TURANDOT – Dessau, Anhaltisches Theater

von Giacomo Puccini, Musik vervollständigt von Franco Alfano, Dramma lirico in drei Akten, Libretto: Giuseppe Adami und Renato Simoni, UA: 1926, Mailand

Regie: Andrea Moses, Bühne: Christian Wiehle

Dirigent: Antony Hermus, Anhaltische Philharmonie, Opernchor, Extrachor und Kinderchor des Anhaltischen Theaters

Solisten: Iordanka Derilova (Turandot), Klaus Gerber (Altoum), Pavel Shmulevich (Timur), Sergey Drobyshevskiy (Kalaf), Angelina Ruzzafante (Liù), Wiard Witholt (Ping), David Ameln (Pong), Angus Wood (Pang), Adam Fenger (Mandarin), u.a.

Besuchte Aufführung: 25. September 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Prinzessin Turandot soll denjenigen heiraten, der die drei Rätsel löst, die sie ihm aufgibt. Versagt er, wird der Freier enthauptet. Als Prinz Kalaf auf dem Balkon Turandot erblickt, verliebt er sich in sie, und nichts kann ihn davon abhalten, sich ihren Fragen zu stellen. Er löst alle Rätsel und bringt dadurch die Prinzessin in Verlegenheit, denn eigentlich will sie niemals heiraten. Kalaf gibt ihr nun seinerseits ein Rätsel auf, nämlich seinen Namen zu erraten. Wenn sie es nicht schaffen sollte, soll sie seine Frau werden. Turandot läßt Liù foltern, um den Namen zu erfahren, weshalb diese sich selbst erdolcht. Schließlich nennt Kalaf seinen Namen, und die Prinzessin beginnt, sich ihre Liebe zu ihm einzugestehen.

Aufführung

Der Einheits-Bühnenraum zeigt ein Fernsehstudio, ausgestattet für eine Quizsendung – bestehend aus einem Moderatoren- und einem Kandidatenstuhl auf einer Empore mit der Aufschrift „Turandot’s Riddle Club“ („Turandots Rätselclub“). Dahinter steht eine Tribüne auf der die Zuschauer (Chor in weißer Sportbekleidung) und der Medienmogul Ted Turner Platz nehmen. In der Tribüne befindet sich auch das Tor für die feierlichen Auftritte. Das ganze befindet sich auf einer Drehbühne, so daß einmal der Zuschauerraum als Auftrittsszenario im Vordergrund steht, das andere Mal die Moderatorin Turandot im Rampenlicht steht. Der Anheizer Uncle Sam bringt die Menge dann zum Johlen, wenn Turandot dem gescheiterten Kandidaten die Kehle aufschneidet. Eine Gruppe von Cheerleadern sorgt für den fernsehgerechten Beginn der Rätselzeremonie. Turandot und Kalaf sitzen sich gegenüber, die Schiedsrichter halten nach Kalafs Antworten zur Bestätigung die Schilder mit der richtigen Lösung hoch. Zum Schluß wendet sich das Publikum enttäuscht ab, als Turandot Kalaf endlich ihre Liebe gesteht und er so der Opferung entgeht.

Sänger und Orchester

Ohne Zweifel ist dies der Abend der Hauptdarsteller, sie überstrahlen alles. Iordanka Derilova hat sowohl die dramatische Härte, als auch die Schönheit in den Koloraturen, um die Rolle der Turandot eindrucksvoll zu meistern. Sergey Drobyshevskiy ist der italienische Tenor, der die Partie souverän und mit strahlender Höhe meistert. Sein Nessun dorma – Keiner schlafe (auch wenn das nicht die schwierigste Arie dieser Partie ist) meistert er schwerelos und schraubt seine Töne ohne Kraft und Anstrengung nach oben. Mindestens genauso solide ist das andere Pärchen, Pavel Shmulevich (Timur) und Angelina Ruzzafante (Liù), besetzt. Pavel Shmulevich läßt seinen Timur richtiggehend böse grollen, während Angelina Ruzzafante mehr lyrischer und zurückhaltender als Iordanka Derilova ist, dafür aber fast noch schöneren Koloraturen schmiedet. Besonders erwähnenswert ist, wie Wiard Witholt (Ping), Angus Wood (Pang) und David Ameln (Pong) miteinander harmonieren. Ihr dynamischer Auftritt am Anfang des zweiten Aktes erhält Szenenapplaus. Dagegen fällt Klaus Gerber als Kaiser deutlich ab, die Rolle scheint hier als altersschwacher Sänger ausgelegt zu sein.

Antony Hermus versteht es die Anhaltische Philharmonie durch die chinesischen Klangbilder zu lotsen. Dabei schafft er auch den Wechsel in eine Fernsehshow ohne Probleme, denn die effektvollen Auftritte, zum Beispiel des Kaisers als altersschwacher Fernsehmogul, kann man hier bis ins bombastische steigern bzw. die Lautstärke ans ihre Grenze bringen. Die mitreißende Wirkung ist wahrlich faszinierend.

Fazit

Das gelungene Zusammenspiel von aktueller Gesellschaftskritik an einer verrohenden Gesellschaft, verbunden mit eindrucksvollem Bühnenbild, handwerklich ausgezeichneter Personenführung und famosen Sängern macht diese Turandot zu einem zeitgenössischen Opernerlebnis. Das Publikum feierte Darsteller, Musiker und Regie minutenlang, obwohl es doch auch hinsichtlich der Aktualisierung und der harten Umsetzung während der Vorstellung (Totenköpfe auf der Bühne) manches Gemurmel im Publikum gab.

Oliver Hohlbach

Bild: Claudia Heysel

Das Bild zeigt: Wiard Witholt (Ping), Angus Wood (Pang), David Ameln (Pong), liefern eine Show-Einlage in Turandot’s Riddleclub

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