von Claudio Monteverdi, Dramma in musica in einem Prolog und drei Akten
Dichtung: Giovanni Francesco Busenello, UA: Venedig 1642.
Regie: Bettina Lell (nach einer Inszenierung von Andreas Baesler), Bühnenbild: Eckhard-Felix Wegenast,
Kostüme: Susanne Hubrich, Dramaturgie: Johann Casimir Eule; Koproduktion mit Staatstheater Braunschweig
Dirigent: Samuel Bächli
Solisten: Wolf-Rüdiger Klimm (Amor), Claudia Braun (Poppea), Anke Sieloff (Nero), Noriko Ogawa-Yatake (Ottavia), Matthias Lucht (Ottone), Christian Helmer (Seneca), Leah Gordon (Drusilla), William Saetre (Arnalta), Daniel Wagner (1. Soldat/2. Schüler), Jan Ciesielski (2. Soldat/1. Schüler), Artur Grywatzik (3. Schüler), Statisterie des Musiktheaters im Revier, Neue Philharmonie Westfalen
Besuchte Vorstellung: 9. März 2008, Premiere
Kurzinhalt
Die Götter Fortuna (Schicksal), Amor (Liebe) und Virtu (Tugend) streiten sich, wer von ihnen die Geschicke der Menschen lenkt. Amor will beweisen: allein die Liebe.
Kaiser Nero liebt Poppea, die Gattin des Praetors Ottone. Er will Poppea zur neuen Kaiserin ernennen und sich daher von Kaiserin Ottavia trennen. Als Seneca die Machenschaften Neros kritisiert, wird er zum Selbstmord gezwungen. Ottone und dessen Freundin Drusilla versuchen auf Ottavias Rat, Poppea zu ermorden. Durch Eingreifen Amors mißlingt der Mordanschlag und die Täter werden gefaßt. Ottone bezichtigt die Kaiserin Ottavia der Mittäterschaft. Beide werden daraufhin aus Rom verbannt und Nero erhebt seine Geliebte Poppea zur rechtmäßigen Kaiserin.
Die Aufführung
Während bei Monteverdi die drei Götter im Prolog um die wahre Macht streiten, zeigt sich die Inszenierung in dem eher schlichten, kleinen Theaterhaus sehr selbstbewußt: Amor beansprucht die Weltherrschaft für sich. Die Nebengötter Fortuna und Virtu gibt es nicht personifiziert auf der Bühne. Amor führt als Beweis seiner Überlegenheit die Geschichte von Poppeas Krönung vor und ist, wie ein Allwissender, stets selbst in sichtbarer Nähe des Geschehens. Er hält die Fäden in der Hand hält.
Ein besonderes Augenmerk dieser Inszenierung ist auf die Darstellung der Klassengegensätze im Stück gelegt: die Adligen, die nur mit ihren Gefühlen beschäftigt sind, singen italienisch, das niedere Volk der Soldaten, Ammen und Angestellten kann nur Deutsch, wohingegen der abgehobene Philosoph Seneca öfters auch in lateinischer Sprache doziert.
Gewöhnungsbedürftig ist die mit Anke Sieloff weiblich besetzte Rolle des Kaisers Nero, da sich ihre weiblichen Konturen trotz männlicher Verkleidung nicht leugnen lassen. Doch meistert sie diese von Monteverdi einst mit Kastratenstimme besetzte Rolle gesanglich und in ihren Bewegungen sehr gut. Ein echtes Mitfühlen während der Liebeszenen zwischen Nero und Poppea konnte aber nicht aufkommen, obwohl Claudia Braun (Poppea) gesanglich wie auch durch ihr attraktives, verführerisches Äußeres grandios ist. Das Schlußduett der beiden, in welchem das auf Erden wie im Himmel widerhallende Glück von Poppea und Nero besungen wird, ist ein musikalischer Höhepunkt. Das geht einem wirklich unter die Haut! Noriko Ogawa-Yatake (Ottavia) bringt gesanglich eine durchgängig gute Leistung und ist ihrer Rolle angemessen stimmlich unauffällig. William Saetre (Arnalta) überzeugt durch eine kecke Stimme und dem teilweise witzig vorgetragenen Parlando. Leah Gordon (Drusilla), Daniel Wagner (1. Soldat/Schüler), Jan Ciesielski (2. Soldat/Schüler) und Artur Grywatzik (Schüler) machen aus ihren Nebenrollen stimmlich und agierend das Beste. Christian Helmer (Seneca) entspricht mit seiner voluminösen Baßstimme den zur Zeit Monteverdis typischen Stimmencharakter eines würdigen, weisen Philosophen. Die Todesszene Senecas ist dramatisch wie musikalisch beeindruckend. Der Counter-Tenor Matthias Lucht (Ottone) entspricht mit weicher, chromatisch schmiegsamer Melodik in seinen Gesangspassagen der Rolle eines zaudernden Ottone grandios. Wolf-Rüdiger Klimm (Amor) erinnert in seinem auffällig kitschigen Silberpaillettenanzug mit Ballonrock, Flügeln und Plateaustiefeln eher an das Bühnenoutfit der 1970er Jahre und überschattet damit seine gesangliche Leistung. Insgesamt sind flippige Kostüme, Kleidung aus den 1950er Jahren bis zurück zu barock anmutender Kostümierung, bunt nebeneinander gruppiert.
Das Orchester unter der Leitung von Samuel Bächli verdient das größte Lob. Von Monteverdis L´incoronanzione di Poppea ist nämlich nur Singstimme und Baßlinie überliefert. Erst durch die Instrumentation von Samuel Bächli und Kai Tietje ist sie für die Aufführung außerordentlich eindrucksvoll hergerichtet worden.
Die Gradwanderung zwischen der Aufführungspraxis Alter Musik und heutiger Musizierpraxis ist grandios gelungen. Kai Tietje und Samuel Bächli zaubern mit ihrer Kammermusikgruppe von 22 Musikern ein perfektes Zusammenspiel zwischen historischen Klangquellen wie Blockflöten, Laute, Truhenorgel und authentischen Streichinstrumenten einerseits und andererseits Klarinetten, Klavier, Akkordeon und Vibraphon von heute. Hinzu kommen noch Oboen, Fagotte und Posaune. Ein gewagtes Untenehmen, das manchmal sehr „Anti-Monteverdisches“, aber durchaus wohlklingendes Ergebnis hervorruft. Allemal kooperieren die Musiker gut miteinander. Sie verstehen es Rhythmik, Harmonik und Melodik meisterhaft darzubieten.
Fazit
Die Aufführung wirkt insgesamt sehr solide. Ein großer Applaus am Schluß der Premierevorstellung blieb aus. Die Umsetzung des Stücks in der gebotenen Form ist sicherlich eine Geschmacksfrage.
Britta Wandschneider
Bild: Majer-Finkes ▪ Rudolf Finkes
Das Bild zeigt Arnalta (William Saetre), links, Poppea (Claudia Braun), liegend, Amor (Wolf-Rüdiger Klimm)
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