von Camille Saint-Saëns (1835-1921), Oper in drei Akten und vier Bildern, Libretto: Ferdinand Lemaire, basierend auf dem biblischen Buch der Richter, Kapitel 13-16
Regie und Ausstattung: José Cura, Dramaturgie: Anabelle Köhler, Licht: Gerd Meier
Dirigent: Jochem Hochstenbach, Badische Staatskapelle, Staatsopernchor und Extrachor, Einstudierung: Ulrich Wagner
Solisten: José Cura (Samson), Julia Gerseva (Dalila), Stefan Stoll (Oberpriester des Dagon), Lukas Schmid (Abimelech, Befehlshaber der Philister), Walter Schreyeck (Alter Hebräer), Ulrich Schneider (Stimme des alten Hebräers) u.a.
Besuchte Aufführung: 15. Oktober 2010 (Premiere)
Fundament der Oper ist die alttestamentarische Geschichte von Samson. Dieser bezwingt mit seinen übermenschlichen Kräften die Philister, welche das hebräische Volk grausam unterdrücken. Seine einzige Schwäche ist jedoch die Liebe zu Dalila, einer feindlichen Priesterin. Indem sie ihn verführt entlockt sie Samson das Geheimnis um seine Kraft. Geschwächt durch den Verlust des langen Kopfhaares, wird Samson gefangen genommen, geblendet und versklavt. In größter Verzweifelt wendet er sich an Gott und gelangt noch einmal zur ursprünglichen Stärke: Er reißt die Säulen des heidnischen Tempels ein und wird zusammen mit tausenden Philistern und Dalila unter den herabstürzenden Trümmern begraben.
Aufführung
Es herrscht Dunkelheit und nur brennende Mülltonnen spenden Licht und Wärme. Spielende Kinder erstürmen die Bühne und werden von den Erwachsenen – teilweise gewaltsam – bei ihrem naiv-sorglosen Treiben unterbrochen. Diese Konversion und Verlagerung des hier omnipräsenten Themenkomplexes um Macht, Gier und Vorherrschaft in die Welt der Kinder wird wesentliches Gestaltungsmittel. Die Philister in militärischen Uniformen zeigen sich gewaltsam und demonstrieren ihre erbarmungslose Macht über die Unterjochten. Ein übergroßes weißes Tuch ist für den zweiten Akt wie eine Leinwand angebracht. Davor liegt eine Vielzahl weißer Kissen, auf denen sich Dalila und ihre Gefährtinnen in freudiger Erwartung der Ankunft Samsons räkeln. Dalila ist wie ihr Gefolge nun in ein weißes Gewandt gekleidet (davor schwarz); doch ahnt man schnell, daß dies kein unschuldiges Weiß ist, sondern der hinterlistigen Verführung nützt. Ein Rahmen wird durch die Wiederaufnahme des anfänglichen Bühnenbildes für den dritten Akt gebildet.
Sänger und Orchester
Stefan Stoll als grausamer Oberpriester beweist mit dieser Oper einmal mehr, daß ihm die Rolle des heimtückischen Antihelden auf den Leib geschnitten ist. Mit dunklem, sonorem Charakterbariton verleiht er seiner Figur Authentizität und weiß gekonnt Emotionen mit seiner Stimme zu transportieren. Julia Gersteva (Dalila) steigerte sich, nachdem anfänglich eine große Differenz zwischen der dunklen Tonfärbung in den tiefen Lagen (was ein leicht metallisches Timbre mit sich brachte) und den strahlenden, schillernden Höhen zu erkennen war. Dies ließ aber auch das dramatische Potential ihres Mezzosoprans schon erkennen, das sich im zweiten Akt schließlich voll entfaltete. Beachtlich war auch José Cura (Samson), der seine Figur mit enormer Intensität in Szene setze. Meisterhaft und zu jeder Zeit glaubwürdig bot er mit seinem schlanken Tenor Einblicke in die tiefen seelischen Abgründe seiner Figur – transparent und mit großer Feinfühligkeit skizziert er den Konflikt zwischen unerschütterlicher Gottestreue und der Liebe zur Rivalin.
In den zumeist statischen Chorszenen zeigt sich die ursprüngliche Anlage des Werkes als Oratorium. Die Leistung der sehr gut positionierten Chöre ist bemerkenswert: Hervorragend einstudiert von Ulrich Wagner, greifen sie die verschiedenen emotionalen Situationen auf und harmonieren seht gut mit den Solisten. Das sich zu Beginn langsam entfaltende Gebet Dieu d’Israël – Gott Isarels, verströmt eine andächtig-flehende Atmosphäre und steht nur beispielhaft für die wunderbare Gestaltung der Chorpartien. Ebenso eindrucksvoll erlebt man Jochem Hochstenbach am Pult. Mit den verschiedenen Musikstilrichtungen, die in dieser Oper zusammentreffen (z.B. Fuge, orientalisch anmutende Melodien) gelingt ihm sehr gut die Klangspektren zu entfalten und belegen damit sein Gespür für Saint-Saëns‘ Musik.
Fazit
Die Personalunion von Regisseur, Kostümdesigner und Bühnenbildner muß nicht zwingend zu einem künstlerischen Alleingang führen. Nichtsdestoweniger war es der Abend eines, in jeder Hinsicht überragenden José Cura. Man muß dieses Sujet aus dem Alten Testament nicht unbedingt in die Gegenwart verlagern (drei stillgelegte Ölbohrtürme) – daß es mit einer in sich logischen, und durchaus sensiblen Interpretation dennoch sehr stimmig gelingen kann, wird mit dieser Produktion klar gezeigt. Das Publikum feierte die Künstler mit frenetischem Applaus.
Isabell Seider
Bild: Jacqueline Krause-Burberg
Das Bild zeigt: José Cura (Samson), Lukas Schmid (Abimelech), Mitglieder des Staatsopernchores, Statisterie