LA CLEMENZA DI TITO – DIE MILDE DES TITUS – Schwetzingen, Mozartsommer

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Dramma serio per musica in zwei Akten, Libretto: Caterino Tommaso Mazzolà nach Pietro Metastasio von, UA: 6. September 1791 Prag

Regie: Günter Krämer, Bühne: Herbert Schäfer, Kostüme: Falk Bauer, Licht: Alexander Alber, Dramaturgie: Anselm Dalferth

Dirigent: Dan Ettinger, Chor: Tilman Michael

Solisten: Lothar Odinius (Tito), Marie-Belle Sandis (Vitellia), Katharina Göres (Servilia), Valer Barna-Sabadus (Sesto), Yuriy Mynenko (Annio), Frank van Hove (Publio)

Besuchte Aufführung: 18. Juli 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Vitellia, Tochter des entmachteten Kaisers Vitellius, plant ein Attentat auf Kaiser Tito. Dieser hat nicht sie, sondern Berenice, Prinzessin von Judäa, zur Gemahlin erwählt. In ihrem Verlangen nach dem Thron stiftet sie Sesto, den engsten Vertrauten des Kaisers, zum Komplott an. Aus Liebe zu Vitellia steckt er das Kapitol in Brand. In diesem Moment erfährt Vitellia, daß sie von Tito zur Throngemahlin ausgerufen wurde. Titus entkommt dem Mordanschlag, ist aber fest von der Unschuld Sestos überzeugt. Als Sesto ihm die Gründe seiner Tat verschweigt, unterzeichnet Tito im Zorn dessen Todesurteil. Nun erst erkennt Vitellia die Folgen ihrer Intrige und ist bereit, dem Kaiser alles zu beichten. Tito ist bereit, allen zu verzeihen. Nie würde er es zulassen, als gestrenger und strafender Kaiser in Roms Geschichte einzugehen.

Aufführung

Vor Beginn der Ouvertüre hebt sich der Vorhang. Man erlebt die Vorgeschichte zwischen Berenice und Titus, bevor die eigentliche Oper beginnt. Auf der Bühne befindet sich linkerhand ein diagonaler überdimensionaler Schriftzug mit dem Namen des Kaisers, davor eine ebenso lange Stuhlreihe, wo später der Opernchor Platz nehmen wird. Rechts prangt ein überdimensionales Schwarzweiß-Abbild des Kaisers. Schauspielerisch sind die Protagonisten sich selbst überlassen. In der Szene finden sich keine bespielbaren Elemente, so daß sich die Darstellung auf gegenseitige Interaktionen beschränkt. Beim ersten Auftritt des Chors verbergen alle ihre Gesichter hinter Repliken einer Kaiserphotographie. Annio versucht sich in der Finalszene des ersten Akts als Bombenleger und soll infolge dessen im zweiten Akt durch das Henkerbeil sterben. Während des gesamten zweiten Teils ist der Chor in das den Namenszug Titus tragende Gerüst gezwängt, während bei der letzten großen Vitellia-Arie bereits alle Solisten in Erwartung der Finalszene auf der Bühne herumtummeln.

Sänger und Orchester

Das Orchester unter Dan Ettinger experimentiert mit einem Mischklang aus barocken Blechbläsern und modernem Streicherkorpus. Die Rezitative sind stark gekürzt. Vitellias erste Worte sind in der Übertitelung zu Satzfragmenten zusammengestrichen, daß zwar noch der Inhalt, nicht aber die eigentliche Poesie zur Geltung kommt. Titus deklamiert seine Rezitative höchst langsam im Flüsterton mit ungewöhnlich vielen Pausen. Im zweiten Akt werden, abgesehen von der Unterredung zwischen Sesto und Titus und dem Titusmonolog, fast alle Dialoge ausgelassen. Damit verkommt die Oper beinahe zu einer bloßen Aneinanderreihung musikalischer Nummern. Publios Arie ist ganz gestrichen. Lothar Odinius (Tito) zeigt vor allem in hohen Lagen Präsenz. Er ist dieser Partie gewachsen, auch wenn die radikalen Tempo-Wechsel Ettingers innerhalb der Arien ihm (wie übrigens auch den anderen) viel Expressivität rauben. Marie-Belle Sandis scheint sich in ihrer Rolle als Vitellia nicht sonderlich wohl zu fühlen. Ihre stimmlichen Vorzüge, mit denen sie ansonsten das Publikum begeistert, finden nicht den Weg zur bei Mozart erforderlichen Intimität. Sie intoniert hart und ist gegen ihre Ensemblepartner stimmlich zu präsent. Katharina Göres bewährt sich als einfühlsame Servilia und singt mit klarem, hellen Sopran ihr S’altro che lagrime – Nichts anderes als Tränen. Ihre Stimme klingt zart und zurückhaltend. Am beeindruckendsten waren die beiden Countertenöre Valer Barna-Sabadus (Sesto) und Yuriy Mynenko (Annio). Ihr erstes Duett Deh prendi un dolce amplesso läßt ob der stimmliche Anpassungsfähigkeit aufhorchen. Sie finden zu einem lyrischen Einklang, den man im Ensemble sonst oft vergebens sucht. Auch in den großen Solo-Arien beweist Barna-Sabadus sein ganzes Können. Mit seinem schmelzend-sehnsüchtigen Timbre findet er stets den adäquaten Ausdruck zwischen Liebe Parto, ma tu ben mio – Ich gehe, aber du und Freundschaft Deh per questo istante solo – Ach, nur für diesen Augenblick. Nur schade, daß Countertenöre in Mozartopern ein unverzeihbarer dramaturgischer Fehlgriff sind.

Fazit

Eine musikalisch übermäßig affektierte Interpretation trifft auf eine aussageschwache Inszenierung. Solange jedoch das Publikum den adäquaten Gestaltungswillen nicht vermißt, darf man auch in Zukunft mit tosenden Applausstürmen rechnen.

Daniel Rilling

Bild: Hans Jörg Michel

Das Bild zeigt: Chor, Lothar Odinius (Tito), Marie-Bella Sandis (Sesto)

Veröffentlicht unter Mannheim, Nationaltheater, Opern