von G. Verdi (1813-1901) Tragedia lirica in drei Akten, Libretto: Francesco Maria Piave nach The Two Foscari (1822) von Lord Byron, UA: 3. November 1844 Teatro Argentina, Rom
Regie: Saskia Kuhlmann, Bühne/Kostüme: Dietrich von Grebmer, Dramaturgie: Dr. Klaus Rak
Dirigent: Alexander Steinitz, die Meiniger Hofkapelle, Chor des Meininger Theaters, Einstudierung: Sierd Quarré
Solisten: Dae-Hee Shin (Francesco Foscari), Xu Chang (Jacopo Foscari), Karen Fergurson (Lucrezia Contarini), Calin-Valentin Cozma (Jacopo Loredano), Stan Meus (Barbarigio), Cordula Rochler (Pisana), Gerhard Goebel (Ratsdiener), Steffen Köllner ( Diener des Dogen)
Besuchte Aufführung: 3. September 2010 (Premiere)
Jacopo Foscari, der Sohn des Dogen, kehrt aus der Verbannung nach Venedig zurück, wird hier aber vom Rat der Zehn wegen eines angeblichen Mordes erneut in die Verbannung geschickt. Seine Frau Lucrezia, die sich verzweifelt an den Dogen, Francesco Foscari, ihren Schwiegervater, gewandt hat, um Gnade zu erwirken, wird abgewiesen; denn eine Begnadigung kann er ihr nicht geben, da der Ratschluß der Zehn stärker ist. Als Jacopo Foscari auf das Schiff in die Verbannung gebracht werden soll, stirbt er. Sein Vater, der zur Abdankung gezwungen wird, kann diese Schmach nicht ertragen und stirbt ebenfalls.
Aufführung
Das von Herzog Georg II. 1909 errichtete Theater wird in einer eineinhalbjährigen Umbauphase renoviert. So findet die erste Opernaufführung in den 2008 errichteten Neuen Kammerspielen mit ca. 250 Plätzen statt. Bühnenbildner Dietrich von Grebmer hat eine Einheitsbühne geschaffen, die einen Sinn dadurch bekommt, daß man wahrlich beim besten Willen nicht mehr aus der kleinen Kammerspielbühne hervorzaubern kann.
Das Orchester ist links oben – sozusagen im ersten Stock – plaziert. Trotz fehlendem Nachhall verbreitet sich der Klang eindrucksvoll in dem winzigen Raum. Neben zweier großer Treppen, die jeweils zu einem kleinen Raum führen, erblickt man einige polygonale Wände, die Ausschnitte von Venedig und Gemälden des Dogenpalastes oder – in der Kerkerszene – eine Wand voll mit Graffiti zeigen. Der Rat der Zehn, das gesetzgebende Gremium Venedigs, erscheint in 1930er Anzügen. Darüber streifen sie ihre roten Roben je nach Gegebenheiten. Den Dogen sieht man in Strickjacke, im Straßenanzug und im offiziellen Dogenornat. Lucrezias Kostüm entspricht ebenso wie das ihrer Mitstreiterinnen der Kleidermode, die man 1930 in Italien trug. Zu der kurzen Karnevalsszene zeigen sich die Akteure in den buntesten Kostümen und Masken.
Sänger und Orchester
Da es zur Zeit keinen Generalmusikdirektor gibt, leitet der erste Kapellmeister, Alexander Steinitz, die Meininger Hofkapelle. Und das macht er gut, zumal er den Sängern den Rücken zukehren muß und diese ihren Einsatz nur über Monitore erhalten. Dennoch gibt es in der ganzen Aufführung keine nennenswerten Koordinationsstörungen, weder mit den Solisten noch mit dem Chor. Das ist auch deswegen hervorzuheben, da Steinitz diese selten gespielte Oper mit dem Orchester vermutlich komplett neu einstudiert hat. Hier sind z.B. lange Bläsersoli oder Streicher-Duos bzw. -Quartette zu erwähnen, die die Orchestermitglieder in guter Spielmanier darbieten. Karen Fergurson (Lucrezia) stellt mit ihrem klaren, starken Sopran die um ihren Mann Jacopo Foscari kämpfende Gattin klar heraus, wobei ihre Koloraturen oft undeutlich klingen und sie an einigen Stellen, besonders in der Höhe, Intonationsschwierigkeiten hat. Ist ihr die Rolle zu spät vermittelt worden? Xu Changs (Jacopo Foscari) Aufgabe ist es, den unbeugsamen Sohn des Dogen darzustellen. Aber deshalb sollte er doch nicht durchweg forte singen. Die dynamischen Schattierungen vermißt man fast durchweg und die kleineren und größeren Verzierungen, die Verdi in diesem Frühwerk durchaus noch zu den Belcantisten Rossini, Donizetti und Bellini zuordnet, bleiben auf der Strecke. Dagegen ist es eine Freude, die eindringliche Bühnenpräsenz von Dae-Hee Shin (Francesco Foscari) zu erleben. Seine große Stimme, seine Intonationssicherheit und seine Dynamik sind einzigartig. Allerdings fehlen auch ihm Feinheiten in der Gestaltung der größeren und kleineren Verzierungen, die das eigentliche Vergnügen des Belcantogesangs ausmachen. Die übrigen Rollen sind gesanglich adäquat besetzt.
Etwas muß noch erwähnt werden: an einigen Stellen im Handlungsverlauf ertönt eine Lautsprecherstimme, die durch die Handlung führt. Sehr unangenehm ist die Unterbrechung vor dem dritten Finale: die technische Stimme unterbricht geradezu schmerzhaft den musikalischen Fluß. Will man dem Publikum das Lesen des Inhalts ersparen? Besser ist es, den Text, wie früher geübt, im Programmheft abzudrucken.
Fazit
In den beengten Kammerspielen ist es dennoch gelungen, diese selten in Deutschland gespielte Oper dem Publikum nahe zu bringen.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Erhard Driesel
Das Bild zeigt: Karen Fergurson (Lucrezia) sitzend und Dae-Hee Shin (Francesco Foscari) stehend