von Marc-Antoine Charpentier, musikalische Komödie in drei Akten, Libretto von Molière
UA: 10. Februar 1673, Paris
Regie: Albrecht Hirche, Bühne: Katrin Busching
Dirigent:: Volker Hiemeyer, Aachener Sinfonieorchester und Opernchor des Theater Aachen, Choreinstudierung: Frank Flade
Solisten: Karsten Meyer (Argan), Michaela Maria Mayer (Béline), Mélanie Forgeron (Angélique), Katharina Bergrath (Louison), Rainer Krause (Béralde), Julia Brettschneider (Toinette), Patricio Arroyo (Cléante), Pawel Lawreszuk (Monsieur Diarrhoerius), Louis Kim (Thomas Diarrhoerius)
Besuchte Aufführung: 26. Juni 2010 (Premiere)
Argan ist ein schwerkranker Mann – das bildet er sich zumindest so ein. Er gibt ein Vermögen für Ärzte und Medikamente aus. Auch sein Dienstmädchen Toinette kann ihn nicht davon überzeugen, daß die Ärzte nur aus Profitgier handeln. In seinem Wahn, ständig Ärzte um sich haben zu müssen, will er sogar seine Tochter Angélique mit dem Arztsohn Thomas Diarrhoerius verheiraten. Angélique ist aber in Cléante verliebt. Ihre Stiefmutter Béline hat es nun auf Argans Vermögen abgesehen und wartet nur darauf, alles zu erben. Argan glaubt hingegen an Bélines Liebe zu ihm. Toinette will ihrem Herrn die Augen öffnen. Sie gibt sich als Arzt aus, der Argan mit eigenartigen Methoden heilen möchte. Argan ist skeptisch und traut der Medizin von nun an nicht mehr über den Weg. Danach schlägt Toinette vor, Argan solle sich tot stellen und die Reaktionen seiner Familie testen. Dies tut Argan. Béline freut sich über den Tod des Gatten und ist entlarvt. Angélique ist tatsächlich traurig über den vermeintlichen Tod des Vaters. Argan sieht nun ein, daß seine Tochter Cléante wirklich liebt und erlaubt den beiden zu heiraten. Am Ende wird der einst Kranke zum Arzt ernannt.
Aufführung
Im Vordergrund der Bühne sitzt der kränkelnde Argan und schneidet groteske Fratzen. Sein Krankenbett: ein Plastiksessel. Die Bühne besteht aus sternförmig angeordneten Holzbrettern, die schräg auf den Sessel zulaufen. Argan ist der Mittelpunkt des Stückes. Wenn er um Hilfe schreit, erscheint eine ganze Armee von Krankenschwestern (vom Chor dargestellt), die ihn versorgt. Ein schrilles Kostüm unterstreicht Argans Charakter: ein Morgenrock in pink, darunter eine Art Hosenlatz mit Schleifen. Béline trägt ein auffälliges Rokokokleid. Es wird mit Barockelementen gespielt, aber nur, um sich darüber lustig zu machen. Angélique und Louison erscheinen im jugendlichen Straßenlook, Cléante wird als feuriger Torero präsentiert. Eine Farce durch und durch. Im ersten Akt fehlen für eine Komödie die witzigen Einfälle. Gelungen ist allerdings Karsten Meyers (Argan) Interpretation des eingebildeten Kranken: groteske Gesichtsausdrücke, extreme Körpersprache und lautes Geschreie gehören dazu. Nach der Pause wird das Tempo dann angezogen. Vor allem Julia Brettschneider (Toinette) bringt Leben auf die Bühne: Mit Temperament feuert sie das Publikum sogar an, im Sprechchor die Worte der Enddarm zu schreien. Diese und andere Einlagen sorgen für eine gute Unterhaltung.
Sänger und Orchester
Als Musikstück ist Der eingebildete Kranke kaum bekannt. Das Theater Aachen bindet die Musik gut in die Handlung ein. Besonders lobenswert sind die galanten Chorpartien, die sich wundervoll mit dem darstellenden Spiel des Hauptdarstellers ergänzen. Der Chor kann durch sein gesangliches Volumen überzeugen. Daneben stechen die drei Sopranistinnen besonders hervor. Michaela Maria Meyer (Béline) verleiht ihrer Rolle der hinterlistigen Stiefmutter durch einen lyrischen, geschmeidigen Sopran Ausdruck. Eine besondere Überraschung ist Katharina Bergrath (Louison), die ausnehmend klar und rein singt: die Verkörperung der jugendlichen Unschuld. Ebenfalls hervorzuheben ist die Mezzosopranistin Mélanie Forgeron (Angélique). Mit ihrer warmen, samtigen Stimme verkörpert sie charmant die reifere Tochter. Weniger erfreulich ist allerdings Patricio Arroyo (Cléante), der mit seiner dünnen Tenorstimme zu wenig Temperament für die Rolle besitzt. Als Liebhaber hat er allenfalls komödiantischen Wert für das Stück. Das Orchester spielt in Barockbesetzung. Unter Volker Hiemeyers Führung läuft alles wie am Schnürchen. Die Interaktion zwischen Musik und Handlung ist gelungen. So spricht Karsten Meyer das Orchester mehrmals direkt an, wie etwa: Musik bitte! oder: Könnt ihr nicht mal aufhören zu spielen?
Fazit
Krankheit und Tod – das sind in Molières Stück keine ernsten Themen, sondern Themen für eine Komödie. Dies bringt die Aachener Inszenierung gut zum Ausdruck. Im Mittelpunkt stehen Musik und Schauspiel. Und das ist gut so. Ausgezeichnet sind neben dem Chor die drei Sopranistinnen, sowie das unschlagbar komische darstellende Spiel von Karsten Meyer und Julia Brettschneider.
Melanie Joannidis
Bild: Will van Iersel
Das Bild zeigt: Karsten Meyer (Argan) und Chor (Krankenschwestern)