von Piotr I. Tschaikowsky (1840-1893), Oper in drei Akten, Libretto vom Komponisten und V.P. Burenin nach dem Poltawa von A.S. Puschkin, UA: 13. Februar 1884, Moskau
Dirigent: Daniel Montané, Bremer Philharmoniker, Theaterchor: Daniel Mayr
Regie: Tatjana Gürbaca, Bühne/Licht: Klaus Grünberg, Kostüme: Silke Willrett, Marc Weeger, Dramaturgie: Juliane Luster
Solisten: Jacek Strauch (Mazeppa), Nadine Lehner (Maria), Tamara Klivadenko (Ljubow L. Kotschubej), Loren Lang (Wassilij L. Kotschubej), Michael Baba (Andrej) u.a.
Besuchte Aufführung: 6. November 2010 (Premiere, in russischer Sprache)
Mazeppa, der Anführer der ukrainischen Truppen, liebt Maria, die Tochter der wohlhabenden Gutsbesitzer Kotschubej. Als er um ihre Hand anhält, lehnen die Eltern ab. Maria entscheidet sich aber für Mazeppa. Ihr Vater rächt sich, indem er dem Zaren von Verschwörungsplänen Mazeppas berichten läßt, doch kommt er schließlich selbst ins Gefängnis und wird gefoltert. Marias Mutter setzt ihre Tochter unter Druck, nur sie könne die bevorstehende Hinrichtung ihres Vaters noch verhindern. Beide kommen zu spät. Der Zar gewinnt den Kampf und Mazeppa muß flüchten. Maria ist dem Wahnsinn verfallen, erkennt Mazeppa nicht mehr und singt dem sterbenden Jugendfreund Andrej ein letztes Schlaflied.
Aufführung
Der Vorhang hebt sich während der Ouvertüre und gibt den Blick auf eine Spielzeuglandschaft frei. Im Mittelpunkt der Handlung steht Maria, die mit dem Rücken zum Publikum sitzt und Ausschnitte aus ihrer Kindheit betrachtet, die pantomimisch dargestellt werden. Der Vorhang fällt, als die wahnsinnige Maria an diesen Platz zurückkehrt. Im zweiten Bild des zweiten Aktes ist die Bühne blau- und lila gefärbt. Diese Farben kennzeichnen die Nacht sowie das heraufziehende Unheil. Die Spitzenbordüre, die Maria als Kind zum Spielen nutzte, hängt riesengroß von der Decke herab. Zentrales Element zur Entwicklung der Geschichte ist das Material des Untergrunds: einmal sind es Holzschnitzel, ein anderes Mal verbrannte Erde, mal Uferbestfestigung, dann eine Grabstelle und Blätterhaufen. Der Schrecken der Folter und die Gewaltherrschaft des Mazeppa werden nur angedeutet, z.B. indem die Szene abbricht, bevor der mit Benzin übergossene Iskra angezündet wird oder indem sich in einem Restaurant zwei erstochene Menschen befinden. Einige Besonderheiten sind erwähnenswert, z.B. die Vorführung von kleinen Judokas anstelle des Tanzes im ersten Bild und des Auftritts der Kinder im dritten Akt, wo auch das Sinnbild der verlorenen Schlacht – ein Bild der Vernichtung – wiedergegeben wird: der Strom wird abgestellt und Maria mit schief sitzender Frisur, schaukelndem Gang und irrem Lächeln ist nicht mehr sie selbst.
Sänger und Orchester
Erwähnenswert sind die hervorragenden Bläser, denen das Spiel im Piano gut gelingt und die Sänger nicht übertönen. Immer wieder leuchten Stellen auf, an denen Instrumente die melodische Phrase eines Sängers aufnehmen. Der Chor singt klangvoll, wobei der Männer- den Frauenchor durch seine Geschlossenheit noch übertrifft. An erster Stelle ist Nadine Lehner (Maria) zu nennen, die mit ihrer wunderbaren Sopranstimme und ihrem schauspielerischen Können die gesellschaftliche Konventionen sprengende, verliebte, verzweifelnde und wahnsinnige Maria wiedergibt. Jacek Strauch (Mazeppa) singt mit einnehmendem Bariton, und es gelingt ihm, trotz der unbeschreiblichen Brutalität seiner Figur, überzeugend darzustellen, daß seine Liebe zu Maria echt und gut ist. Der Baßstimme von Loren Lang (Kotschubej) fehlt ab und zu das Volumen in der Tiefe, doch füllt er stimmlich und schauspielerisch die Rolle des gequälten Vaters und des gefolterten Gefangenen gut aus. Ein musikalischer Höhepunkt des Abends ist das Gebet vor seiner Hinrichtung. Die schauspielerische Darstellung der durch Rache getriebenen Mutter von Tamara Klivadenko (Ljubow Kotschubej) ist gekonnter als ihre stimmlichen Leistungen. Michael Baba (Andrej) fehlt in der Höhe manchmal Stabilität, doch gewinnt er stimmlich und auch an dramatischen Ausdruck während des dritten Aktes.
Fazit
Eine selten aufgeführte Oper, die auf historische Tatsachen zurückgeht und eine allgemeingültige Geschichte erzählt, die sich nicht nur die Machtkämpfe im Rußland zu Anfang des 18. Jahrhunderts, sondern auch auf die aktuellen in unserer Zeit beziehen läßt. Eine in sich geschlossene, stimmige Inszenierung, in der es den Sängern gelingt, das dramatische Geschehen nachvollziehbar zu machen.
Das Publikum bedankte sich nach dreieinhalb Stunden Aufführung mit Bravorufen und Applaus.
Carola Jakubowski
Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt: Mazeppa (Jacek Strauch) erklärt Maria (Nadine Lehner) seinen Plan der Machtergreifung.