Bremen, Theater am Goetheplatz – LA CENERENTOLA – Das Aschenputtel

von Gioachino Rossini (1792-1868),Dramma giocoso in zwei Akten; Libretto: Jacopo Ferretti nach dem Märchen Cendrillon ou La petite pantoufle de verre (1697) von Charles Perrault
Dirigent: Markus Poschner, die Bremer Philharmoniker, Chor des Theater Bremen, Einstudierung Tarmo Vaask
Regie: Michael Hampe, Bühnenbild: Christian Köpper, Andreas Hornburg, Ausstattung: Monika Gora, Kostüme: Paul Zimmermann;
Solisten: Tamara Klivadenko (Angelina), Benjamin Bruns (Don Ramiro), Jan Friedrich Eggers (Dandini), Seth Keeton (Alidoro), Damon Nestor Ploumis (Don Magnifico), Nadine Lehner (Clorinda), Barbara Buffy (Tisbe)
Besuchte Aufführung: 12. April 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
bremen-cenelentola.jpgUnter der Leitidee der Oper, dem Triumph der Herzensgüte, gibt Angelina (Aschenputtel) im Unterschied zu ihren selbstbezogenen Schwestern Clorinda und Tisbe dem als Bettler verkleideten Philosophen Alidoro zu essen und zu trinken. Dieser hilft ihr, als ihr Vater Don Magnifico ihr verbietet, mit aufs Fest im Schloß des Prinzen Ramiro zu kommen, wo sie den als seinen Kammerdiener verkleideten Prinzen Don Ramiro wiedertreffen könnte. Denn Prinz Ramiro, verkleidet als sein Diener Dandini, hatte sich zuvor auf Brautschau zur Wohnung von Don Magnificos begeben, wo er sich in die unscheinbare Angelina (Das Aschenputtel – La Cenerentola) verliebt hatte. Don Magnifico will aber seine beiden selbstsüchtige Töchter reich verheiraten, weil er finanziell am Ende ist. Alidoro führt Angelina mit verschleiertem Gesicht am Hof des Prinzen ein, womit er sowohl ihren Vater als auch ihre neidgeschüttelten Schwestern verwirrt. Angelina gibt zu erkennen, daß sie den Kammerdiener liebt, woraufhin der Prinz seine Verkleidung fallenläßt. Alidoro verursacht einen Kutschunfall und arrangiert damit eine erneute Begegnung mit Angelina im Haus Don Magnificos. Dort erkennt Prinz Ramiro Angelina am Armreif, den sie vom ihm im Schloß erhalten hatte. Magnifico und seine beiden Töchter – entsetzt und völlig machtlos – müssen mit ansehen, wie Don Ramiro Angelina zum Thron führt. Der Triumph des Guten steht auch am Ende der Oper, denn Angelina vergibt großzügig ihren Schwestern und Magnifico.
Aufführung
Mit dieser Produktion wurde in Bremen ein Zyklus von Rossini-Inszenierungen eröffnet.
Die Inszenierung von Altmeister Michael Hampe, der am Schluß langanhaltenden Applaus bekam, sowie die detailverliebten Kostüme gehen auf althergebrachten Techniken des barocken Theaters zurück: drehbare Bühne, sich hebende und senkende Prospekte, künstliche Pferde und eine Kutsche, deren Hintergrund vorbeizieht, um das Fahren zu imitieren, sich auf der Bühne umkleidende Sänger: Durchschaubarkeit und Magie in einem.
Die Bremer Philharmoniker spielten wohltuend präzise und musizierten in hervorragendem Einklang mit den Sängern. Der Herrenchor war musikalisch exzellent vorbereitet und bot einen schauspielerisch gekonnten Spiegel für die Handlung.
Die Solisten standen mit ihrer sängerischen Leistung alle auf ähnlich hohen Niveau. Die Aufführung lebte von deren artikulatorischen Kunststücken, die teilweise in atemberaubender Geschwindigkeit dahinflogen. Nur über höchste Konzentration konnte es möglich sein, das Zusammensingen in den Ensembles mit dieser Präzision zu erreichen, eines der entscheidenden Elemente, welches die charakteristische Virtuosität dieser Oper ausmachte.
Tamara Klivadenko (Angelina) war die zwar zurückgewiesene, aber nicht widerstandslose Stieftochter und sie ließ u.a. durch ihren weiten Stimmumfang die Verwandlung von der schlichten Dienstmagd, die schlichte Melodien singt zur bravourösen Königin, die Koloraturen perlen lassen kann, nachvollziehbar werden.
Seth Keeton (Alidoro), der die Fäden der Geschichte in der Hand hält, blieb gemäß seiner Rolle etwas im Hintergrund, symbolisch trug er ein Wendemantel: außen grau und innen voller Sterne.
Jan Friedrich Eggers (Dandini) vertrat genußvoll seinen Herrn und stand ihm in nichts nach. Sein Baß klang sogar manchmal wohltönender als der an lauten Stellen etwas gepreßte Tenor des Benjamin Bruns (Don Ramiro).
Damon Nestor Ploumis (Don Magnifico) war sowohl schauspielerisch als auch stimmlich ein Meister der komischen Übertreibung, ob es um seine träumerischen Schwärmereien für eine finanziell unabhängige Zukunft ging oder um seine kratzfüßige Unterwerfung unter den Prinzen, um seine verschwörerische Absprache mit seinen heiratswütigen Töchtern oder um die Nachahmung des ehrenwerten Alidoro, der ihm heftig in die Parade fuhr.
Auch wenn ihre Stiefschwester als Protagonistin den meisten Beifall bekam, Nadine Lehner (Clorinda) und Barbara Buffy (Tisbe) spielten die zänkischen, schnatternden, neidischen und von Selbstdarstellungszwang zerfressenen Marionettenwesen einfach umwerfend gut. Es ist wirklich schwierig, häßlich zu singen!
Nach dreistündiger Aufführungszeit dann das Lieto fine (das glückliche Ende) mit einer der virtuosesten Ensembleszenen Rossinis – der angestrebte Triumph des Guten: den Bösen wurde vergeben, es tropfte der Schmalz. Aber alle Premierenbesucher gingen nach stehendem Beifall wohl zufrieden nach Hause. Sie hatten eine Oper gesehen, in der sich schauspielerische und sängerische Leistung der Darsteller aufs Beste ergänzten.

Carola Jakubowski

Bild: Jörg Landsberg

Das Bild zeigt Tamara Klivadenko (Angelina), Benjamin Bruns (Don Ramiro) und das Ensemble.

Veröffentlicht unter Bremen, Theater am Goetheplatz

Schreibe einen Kommentar