IL BARBIERE DI SIVIGLIA – Mannheim, Nationaltheater

von Gioacchino Rossini, Oper in zwei Akten, Libretto: Cesare Sterbini nach Pierre Augustin Caron de Beaumarchais

Dirigent: Alois Seidlmeier, Orchester, Herrenchor und Statisterie des Nationaltheater Mannheim

Regie: Monique Wagemakers, Bühne: Dirk Becker, Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer

Solisten: Juhan Tralla (Graf Almaviva), Boris Grappe (Figaro), Thomas Jesatko (Bartolo), Marie-Belle Sandis (Rosina), Radu Cojocariu (Don Basilio), Nikola Diskić (Fiorillo, Offizier), Katrin Wagner (Marzelline)

Besuchte Aufführung: 3. Dezember 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Über Sevilla brechen die ersten Sonnenstrahlen herein, als Graf Almaviva ein Ständchen für seine Angebetete Rosina anstimmt. Als dieses unbeantwortet bleibt, trifft der Barbier Figaro ein, der durch List und Witz (und vor allem dank der monetären Gratifikation Almavivas!) dem Grafen ein erstes tête-à-tête mit Rosina arrangiert. Denn diese wird rund um die Uhr vom alternden Vormund Doktor Bartolo bewacht, der sie so bald wie möglich heiraten will. Als Almaviva für den angeblich kranken Musiklehrer Don Basilio einspringt, kommt es zu ersten Annäherungen der Verliebten. Doch Bartolo macht den beiden ein einen Strich durch die Rechnung. Als Konsequenz bestellt Bartolo für dieselbe Nacht einen Notar, um die Vermählung durchzuführen. Parallel dazu versuchen Figaro und Almaviva, Rosina zu entführen. Beim Anblick des Notars gelingt es jedoch, die Namen des Ehevertrags mit dem des Grafen und Rosinas auszutauschen, bevor Bartolo eingreifen kann. So findet das Paar zusammen. Figaro rühmt sich seiner Gerissenheit und Bartolo wird sich den Konsequenzen seiner übertriebenen Vorsicht bewußt.

Aufführung

Der Zuschauer wird mit einem abwechslungsreichen Bühnenbild im Baukastenprinzip überrascht. Es ist in Grautönen gehalten und wechselt entsprechend der Szenen zwischen dem Eingang von Bartolos Haus, Rosinas Zimmer mit Balkon und der Innenansicht, Bartolos Studierzimmer und der Eingangshalle. Alle Interieurs sind mit Liebe zum Detail gestaltet. In der Frontalansicht von Rosinas Balkon und ihrem Zimmer wurde nicht vergessen, das Geschehen zeitgleich von Statisten nachzustellen, um durch Schattenspiel hinter den Fenstern einen realen Eindruck zu schaffen. Die Wache am Ende des ersten Aktes erinnert an die sich derzeit in aller Munde befindlichen Blue-Man-Group. Ganz in blau geschminkt und in schwarzen Gewändern liefern sie zu dem Finale ein Pantomimenspiel. Die Figuren sind gut getroffen. Die Kleiderfarben beschränken sich auf schwarz, rot und weiß. Bartolo erscheint als schwerfälliger Alter mit grauem Haar, der verkleidete Almaviva hat bei seinem Auftritt zur allgemeinen Erheiterung der Bekleidung seines Pendants Basilio gedacht. Figaro trägt stets einen roten Koffer mit sich, auf dem er zu Beginn noch Platz nimmt. Im Verlauf der Handlung wird dieser immer kleiner und schrumpft gegen Ende auf Taschenformat.

Sänger und Orchester

Der neue Kapellmeister Alois Seidlmeier gibt der Musik eine individuelle Note. Das Tempo der Ouvertüre gestaltet er gemächlich und verleiht den Holzbläsersoli viel Gestaltungsfreiraum. Wo anderweitig gern gestrafft wird, ist hier für Entspannung gesorgt. Daher bleibt ihm auch die Option, in Tempo und Dynamik nach oben hin dramatisieren zu können. Rossini klingt nicht mechanisch, vielmehr organisch. Juhan Tralla (Graf Almaviva) trällert sein Ständchen mit seiner leicht kloßigen Stimme. Hinsichtlich der Textgestaltung könnte man mehr Gründlichkeit erwarten, u.a. das exponierte Lo stral che mi ferìdie Pein, die mich traf leidet unter verschluckten Silben. Schade auch, daß Boris Grappe zu Beginn von Figaros Largo al factotum della città Macht Platz dem Faktotum der ganzen Stadt seinen Text vergißt. Allerdings steigert sich die sangliche Leistung aller ab dem zweiten Akt deutlich. Thomas Jesatko gibt singspielerisch einen charakterstarken Don Bartolo, der auch in den Rezitativen seiner Rolle des mürrischen Alten nachkommt. Radu Cojocariu gibt einen rauen, luftdurchwobenen Basilio, dessen Stimme sich gut zum Windhauch seiner Verleumdungsarie gesellt. Leicht blechern, doch mit ausgezeichneter Textverständlichkeit singt Katrin Wagner (Marzelline) ihre Arie. Eine bezaubernde Rosina ist Marie-Belle Sandis, die in vollem Umfang den Belcantoansprüchen gerecht wird. In ihrer Auftrittsarie Una voce poco fa – Eine Stimme hört ich eben schaltet sie bravourös zwischen liebevollem Mädchen und bissiger Schlange. Ihr sattes Bruststimme Timbre kam ihr in diesem Fall sehr zu gute, nicht zu vergessen ihre Virtuosität und Koloratursicherheit.

Fazit

Es handelt sich um einen abwechslungsreichen, kurzweiligen Opernabend. Über der akribisch erarbeiteten Musik erstreckt sich eine Inszenierung, die den Kern der Oper begreift und umsetzt, ohne in großem Stil zwanghaft nach verfehlter Aktualisierung zu suchen.

Daniel Rilling

Bild: Christian Kleiner

Das Bild zeigt: hinten: Boris Grappe (Figaro), Mitte: Radu Cojocariu (Basilio), Thomas Jesatko (Bartolo), Juhan Tralla (Almaviva), Katrin Wagner (Marzelline), sitzend: Marie-Belle Sandis (Rosina)

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