von Georges Bizet (1838-1875), Opéra comique in vier Akten, Libretto: Henri Meilhac und Ludovic Halévy, nach der Novelle Carmen von Prosper Mérimée, Rezitative nachkomponiert von Ernest Guiraud, UA: 3. März 1875 Paris
Regie/Choreographie: Mei Hong Lin, Bühne/Kostüme: Dirk Hofacker
Dirigent: Lukas Beikircher, Staatsorchester Darmstadt, Chor und Extrachor des Staatstheaters, Choreinstudierung: André Weiss
Solisten: Erica Brookhyser (Carmen), Daniel Magdal (Don José), Susanne Serfling (Micaёla), Bastiaan Everink (Escamillo), Aki Hashimoto (Frasquita), Carolin Neukamm (Mercédès), Sven Ehrke (Dancaїro), Lucian Krasznec (Remendado), Thomas Mehnert (Zuniga)
Besuchte Aufführung: 24. Oktober 2010 (Premiere)
Don José, ein Soldat aus Sevilla, ist mit Micaëla verlobt. Er lernt die schöne Zigeunerin Carmen kennen und verliebt sich in sie. Als Carmen in einem Streit eine Arbeiterin mit einem Messer verletzt und verhaftet wird, verhilft er ihr zur Flucht. Don José muß daraufhin selbst ins Gefängnis. Nach seiner Entlassung gerät er mit seinem Vorgesetzten Zuniga in Streit um Carmen und muß sich den Zigeunern anschließen, die dem Schmuggeln nachgehen. Carmen zieht mittlerweile den Stierkämpfer Escamillo vor, was Don José eifersüchtig macht. Micaëla ist ihm nachgereist und teilt ihm mit, seine Mutter liege im Sterben. Daraufhin verläßt er vorerst Carmen und den Zigeunern. Er trifft außerhalb einer Stierkampfarena Carmen. Da diese seine inständigen Bitten, zu ihm zurückzukehren ablehnt, ersticht er sie. Währenddessen erringt Escamillo in der Arena seinen Sieg und das Volk jubelt ihm zu.
Aufführung
Die Bühne wird dominiert von einer breiten abschüssigen Straße, die in einer ausladenden Kurve um eine Säule von links hinten nach rechts hinten führt. Auf ihr jagen die Stierkämpfer hinunter, tanzt die Bevölkerung beim Volksfest und prozessiert mit einer gekreuzigten lebensgroßen Jesusfigur. Die Kostüme sind bunt und abwechslungsreich. Sie harmonieren mit der in hellen Tönen gehaltenen Bühne. Das ganze Ensemble der Straße läßt sich drehen und offenbart auf der Hinterseite den Blick in die hohle Säule, in der sich ein Becken befindet. Die Wände sind felsartig ausgekleidet. Das Wasserbecken wird zu Beginn als Whirlpool der Arbeiterinnen benutzt, während die Soldaten ungeniert mit ihnen flirten. Außerdem stellt sie eine Art Höhle dar, in der die Schmuggler ihrem Tagewerk nachgehen und Carmen mit ihren Freundinnen aus den Karten liest. Die Seiten der Bühne werden von weißen Wänden begrenzt, die in dem tiefroten oder blauen Licht, in das die gesamte Bühne ab und an getaucht wird, hell leuchten. Die Handlung wird fast ständig durch Tanzeinlagen unterbrochen.
Sänger und Orchester
Der glänzendste Star des Abends war unumstritten Erica Brookhyser in der Titelrolle. Ihr Mezzosopran strahlte in allen Lagen, ihre Stimme wußte sie geschmeidig und abwechslungsreich einzusetzen, wobei sie einige Male beinahe zum Sprechen überging. Sie agierte auf der Bühne mit anmutiger Leichtigkeit und überstrahlte das Ensemble mit souverän. Mit einer so herausragenden Partnerin konnte Daniel Magdal als Don José nicht mithalten. Seine Stimme klang bisweilen gedrückt und wenig abwechslungsreich. Von seiner lyrischen Arie La fleur que tu m’avais jeté – Die Blume, die du mir zugeworfen hast sang er mit großer Einfühlsamkeit, auch seine große Verzweiflung bei der letzten Begegnung mit Carmen war ergreifend. Bastiaan Everink (Escamillo) sang seinen Part beherzt, aber auch er wirkte angesichts Erica Brookhysers blaß und steif. Einzig Susanne Serfling konnte mithalten: sie überzeugte das Publikum mit ihrer Darstellung der Micaëla und ihrer strahlenden Stimme und wurde zu Recht mit besonders vielen Bravorufen bedacht.
Lukas Beikircher führte das Orchester souverän mit eindrucksvoller Präzision. Ihm gelang es, die Sänger stützend durch den Abend zu führen, ohne das Orchester zu sehr zurückzunehmen.
Fazit
Zuweilen wirkte die Bühne wie ein gigantischer Jahrmarkt: Es agierten oft gleichzeitig eine große Menge Darsteller auf der Bühne, alle in unterschiedlicher bunter Kleidung, parallel fanden die etwas aufdringlichen Tanzeinlagen statt und die ganze Bühne wurde in extrem farbiges Licht getaucht. Etwas Zurücknahme aller dieser Komponenten hätte alles andere als geschadet. Zudem waren die weiblichen Solisten den männlichen um einiges an stimmlicher Brillanz überlegen. Das Publikum nahm die Inszenierung dennoch begeistert auf.
Pia-Antonia Lai
Bild: Barbara Aumüller
Das Bild zeigt: Erica Brookhyser (Carmen), Tanzcompagnie