Koblenz, Theater der Stadt – LUCIA DI LAMMERMOOR

von Gaetano Donizetti (1797-1848), Dramma tragico in 3 Akte, Libretto: Salvatore Cammarano, nach dem Roman The Bride of Lammermoor (1819) von Sir Walter Scott
UA: 26. September 1835, Teatro San Carlo, Neapel
Regie und Bühne: Hans Hoffer, Kostüme: Gera Graf
Dirigent: Anton Marik, Staatsorchester Rheinische Philharmonie
Solisten: Estelle Kruger (Lucia), Guillermo Dominguez (Edgardo), Alexander Polakovs (Enrico), Michael Burt (Raimondo), Monica Mascus (Alisa), Max An (Arturo), Ji-Soo Kim (Normanno)
Besuchte Aufführung: 29.02.2008 (Premiere)

Kurzinhalt
koblenz-lucia.jpgDie schottischen Familien Ravenswood und Lammermoor sind verfeindet. Doch Lucia di Lammermoor hat sich in Edgardo, den letzten Erben von Ravenswood, verliebt. Sie trifft sich heimlich mit dem Geliebten am Brunnen, wo sie sich gegenseitige Treue schwören.
Lucias Bruder Lord Enrico aber will sie mit dem reichen Lord Arturo Bucklaw verheiraten, um die Familie aus ihrer verschuldeten Lage zu retten. Inzwischen schreibt Edgardo, der sich als Botschafter in Frankreich befindet, Briefe. Einen davon fälscht ihr Bruder. Darin gesteht Edgardo Lucia, daß er eine andere lieben würde. So unterschreibt Lucia schließlich den Ehevertrag mit Arturo. Während der Hochzeitsfeier taucht Edgardo plötzlich auf und fragt sie, ob es stimme, daß sie einen anderen lieben würde. Als Lucia das bejaht, gibt er ihr den Ring zurück. Noch in der Nacht fordert Enrico Edgardo zum Duell.
Die feiernde Hochzeitsgesellschaft wird geschockt durch die Mitteilung, Lucia habe ihren frisch Vermählten getötet. Diese erscheint mit blutverschmiertem Kleid im Saal. Sie ist dem Wahnsinn verfallen. Zu spät erkennt Enrico, was er seiner Schwester angetan hat.
Heimkehrende Hochzeitsgäste berichten Edgardo, der im Morgengrauen auf Lord Enrico zum Duell wartet, Lucias sei wahnsinnig geworden. Kurz darauf verkünden die Glocken ihren Tod. Edgardo beschwört seine Liebe zu Lucia und nimmt sich das Leben.
Die Aufführung
Die Liebe zwischen Lucia und Edgardo ist von Anfang an zum Verderben verurteilt. Es ist die tragische Geschichte einer unterdrückten Frau, die von allen zu deren Vorteil ausgenutzt wird. Edgardo will sie als Trophäe, Enrico seines Ruhmes und Geldes wegen. Sie verleugnet ihre große Liebe und damit ihr eigenes Ich. Und schließlich flüchtet sie sich in den Wahnsinn. Es ist das erste Mal, daß Lucia sein kann was sie will: frei.
Die Wahnsinnsarie im dritten Akt ist der Höhepunkt der Oper, und daraufhin hat Regisseur und Bühnenbildner Hans Hoffer seine Inszenierung auch ausgelegt: Die Bühne ist spartanisch eingerichtet. Im Mittelpunkt steht eine überdimensionale weiße Maske, die das Gesicht und den Verstand der Lucia darstellt. Zu Beginn der Oper flüchtet sie sich immer wieder darauf wie auf eine schützende Insel. Bei der Hochzeitsfeier schließlich ist die Maske in einzelne Teile zerfallen – genau wie Lucias Verstand dem Wahnsinn verfallen ist.
Schon während der Ouvertüre deutet Hoffer das Schicksal der Lucia an: Ein Fadenkreuz wird auf die Bühne projiziert, und dahinter erkennt man eine Figur, die wie durch eine Wärmebildkamera betrachtet langsam hin und her durch den Raum schwebt. Dazu erklingen die unheilvollen Töne des Orchesters.
Und noch einen dramaturgischen Kniff wendet Hoffer an: Als Edgardo und Lucia sich nachts treffen, sind sie durch ein eierförmiges, leicht schräg liegendes Loch in einer schwarzen Wand zu sehen – auch eine Möglichkeit den Brunnen darzustellen, vor dem sie stehen. Alisa zieht ihr zuvor ihre Jacke an – allerdings mit der Öffnung nach hinten. Dies erinnert unweigerlich an eine Zwangsjacke. Und so ziehen sich die Assoziationen an Lucias Wahnsinn durch das gesamte Stück. Vor allem gegen Ende erweckt der Bühnenbildner die Vision einer Irrenanstalt: Raimondo wird als Greis im Rollstuhl umher geschoben, das Ensemble trägt weiße Kittel, Lucia zieht ihre Perücke aus, unter der ein kurzgeschorener Haarschopf erscheint, Edgardo schlitzt sich am Ende die Pulsadern auf.
Für Lucias Wahnsinn läßt sich Hoffer ein eindringliches Bild einfallen: Als sie während der Feier den Saal betritt, trägt sie ein leuchtend rotes Kleid und eine rote Perücke und schleift den toten Körper Arturos hinter sich her. Sie zieht das Kleid aus, unter dem sie ein weißes, blutverschmiertes Nachtgewand trägt. Dann stimmt sie, auf dem Leichnam sitzend, die Wahnsinnsarie an. Die Musik kommt beschreibt ihr Glück im Wahn, indem sie sich mit ihrem geliebten Edgardo vereint sieht.
Estelle Kruger (Lucia), liefert eine meisterliche Hauptfigur ab. Die gebürtige Südafrikanerin besticht durch eine gute Dynamik. Vor allem ihre Koloraturen in der Wahnsinnsarie sind ein Genuß und begeistern das Publikum. Ihr Zusammenklang mit der Flöte ist perfekt. Auch Guillermo Dominguez (Edgardo) erfreut mit einer sehr angenehmen Stimme. Sein Spiel, vor allem in der letzten Szene, ist überaus überzeugend. Man kauft ihm zweifellos den feurigen Liebhaber ab. Alexander Polakovs (Enrico) singt einen zornigen, rachsüchtigen Enrico. Vor allem zu Beginn ist seine Stimme etwas zu schrill. Michael Burt (Raimondo) singt als satter, ansonsten recht unauffälliger Baß. Auch das restliche Ensemble fügt sich gut ein. Dirigent Anton Marik gelingt es gut, die verschiedenen Stimmungen der Musik aus dem Orchester herauszulocken. Die Streicher überzeugen, die Bläser sind an manchen Stellen ein wenig unsauber.
Fazit
Eine durchaus gelungene, aussagekräftige Inszenierung mit einer überzeugenden Lucia und einem ansonsten zufrieden stellenden Ensemble und Orchester.
Julia Korst
Bild: P!ELmedia.
Das Bild zeigt Lucia (Estelle Kruger), die auf dem Leichnam ihres Gatten sitzt.

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