von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Musikalisches Drama in drei Akten, Musik, Text: Thomas Broughton, UA: 5. Januar 1745, London
Regie: Dietrich Hilsdorf, Bühne: Dieter Richter, Kostüme: Renate Schmitzer
Dirigent: Jos van Veldhoven, Essener Philharmoniker, Chor und Extrachor des Aalto Theaters, Einstudierung: Alexander Eberle
Solisten: Almas Svilpa (Hercules), Michaela Selinger (Dejanira), Andreas Hermann (Hyllus), Christina Clark (Iole), Marie-Helen Joёl (Lichas)
Besuchte Aufführung: 4. Dezember 2010 (Premiere)
Hercules, Göttersohn und Fürst von Trachis, hat seinen Erzfeind König Eurytus von Oechalia in der Schlacht besiegt. Als „Beute“ nimmt er dessen Tochter Iole mit nach Trachis – wo sich Hercules’ Sohn Hyllus prompt in die Schöne verliebt. Hercules’ Frau Dejanira glaubt jedoch, er selbst habe es auf Iole abgesehen. Ein mit dem Blut des Zentauren Nessos getränktes Hemd soll Abhilfe schaffen und wie ein Liebeszauber wirken. Das Hemd ist jedoch vergiftet, Hercules stirbt einen qualvollen Tod. Dejanira droht an ihren Schuldgefühlen zu verzweifeln. Da erscheint ein Priester und verkündet, Hercules sei als Unsterblicher in den Olymp aufgenommen, und Hyllus solle Iole heiraten. Dem Happy-end steht nichts mehr im Weg.
Aufführung
Nachdem das Licht plötzlich erloschen ist, beginnt der Abend im wahrsten Sinne des Wortes mit einem gewaltigen Paukenschlag – mit mehreren, um genau zu sein. Danach folgt statt der Ouvertüre die Einleitung des Chores „Jealousy“ aus dem zweiten Akt. Ein konvex gewölbter eiserner Vorhang öffnet sich von oben nach unten und gibt den Blick frei auf einen weiten, ruinenhaften Raum, der antiker Tempel und barocker Adelspalast zugleich ist. Auch die Kostüme verweisen auf das 18. Jahrhundert: Die Trachinier vertreten den Adel, das besiegte Volk der Oechalier hat orientalische Züge – Assoziationen an die Türkenkriege sind geweckt. Hercules kehrt konsequenterweise als absolutistischer Fürst mit stilisiertem Brustpanzer und wallender Lockenperücke, wie man ihn von zeitgenössischen Gemälden kennt, aus dem Krieg heim. Allmacht demonstriert er bis zum Schluß: Das Hemd des Nessos läßt ihn in dieser Aufführung zwar Höllenqualen leiden, kann ihm aber letztendlich nichts anhaben: Als Zeus-Priester verkleidet verkündet Hercules seine eigene Olymp-Fahrt, läßt Dejanira vor Schreck sterben und verabschiedet sich dann fröhlich winkend in den Ruhestand. Das sich aus den Kulissen hervordrängende Volk feiert Hyllus und Iole, ein von den Ereignissen gezeichnetes Paar, das nur zögernd zueinander findet.
Sänger und Orchester
Händel rückt nicht den Helden in das Zentrum des Werkes, sondern seine rasend eifersüchtige Frau. Eine Rolle, die Michaela Selinger (Dejanira) musikalisch und szenisch nahezu perfekt ausfüllt: Ihrem satten, agilen Mezzosopran liegen dabei die dramatischen Ausbrüche am besten, gipfelnd in dem berühmten Arioso Where shall I fly – Wo berg ich mich – weniger die Lamenti Cease, ruler of the day, to rise – Halt’ ein in deinem Lauf, Herrscher des Tages, bei denen die Stimme im Piano-Bereich an Leuchtkraft verliert. Christina Clarks (Iole) schwebend leichter, zarter Sopran kann sich gegenüber Selingers kraftvoller Dejanira nicht immer durchsetzen, berührt aber gerade deswegen. Schade, daß ihre Arie My breast with tender pity swells – Zärtliches Mitleid füllt mein Herz nur in einer gekürzten Version zu hören ist. Zu Clarks Iole paßt Andreas Hermann (Hyllus) mit schlankem, jungenhaftem Tenor – ein introvertierter Heldensohn, dem die Schuhe seines Vaters noch ein paar Nummern zu groß sind. Almas Svilpa (Hercules), ein Kraftprotz mit Hang zur Selbstironie, führt seinen gewaltigen Baß-Bariton mit für einen in diesem Repertoire nicht versierten Sänger bemerkenswerter Sicherheit und Zurückhaltung durch die Partie. Ihre androgyne, interessant gefärbte Stimme empfiehlt Marie-Helen Joёl (Lichas) für größere Mezzo-Rollen Händels. Mehr als nur unterstützt wird das Ensemble von Chor und Extrachor, der seiner der griechischen Tragödie entnommenen Kommentatorrolle mit monumentaler Wucht nachkommt. Der Alte-Musik-Spezialist Jos van Veldhoven hat die Essener Philharmoniker perfekt auf die Partitur eingestimmt, was vor allem bei den elegant und zugleich mit scharfen Akzenten aufspielenden Streichern hörbar wird.
Fazit
Regisseur Dietrich Hilsdorf erzählt in fesselnden, zum Teil auch bestechend schönen Bildern die Geschichte einer tragischen Eifersucht. Trotz der mageren äußeren Handlung bleibt es bis zuletzt spannend. Zum einen weil Hilsdorf ein hervorragendes Ensemble im Rücken hat, zum anderen weil er immer wieder für eine Überraschung gut ist. Einfälle wie die Paukenschläge zu Beginn, die zweimalige Plazierung des Chors im Zuschauerraum oder das auf sympathische Art ironisierte „Happy End“ sind nur einige Beispiele. Ein rundum gelungener Opernabend, von dem sich das Publikum mit großem Jubel für alle Beteiligten verabschiedet!
Dr. E.-M. Ernst
Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt: Michaela Selinger (Dejanira), Andreas Hermann (Hyllus)