Bayerische Theaterakademie – DIE PILGER VON MEKKA

von Christoph Willibald Gluck (1714–1787); Opera comique in drei Akten; Libretto von L.H.Dancourt, Dialog-Fassung von Vera Nemirova; Uraufführung: Wien 1764.
Regie: Vera Nemirova, Bühnenbild/Kostüme: Klaus Werner Noack
Dirigent: Alexander Liebreich, Münchner Kammerorchester
Solisten: Guibee Yang (Rezia), Nohad Becker (Balkis), Brigitte Bayer (Amine), Lusi Yang (Dardane), Tobias Haaks (Prinz Ali), Sebastian Schmid (Osmin), Hirotaka Nakamoto (Vertigo), Christian Eberl (Calender), Florian Soyka (Karawanenführer), Anton Leiß-Huber (Sultan Achmed), Sebastian Strehler (Manfred), Julian Luczakowski (Lothar).
Besuchte Vorstellung: 16. Februar 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
Prinz Ali und sein Diener Osmin sind auf der Suche nach Rezia, der Geliebten von Prinz Ali. Diese wurde von Piraten entführt und an den Sultan Achmed als Favoritin verkauft. Nach jahrelangem Herumirrens schließen sich Ali und Osmin einer Pilgergruppe nach Mekka an. Auf der Fahrt treffen Sie zufällig Rezia und ihre Dienerinnen. Nach einigem Zögern aufgrund der Trennungsdauer freut man sich über das Wiedersehen und beschließt die gemeinsame Flucht. Die Flucht scheitert und der Sultan Achmed verurteilt alle zum Tode. Zum Schluss werden sie jedoch begnadigt.
Die Aufführung
Seit neuestem inszeniert Vera Nemirova nicht nur, sie hat auch zu dieser Produktion eine neue Dialogfassung geschrieben. Wer nun gehofft hat, geschliffene Dialoge oder eine spritzige Handlung zu erleben sah sich alsbald getäuscht. Auch die mäßigen Pointen konnten nicht zünden. Das lag schon in der Inszenierung begründet, denn wieder einmal wird die Handlung ohne überzeugenden Grund in die Jetzt-Zeit verlegt: Prinz Ali und Osmin schließen sich nicht Pilger-, sondern einer Selbsterfahrungsgruppe auf Yoga-Basis an. Die Frauen treffen sie auf dem Internet-Strich, denn sie bieten ihre Dienste sowohl im Chat-Room als auch real auf der Straße an. Dabei kommt es zu den für Frau Nemirova üblichen „Sexie Spielchen“ in wunderschönen Dessous.
Doch handwerklich ist das Ganze solide inszeniert. Die Trennungsdauer wird auf einer überaus sehenswerten Graffiti-Orgie überspielt: Mit wirklich künstlerisch wertvollen Graffitis! Nach einem fröhlichen Kleider-Wechsel-Spiel begnadigt Sultan Achmed alle – auch die Zuschauer.
Über die musikalische Leistung soll man nicht urteilen, denn die Ausbildung der Sänger- und Musicaldarsteller ist sicht- und hörbar noch nicht abgeschlossen. Auch führte der unterschiedliche Ausbildungsstand zu einigen Ungereimtheiten auf der Bühne.
Einzig das Münchner Kammerorchester konnte überzeugen.
Insgesamt nur Mittelmaß, das trotz Preisen von 21€ nur zu einem halb besetzten Rund des Prinzregententheaters führte. Immerhin hat es uns ein unbekanntes Werk Glucks nahegebracht, mit dem wir uns in Zukunft – auch im Hinblick als „Vorläufer“ von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ – öfters beschäftigen sollten.
Aber: Nacktszenen bringen keine Aktualisierung einer barocken Oper!

Oliver Hohlbach

Veröffentlicht unter Bayerische Theaterakademie, Opern

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