von Georg Friedrich Händel (1685-1759); Dramma per musica in drei Akten (hier eine Strichfassung in zwei Teilen); Libretto von Nicola Francesco Haym; Uraufführung: London 31. Oktober 1724.
Regie: Pierre Audi, Bühnenbild/Kostüme: Patrick Kinmonth
Dirigent: Ivor Bolton, Bayerisches Staatsorchester
Solisten: David Daniels (Tamerlano), John Mark Ainsley (Bajazet), Sarah Fox (Asteria), Mary-Ellen Nesi (Andronico), Maite Beaumont (Irene), Vito Priante (Leone), Stefanie Erb (Zaide, Stumme Rolle).
Besuchte Vorstellung: 19. März 2008 (Premiere 16. März 2008)
Kurzinhalt
Die Geschichte handelt vom Tatarenfürsten Tamerlano, der seine Macht mißbraucht, um die Frau seiner Wahl zu gewinnen und erst durch den Selbstmord des Brautvaters darauf verzichtet.
Tamerlano hat Sultan Bajazet in der Schlacht besiegt. Seitdem werden Bajazet und dessen Tochter Asteria von Tamerlano gefangen gehalten. Der griechische Prinz Andronico, ein Bündnispartner Tamerlanos, versucht zu vermitteln, denn er und Asteria sind ein Liebespaar.
Tamerlano, eigentlich mit der Prinzessin Irene verlobt, beschließt, Asteria zu heiraten und Andronico zum Dank für seine Treue mit Irene zu verheiraten. Da Tamerlano Asteria belügt, Andronico würde freiwillig Irene heiraten, fühlt sie sich von Andronico verraten.
Irene ist mit dem Partnertausch nicht einverstanden. Auch Bajazet will die Verbindung seines Todfeindes Tamerlano mit seiner Tochter unbedingt verhindern.
Asteria gesteht Bajazet und Tamerlano, daß sie den Heiratsantrag Tamerlanos nur zum Schein angenommen hat, um eine Gelegenheit zu finden Tamerlano zu töten. Gegenüber Tamerlano bekennt Asteria ihre Liebe zu Andronico. Da befiehlt Tamerlano, Bajazet hinzurichten und Asteria mit einem Sklaven zu vermählen.
Asteria will Tamerlano nun doch vergiften, doch Irene warnt Tamerlano davor. Der Anschlag scheitert, Bajazet trinkt stattdessen das Gift. Sterbend droht er Tamerlano mit unversöhnlicher Rache. Tamerlano kommt dadurch zur Besinnung, bekennt sich zu Irene und vermählt Asteria mit Andronico.
Die Aufführung
Da war das Premierenpublikum baff. In diesem Sinn äußerten sich verschiedene Medien.
Eine barocke Oper in München ohne Dinosaurier, Aktenkoffer, Laptops, Wasserspender, Kühlschränke und moderne Bühneneffekte. Im Gegensatz zu der bisherigen Aufführungspraxis – begonnen unter Peter Jonas – eine radikale Umkehr. Möglich wurde das vielleicht durch die Koproduktion mit dem schwedischen Schloßtheater Drottningholm, einem noch im Originalzustand erhaltenen barocken Opernhaus. In Drottningholm hebt und senkt sich nichts hydraulisch, das geht nur mit Seilen und Muskelkraft. Sprich: all die Mätzchen, mit denen die Einfälle des heutigen Regietheaters die geistige Denkstille ihrer Inszenierungen überbrücken, sind hier nicht möglich. Das Ergebnis wird meist abwertend als langweiliges Rampentheater bezeichnet, sogenannt, weil die Künstler nur an der Rampe stehen und singen.
Es ist dem Regisseur Pierre Audi eindrucksvoll gelungen, dies als Verleumdung zu entlarven. Er benutzt eine barocke Bühnenkulisse, reduziert die Bühnenneigung, nutzt so die gesamte Bühne als Spielort und zeigt das, was man von einem Regisseur eigentlich erwartet: Eine erstklassige Personenführung, die die inneren Gefühle zu einer erlebbaren äußeren Handlung macht. Es ist gelungen eine klassische „Vierecksgeschichte plus Schwiegervater“ mit allen Irrungen und Wirrungen, dem radikalen Stimmungswechsel zwischen Haß, Neid und Eifersucht, überzeugend auf die Bühne zu bringen, alles mit Körpersprache, geschickter Positionierung der Personen zueinander. Nur ein Stuhl und ein Giftfläschchen dienen dabei als Requisite.
Auch musikalisch ist diese Produktion Weltklasse. Unnötig zu erwähnen, daß der Dirigent Ivor Bolton einer der guten Barockspezialisten unserer Tage ist und das Staatsorchester zu einer der besten Leistungen dieser Spielzeit führt. Ebenso stürmisch umjubelt der Counter-Tenor David Daniels in der Titelrolle und Sarah Fox als Asteria. Mindestens genauso gut waren Mary-Ellen Nesi in der Hosenrolle der Alt-Partie des Prinzen Andronico, Maite Beaumont als Irene und Vito Priante (ein italienischer Baß mit Tiefe!) als Leone. Leider ist anzumerken, daß John Mark Ainsley die Darstellung des schwachen alten Mannes Bajazet (eine Tenorrolle) darstellerisch und stimmlich etwas übertrieb.
Fazit
Ich möchte diese Aufführung als Kehrtwende in München herausstellen, eine Sternstunde für eine barockisierende Aufführungspraxis! Es würde der Staatsoper München meines Erachtens gut zu Gesicht stehen, wenn sie mehr solcher Produktionen im Programm. Hoffen wir das beste!
Oliver Hohlbach
Bild: Wilfried Hösl
Das Bild zeigt David Daniels (Tamerlano), John Mark Ainsley (Bajazet), Sarah Fox (Asteria)
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.