PLATÉE – Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein

von Jean-Philippe Rameau (1683-1764), Ballet bouffon in einem Prolog und drei Akten

Text: Jacques Autreau, UA 31. März 1745, Paris

Regie: Karoline Gruber, Bühnenbild: Roy Spahn, Kostüme: Mechthild Seipel, Choreographie: Beate Vollack

Dirigent: Konrad Junghänel, Neue Düsseldorfer Hofmusik

Chor der Deutschen Oper am Rhein, Einstudierung: Gerhard Michalski

Solisten: Anders J. Dahlin (Platée), Sylvia Hamvasi (La Folie), Thomas Michael Allen (Thespis/Mercure), Sami Luttinen (Jupiter), Marta Márquez (Junon), Timo Riihonen (Cithéron), Laimonas Pautienius (Momus) u.a.

Besuchte Aufführung: 30. Januar 2011( B-Premiere)

Kurzinhalt

Momus, Thespis und Thalia kündigen an, das Publikum mit einem Spiel zu unterhalten, bei der Götter und Menschen lächerlich gemacht werden. Eine ausgelassene, von einem Spielmacher (La Folie) angeheizte Komödie beginnt: Cithéron und sein Volk leiden unter schlechtem Wetter, verursacht durch die chronische Eifersucht von Jupiters Gattin Junon. Gemeinsam mit dem Götterboten Mercure findet Cithéron die Lösung: Eine Intrige muß her, um Junon die Eifersucht ein für alle Mal auszutreiben. So macht sich Jupiter an die häßliche, in einem Sumpf lebende Nymphe Platée heran und läßt verbreiten, er wolle sie heiraten. Junon platzt empört in die Scheinhochzeit und reißt Platée den Schleier vom Kopf. Zerknirscht erkennt die Göttergattin ihren Irrtum. Die in Jupiter verliebte Platée flieht unter allgemeinem Gelächter in ihre Sümpfe.

Aufführung

Vor der Kulisse einer barocken Schloß Fassade wird auf einer Firmenparty ein neues Produkt präsentiert: „Jupiter“ – ein alkoholisches Getränk, das den Gott im Mann wecken soll. Thespis, der Präsentator, hat „Jupiter“ schon stark zugesprochen und schwankt bedenklich. Bevor die Party aus dem Ruder läuft, treibt ein Gewitter die Feiernden auseinander. Blitze spalten die Schloßfassade, der dadurch entstandene Riß gibt einen gigantischen Schuh frei, dazu regnet es bei Junons Zorn Pumps: offensichtlich eine Anspielung auf weibliche Schuhticks. Platée schält sich im Girlie-Outfit aus einem „Jupiter“-Werbeplakat. Die Welt der Schönen und Reichen schüchtert das Landei anfangs noch ein (zu Recht, macht sie doch ganz nebenbei Bekanntschaft mit radioaktiv verseuchtem Parfum), aber vor Jupiter, einem Bilderbuchgott in goldener Rüstung, gibt es kein Entrinnen: Sogar wenn die schamhafte Braut in den Zuschauerraum flieht, nimmt er die Verfolgung auf. Umso größer ist Platées Enttäuschung, als die Hochzeit platzt. Dann kann sie auch ein von La Folie (hier eine Mischung aus Conférencier und Domina) überreichter herzförmiger Luftballon nicht mehr trösten. Ob Platée sich allerdings mit dem bei Cithéron entwendeten Revolver erschießt oder einfach nur den Ballon platzen läßt, bleibt offen.

Sänger und Orchester

Ein Glücksfall ist der auf „Haute Contre“-Partien spezialisierte schwedische Tenor Anders J. Dahlin (Platée) in der Titelpartie. Stilsicher und mit perfekter französischer Diktion zieht Dahlin alle Register: Er seufzt, girrt, jubelt – und singt nebenbei noch Koloraturen von tänzerischer Leichtigkeit. Großartig auch seine Darstellung der Travestie-Rolle: Dahlin verkörpert eine rührend-komische Unschuld vom Land, ohne dabei je in den Klamauk abzugleiten. Der zweite Tenor, Thomas Michael Allen (Thespis/Mercure), klingt bei Charmant Bacchus, Dieu de la liberté – Reizender Bacchus, Gott der Freiheit im Prolog noch etwas belegt, läuft aber schon bald zu höhensicherer Bestform auf. Mit einem Feuerwerk an funkelnden Spitzentönen und rasanten Läufen tobt Sylvia Hamvasi (La Folie) durch das Bravourstück des Abends Formons le plus brillans concerts – Die glänzendsten Konzerte geben wir. Eine köstliche, baßgewaltige Göttervater-Parodie zeigt Sami Luttinen (Jupiter), z.B. wenn er sich mit wiederholtem Excusez-moi durch die Zuschauerreihen drängt. Auch der Rest des Ensembles, allen voran Marta Márquez (Junon), Timo Riihonen (Cithéron) und Laimonas Pautienius (Momus), der sich beim Applaus sichtlich gequält von seinen hochhackigen Pumps befreit, überzeugt mit musikalischen und darstellerischen Kabinettstückchen. Bei Konrad Junghänel und dem brillant aufspielenden Ensemble Neue Düsseldorfer Hofmusik ist die äußerste rhythmische Präzision fordernde, detailreiche Partitur bestens aufgehoben: Rameaus Divertissements (Instrumentalpassagen) versprühen pure Lebensfreude.

Fazit

Das Ensemble klatscht sich selbst Beifall, nachdem der letzte Vorhang gefallen ist. Zu Recht, denn der Abend hält nicht nur musikalisch bis zur letzten Sekunde in Atem. In Karoline Grubers fulminanter, aus fundierter Werk- und Textkenntnis entstandener Inszenierung jagt eine skurrile Situation die nächste. Jede Pointe sitzt dabei punktgenau, billiger Slapstick ist Grubers Sache nicht – dafür wunderbar komische Anspielungen auf das barocke Sensationstheater. Daß die einen wesentlichen Teil des Stückes einnehmenden, von Beate Vollack choreographierten Balletteinlagen mit Grubers Einfallsreichtum nicht immer mithalten können, fällt nicht weiter ins Gewicht. Die begeistert aufgenommene Produktion ist eine gelungene Hommage an einen leider vernachlässigten Komponisten.

Dr. Eva-Maria Ernst

Bild: Hans Jörg Michel

Das Bild zeigt: Anders J. Dahlin (Platée), im Hintergrund: Sylvia Hamvasi (La Folie)

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