Sängern ab. Mit seinem kräftigen Bariton und seinem darstellerischen Können bereichert er die Aufführung. Seine Stimme kann sich gegen die große Orchesterlautstärke behaupten. Die weiteren Nebenrollen haben lediglich kurze gesangliche Einlagen oder Sprechszenen, die unauffällig in das musikalische Geschehen eingehen. Peter Kuhn dirigiert mit diesem Werk seine letzte Opernpremiere als Bielefelder GMD, und das tat er mit großer, sogar zu großer dynamischer Intensität. Insbesondere bei den dramatisch anschwellenden Phasen haben es die meisten Sänger schwer, gegen das Orchester anzukommen.

Fazit

Ob es die gewaltige Orchesterlautstärke war oder die eher belanglos inszenierte Aufführung – nach der ersten Pause blieben einige Plätze im Publikum unbesetzt, und nach der zweiten Pause lichtete sich die Reihen weiter. Das Bielefelder Theater präsentiert sich mit der Aufnahme dieses Werkes in sein Repertoire als experimentierfreudig und mutig, vermag jedoch das dramatisch anmutende Sujet nicht so bühnenwirksam zu verarbeiten, wie es das Publikum wohl erwartet hatte.

Britta Winkelnkemper

Bild: Matthias Stutte

Das Bild zeigt: v.l.n.r. Lasse Penttinen (Simias/Syphax), Meik Schwalm (Phedros), Sabine Passow (Nyssia, seine Gemahlin), Luca Martin (König Kandaules), Sebastian Pilgrim (Archelaos), Eric Laporte (Sebas), Jacek Janiszewski (Nicomedes), Lutz Laible (Pharnaces)

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