Bonn, Oper – L´ITALIANA IN ALGERI

von Gioachino Rossini, Dramma giocoso per musica, zwei Akte (8 Bilder).
Libretto: Angelo Anelli; UA: 25. Mai 1813, Teatro San Benedetto, Venedig.
Regie: Andrea Schwalbach, Bühne: Anne Neuser, Kostüme: Stephan von Wedel
Dirigent: Wolfgang Lischke, Herrenchor, Einstudierung: Sibylle Wagner, Choreographie: Ulrike Schumann
Martin Tzonev (Mustafa), Anna Virovlansky (Elvira), Anjara I. Bartz (Zulma), Algis Lunskis (Haly), Jonas Gudmundsson (Lindoro), Susanne Blattert (Isabella), Haris Andrianos (Taddeo)
Besuchte Aufführung: 2.3.2008, Premiere

Kurzinhalt
bonn-italienerin.jpgAlgier um 1810. Mustafa, der Bey von Algier, ist seiner Frau Elvira überdrüssig. Sein Vertrauter Haly soll ihm eine temperamentvolle Italienerin zuführen und Elvira mit seinem italienischen Sklaven Lindoro verheiraten. Isabella macht sich mit ihrem Gefährten Taddeo auf die Suche nach ihrem Geliebten Lindoro und strandet mit dem Schiff vor der Küste Algeriens. Haly nützt die Gelegenheit und führt Isabella seinem Herrn zum der sofort von ihr hingerissen ist. Um Isabella für sich einzunehmen, ernennt Mustafa ihren „Onkel“ Taddeo zum „Kaimakan“. Mustafa, Taddeo und Lindoro beobachten Isabella heimlich bei der Toilette. Sie will sich für Ihren Liebsten schön machen, Jeder der drei bildet sich ein, er sei gemeint. Isabella verspricht Mustafa, ihn zu lieben, wenn er sich zum „Pappataci“, einem Mampfenden und Schweigenden, machen lasse. Die Zeremonie nutzen Isabella, Lindoro und die übrigen Sklaven zur Flucht. Zu spät erkennt Mustafa den Schwindel und fügt sich in sein Schicksal.
Die Aufführung
Die Regisseurin hat den im osmanischen Algier angesiedelten Stoff in die Gegenwart verlegt. Während der Ouvertüre klebt Isabella im grauen Kostüm, strenger Frisur und Brille, zurecht gemacht wie eine Oberlehrerin, Suchplakate mit dem Konterfei Lindoros an eine Mauer. Ihr Geliebter gleicht einem Buchhalter, als er mit Mustafa in einer Art Kaffeehaus, eher eine Teestube mit Fischtheke und Pepsikühlschrank, lose angebunden sitzt. Den Mokka nimmt man aus Teegläsern zu sich. Mustafa als Macho zu erkennen ist nicht schwer und nicht eben originell gestaltet: Zum weißen Nadelstreifen trägt er ein lila Hemd, sowie dicke Goldketten. Die Begegnung der Kulturen findet also nur im Klischee statt: Auch dann, wenn ein fliegender Teppich vorbeisaust, ein Kamel um die Ecke blickt und die von einem dickbäuchigen Eunuchen unterstützte Bauchtanzgruppe orientalischen Reiz bringen. Aus der delikat erdachten Komödie werden gut getimte Klamauknummern, die man mögen muß – oder auch nicht.
Mit ihrem Sportboot krachen Taddeo und Isabella durch die Requisite. Zu Lachen gibt es also reichlich. Die schauspielerische und choreographische Darbietung der Statisterie und des Herrenchors sind glänzend.
Die Haremsdamen tragen zunächst Burka, später von der Italienerin quasi „infiziert“, ebenfalls graue Kostüme, die Herren westliche Anzüge. Lindoro, der gerne seine Rechenmaschine umklammert, wirkt kalkulierbar. Alle Sklaven und Herren, das macht die schauspielerisch und sängerisch herausragende Susanne Blattert (Isabella) klar, verfallen ihr, der durch das „Schicksal gestärkten“ Primadonna. Wenn sie sich zur gemeinsamen Kaffeestunde bis auf den Unterrock auskleidet, sind nicht nur die drei Herren, sondern auch der ganze Harem wie paralysiert und auch der Kühlschrank dampft. Elvira hält den Emanzipationsschriften ihrer Zofe das kitschige Hochzeitsbild entgegen, denn für sie und Mustafa bleibt nach wie vor alles beim Alten. Das Orchester kann bis auf Details gut mithalten. Die Sänger, allen voran Susanne Blattert, können mit warmen leichtem Belcanto einnehmen, wie der im leichten Parlandostil singende Martin Tzonev (Mustafa) und der überzeugende Haris Andrianos (Taddeo), dessen Komik brillant ist. Eine gewisse Enttäuschung war Jonas Gudmundsson (Lindoro), der trotz seines schönen Tenors besonders in seiner ersten Arie die Höhen forcierte, was der Leichtigkeit von Rossinis Musik gar nicht gut stand. Anna Virovlansky verkörperte mit hellem Sopran die Partie der Elvira, Algis Lunskis (Zulma) und Anjara I. Bartz (Haly) und machten aus ihren Nebenrollen stimmlich und agierend das Beste. Die Chorpartien waren gut vorbereitet. Aber um eine Nummer hatte man sowohl den Chor (2. Akt) gebracht, als auch Haly um seine einzige Soloarie.
Fazit
Das Orchester spielte, wenn auch gelegentlich etwas dominant (z.B. Finale 1. Akt), musikalisch, sieht man von der nicht gerade repräsentativen Soloflöte in der Ouvertüre einmal ab. Der Wechsel zwischen Rezitativen und Arien gelang bruchlos. Schauspielerisch war die Aufführung rundum gelungen. Die Sänger sind bis auf den Lindorodarsteller, dessen Stimme die weiche Leichtigkeit fürs Belcantofach vermissen ließ, hörenswert. Eine insgesamt auf Komik setzende Version mit umgangssprachlich übersetzten Obertiteln (etwa: Jetzt heißt es cool bleiben), die nicht auf Raffinesse, sondern auf kraftvolle Bilder à la Slapstick setzt.
Felicitas Zink
Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt Isabella (Susanne Blattert) und Taddeo (Haris Andrianos).

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