von Antonín Dvořák (1841–1904), Lyrisches Märchen in drei Akten, Libretto: Jaroslav Kvapil, UA: 31. März 1901, Nationaltheater, Prag
Regie: Roman Hovenbitzer, Bühne: Tilo Steffens, Kostüme: Henrike Bromber, Dramaturgie: Cordula Engelbert.Dirigent: Johannes Willig, Philharmonisches Orchester Kiel, Opernchor des Theaters Kiel
Solisten: Sung Kyu Park (Prinz), Eva Leitner (Fremde Fürstin), Ekaterina Isachenko (Rusalka), Petros Magoulas (Wassermann), Marina Fideli (Ježibaba), Michael Müller (Heger), Vera Semieniuk (Küchenhilfe), Şen Acar (1. Elfe), Heike Wittlieb (2. Elfe), Juliane Harberg (3. Elfe) und Statisterie des Theaters Kiel
Besuchte Aufführung: 12. März 2011 (Premiere)
Rusalka ist in den Prinzen verliebt und möchte um jeden Preis in seiner Welt leben. Sie läßt sich von Ježibaba in einen Menschen verwandeln, doch muß sie dafür auf ihre Stimme verzichten und kann nie wieder ein Wasserwesen werden. Der Prinz ist irritiert von Rusalkas Sprachlosigkeit und Kälte, weswegen er sich schnell der fremden Fürstin zuwendet. Rusalka ist erschüttert von der Untreue. Die Liebe der fremden Fürstin zum Prinzen war nur Verführung. Der Prinz kehrt reumütig an das Wasser zurück, doch Rusalka kann nicht verzeihen. Der Prinz bittet um tödliche Erlösung durch Rusalkas Kuß und stirbt. Rusalka muß für immer Irrlicht bleiben.
Aufführung
Das erste Bild zeigt eine Grotte mit Brunnen, über die eine Nixen-Statue wacht. Die menschliche Welt ist nur über eine lange Leiter zu erreichen. Die Wasseratmosphäre wird durch echtes Wasser aus der Quelle und schimmernde Lichteffekte realistisch nachgestellt. Auch das bunte Treiben des Naturvolks ist ein Blickfang: die Elfen in bunten Gewändern und die Nixen in folkloristisch-osteuropäischen Trachten mit Kopfbedeckungen, die an Schwanzflossen erinnern. Es gibt sogar niedliche Naturvolk-Kinder. Das zweite Bild wird durch einen transparenten Vorhang mit eindrucksvollen Bauwerken wie dem Kreml, der Freiheitsstatue und dem Empire State Building umrahmt. Die Gesellschaft des Prinzen findet sich in einem prachtvollen Raum mit Las Vegas- oder Rotlichtmilieu-Atmosphäre wieder. Auch der Chor repräsentiert mit seinen Kostümen ein hedonistisches Treiben: Tänzerinnen in Meerjungfrauen-Kostümen, unverschämte, prollige Freier und exzentrische Frauen. Ein Whirl-Pool darf auch nicht fehlen. Im dritten Bild, das mit einer Bühnendrehung erscheint, bietet sich ein verarmtes Altersheim oder Auffanglager mit einem ganzen Arsenal von mehrstöckigen Betten dar. Ježibaba und die Fremde Fürstin tragen beide das gleiche pailletten-besetzte Kleid, Sonnenbrille und rauchen, was wohl kein Zufall ist.
Sänger und Orchester
Der erste Kapellmeister Johannes Willig fängt den tschechischen Ton melodisch überzeugend ein und wechselt geschickt die Stimmungen zwischen dem Natur-Motiv und dem menschlich-konventionellen Ton. Besonders schön gelingt das Rusalka-Motiv mit seinen Harfenarpeggien, Liegetönen bei den Holzbläsern und der Melodie in Flöte und Klarinette. Ekaterina Isachenko (Rusalka) verkörpert die Figur mädchenhaft und unschuldig, was in die Inszenierung paßt. Durch ihre russische Herkunft kann sie den osteuropäischen Sprachduktus sehr gut artikulieren. Sie beginnt verhalten, was auch mit ihrer Charakterentwicklung gewollt inszeniert sein kann, doch spätestens beim Lied an den Mond zeigt sie ihr ganzes Können. Kein Mensch sein zu können und dennoch ihre Liebe zum Prinzen auszudrücken erreicht sie mit viel Gefühl und Dynamik in der Stimme. Als sie ihr Leid bekundet, gelingen ihr gefühlvolle Koloraturen, die einem verzweifelten Weinen so nahe kommen, daß sie den Zuhörer damit erschüttert. Marina Fideli als Hexe Ježibaba verkörpert die Exzentrik mit schrillen Tonhöhen und sauberen Sprüngen. Sung Kyu Park (Prinz) überzeugt mit seinem sanften gefühlvollen Tenor, er trifft jeden Ton und die Spitzentöne sitzen. Auch in den Duetten mit Rusalka und der Fremden Fürstin glänzt er. Diese, dargestellt von Eva Leitner, die zum ersten Mal in Kiel ist, ist ähnlich exzentrisch wie die Hexe. Die Hinterlist und Gehässigkeit sind in ihrer Interpretation herauszuhören und ihr gemeines Lachen ist markerschütternd. Petros Magoulas als der Wassermann bringt eine konstante Leistung, sein Baß wirkt mit seiner stetigen Präsenz wie der ruhende Pol auf der Szene.
Fazit
Das Publikum belohnt diesen Opernabend mit zunächst verhaltenem, aber dafür umso längerem Applaus. Die exzentrische Darstellung der Spaßgesellschaft ist arg gesellschaftskritisch und macht nachdenklich. Leben wir wirklich in so einer Welt? Der Prozeß des Alterns ist ein gelungener Schachzug in der Inszenierung. Verstärkt wird er durch das eindrucksvolle und detailverliebte Auffanglager-Bühnenbild. Man fragt sich: Ist Rusalka wirklich gealtert oder spiegelt sich ihr menschliches Lebensleid in ihrer äußerlichen Erscheinung wieder? Knallhart-bitter, aber auch traurig-schön.
Frederike Arns
Bild: Olaf Struck
Das Bild zeigt: Ekaterina Isachenko (Rusalka), Ensemble