von Richard Strauss, Drama in einem Akt, Libretto: Hedwig Lachmanns Übersetzung des Dramas Salomé (1891) von Oscar Wilde, redigiert von Richard Strauss. UA: 9. Dezember 1905, Dresden
Regie: David Mc Vicar, Bühnenbild: Es Devlin, Licht: Wolfgang Göbbel, Video: Leo Warner und Mark Grimmer
Dirigent: Philippe Jordan, Orchestra Royal Opera House
Solisten: Thomas Moser (Herodes), Michaela Schuster (Herodias), Nadja Michael (Salome), Michael Volle (Jochanaan), Joseph Kaiser (Narraboth), Daniela Sindram (Page), Adrian Thompson, Martyn Hill, Hubert Francis, Ji-Min Park, Jeremy White (Juden), Iain Paterson, Julian Tovey (Nazarener), Vuyani Mlinde (ein Kappadozier)
Besuchte Aufführung: 8. März 2008 (Premiere: 21. Februar 2008)
Kurzinhalt
Die Oper beginnt mit einem Geburtstagsfest im Königspalast. Herodias Tochter Salome hat die Festgesellschaft ihres Stiefvaters Herodes aus Langeweile verlassen und kommt in den Palastkeller zu den Soldaten. Diese bewachen Jochanaan, der in einer Zisterne gefangen gehalten wird. Die Stimme von Jochanaan hört man aus einem Gitter, das die Zisterne verschließt. Er verwünscht das ehebrecherische Verhalten von Herodias und Herodes, denn Herodes hatte die Frau seines Bruders Philipp geheiratet. Von Jochanaans Stimme erregt zwingt Salome die Soldaten, diesen trotz des strikten königlichen Verbots ihr vorzuführen. Seine ungeschlachte Art, sein wildes Aussehen, seine verfilzten Haare reizen Salome noch mehr: sie gerät geradezu in eine Obsession. Sie berührt ihn, streift mit den Händen durch seine Haare und will ihn schließlich küssen. Doch Jochanaan weist sie brutal zurück und wird in sein Erdloch zurückgeworfen.
Von der Terrasse herunter kommen ihr Stiefvater, ihre Mutter Herodias und die Festgäste in das Kellergeschoß. Herodes ist so sehr vernarrt in seine Stieftochter, daß er sie bittet, für ihn zu tanzen. Als sie sich weigert, schwört er, ihr alle seine Schätze und sogar die Hälfte seines Königsreichs zu geben. Endlich tanzt sie. Danach fordert sie den Kopf des Jochanaan. Ihre Mutter ist darüber entzückt. Brüsk weist Salome alle Kleinodien, die Herodes ihr bietet, zurück. Schließlich wird ihr das Haupt Jochanaans auf einer Silberschüssel präsentiert. Ganz außer sich küßt sie ekstatisch den Mund des abgeschlagenen Kopfes. Da läßt Herodes sie umbringen.
Aufführung
In drei ineinander übergehende Räumen, die an eine Schlächterei (s. Abb.) erinnern, sieht man ein an den Beinen aufgehängtes Schwein mit abgeschlagenem Kopf. Einige Soldaten mit Gewehren bewachen einen in den Boden gelassenen Rost, aus dem Jochanaans Verwünschungen schallen. Zwei Frauen, die eine in Unterwäsche, die andere völlig nackt, dienten offenbar den Soldaten zur Lustbefriedigung. Sie ziehen sich langsam an. Wie Strauss es vorschreibt, schreitet über eine geschwungene Treppe rechts Prinzessin Salome in einem engen Abendkleid herab.
Bei Salomes Tanz wird dem Zuschauer die Illusion vermittelt (wohl Videokunststück), daß sie durch sieben Pforten hindurchtanzt. Die Räume hinter den Pforten sind allesamt leer, nur einmal steht darin ein ovaler Spiegel. Dann findet Salome auf einem Kleiderständer ein weißes Abendkleid (ist es ein Hochzeitskleid?). Sie streift es sich über, dreht ekstatische Pirouetten und tanzt schließlich Walzer mit Herodes. Am Ende sehen wir wieder den gefliesten Keller, worin sich dann das schreckliche Finale mit Jochanaans und ihrem eigenen Tod ereignet.
Sänger
Nadja Michael (Salome) ist bestürzend wirklichkeitsnah, dabei mitreißend und abstoßend zugleich – wie es ihre Rolle erfordert. Ihr Sopran ist lyrisch, schrill und – beim Fordern des Hauptes von Jochanaan – dunkel belegt, so daß das sechsmal geäußerte Fordern von Jochanaans Tod in den verschieden Tonarten wohl bei jedem Zuschauer ein Frösteln hervorruft. David Mc Vicar versteht es ungemein eindrucksvoll, diese verwöhnte und schließlich übergeschnappte junge Frau ihrer Rolle gemäß zu führen. Mit wachsender Spannung verfolgt man ihre perverse Erotik, die schließlich in den nekrophilen Küssen des abgeschlagenen Kopfes kulminiert. Eine kolossale schauspielerische und sängerische Leistung!
Michael Volle (Jochanaan) stellt den vitalen Propheten mit den verfilzten langen Haupthaaren, dessen Gesicht und Kutte nur so vor Schmutz starren, vollendet dar. Die ruhigen Prophetien über den Erretter der Welt, die als einzige Musik in geordneten Harmonien unser Ohr treffen, bringt er mit seinem grundigen Bariton ungemein überzeugend heraus. Salomes unmißverständlichen Annäherungen und seine brutale Zurückweisung gestaltet er so plastisch, daß man keines seiner Worte zu verstehen braucht, um dennoch alle Aktionen sofort richtig zu deuten. Doch Volle prononciert dennoch so deutlich – im Gegensatz zu Nadja Michael – daß der spannungsgeladene Handlungsablauf eine fast unerträgliche Intensität erreicht.
Außerordentlich gekonnt gestalten die fünf Juden ihr Gezänk, ob Jochanaan Gott gesehen habe oder nicht. Dieses kompositorische Meisterstück, an Kakophonie mit den übereinander getürmten verschiedenen Tonarten (Bitonalität) für die damalige Zeit (1905) ungeheuer neu, wird auch hier auf der Bühne meisterhaft dargestellt. Alle anderen Sänger, voran natürlich Thomas Moser (Herodes) und Michaela Schuster (Herodias), sind auf gleichem sängerischen Niveau wie die beiden Hauptdarsteller.
Das Riesenorchester begleitet allermeist gut, ohne – wie es leider oft geschieht – allzuviel vordergründig aufzuspielen.
Fazit
Eine umwerfende, nervenaufreizende, gleichzeitig anziehende und abstoßende Aufführung, so wie Strauss sich auch einmal schriftlich dazu geäußert hat. Salomes Tanz mit dem Durchschreiten der sieben Pforten ist eine in der heutigen Regie und Bühnengestaltung ganz ungewöhnliche geistige Leistung.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Clive Barda
Das Bild zeigt Jochanaan (Michael Volle), links , Narraboth (Joseph Kaiser), Mitte,
Salome (Nadja Michael), rechts
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