von Kurt Weill (1900-1950), Oper in einem Akt, Text von Georg Kaiser, UA: 1926, Dresden
von Ruggero Leoncavallo (1857-1919), Drama in 2 Akten, Libretto vom Komponisten, UA: 1892, Mailand
Regie: Andre Bücker, Bühne: Oliver Proske,
Dirigent: Antony Hermus, Anhaltische Philharmonie, Chor und Kinderchor des Anhaltischen Theaters, Choreinstudierung: Helmut Sonne
Der Protagonist . Solisten: Angus Wood (Der Protagonist), Iordanka Derilova (Seine Schwester), Wiard Witholt (Der junge Herr), David Ameln (Hausmeister des Herzogs), Ulf Paulsen (Wirt)
Bajazzo, Solisten: Sergey Drobyshevskiy (Canio), Iordanka Derilova (Nedda), Ulf Paulsen (Tonio), David Ameln (Peppe), Wiard Witholt (Silvio)
Besuchte Aufführung: 25. Februar 2011 (Premiere)
Im Prinzip sind die Handlungen beider Stücke miteinander verwandt: Eine reisende Schauspieltruppe kommt in eine Stadt, und kündigt eine Vorstellung an. Die Beziehung zwischen den beiden Hauptdarstellern beginnt heftig zu kriseln, als der Liebhaber der Frau dazu kommt. Die Dreiecksgeschichte zwischen Mann, Frau und Liebhaber eskaliert während der Vorstellung, der Mann will die Frau nicht an den Liebhaber verlieren. In rasender Eifersucht ersticht der Mann die Frau.
Aufführung
Das Bühnenbild bietet eine sehr flexible Spielfläche für beide Opern. Nach drei Seiten wird sie von einer Wand begrenzt, die aus einer quadratischen Wabenstruktur besteht. Diese Waben lassen sich aus- und umklappen, so daß Fenster, Türen, Balkone, Dachböden, Aufzüge, Altäre, Kreuze oder sogar eine Bar entstehen. Das funktioniert so reibungslos und lautlos, daß es für manche Verwandlung sogar Szenenapplaus gab. Durch eine Versenkung in der Bühnenmitte können ganze Gruppen auf- und abtreten, verschwinden Tische und andere Requisiten.
Im Bajazzo landet die Schauspieltruppe mit einem Ballon.
Im Protagonist wird die Tragödie in der Pantomime von einer Gruppe mit Totenkopfmasken dramatisiert. Der heitere erste Teil der Pantomime wird für den Auftraggeber, dem Hausmeister des Herzogs, als deftige Dorf-Posse vorgeführt. Das Messer als sichtbares Bindeglied zwischen beiden Opern, wird am Anfang vom Tod in den Bühnenboden gesteckt, dort verbleibt es auch in der Pause, um am Ende vom Tod dort wieder abgeholt zu werden.
Sänger und Orchester
Wenn man die musikalischen Darbietungen beider Stücke vergleicht, war der überragende Sänger der Protagonist Angus Wood, der bislang als Ensemble-Mitglied in Dessau in kleineren Tenorrollen auffiel. Hier glänzte er als ausdrucksstarker und sicherer Operettentenor, während Sergey Drobyshevskiy (Canio) indisponiert war und so nicht an den Erfolg als Kalaf (Turandot) anknüpfen konnte. Ebenso aus dem Ensemble stammen der Tenorbuffo David Ameln als Hausmeister des Herzogs bzw. Peppe und Wiard Wiholt als junger Liebhaber der Schwester bzw. Silvio, ein vielversprechender Baß-Bariton mit schöner, aber noch nicht sicherer Höhe. Eine sichere Bank ist Ulf Paulsen als intriganter Tonio bzw. dämonischer Wirt. Hinsichtlich Ausdruckskraft, stimmlicher Gestaltung und Reichweite in den oberen und tiefen Registern war das eine beispielhafte Ausgestaltung dieser dämonischen Rollen. Weiblicher Hauptdarsteller des Abends war Iordanka Derilova als Nedda und Schwester des Protagonisten. Neddas Kolaraturen in Hysterie aneinander gekettet, begleitet von hoher Durchschlagskraft in absolut sicherer, strahlender Höhe, brachte dem Zuhörer die Verzweiflung dieser Rollen nahe.
Die musikalische Leitung lag in den Händen von Antony Hermus – und auch er interessierte sich mehr für den Protagonisten als für den Bajazzo. Er bemühte sich sehr dessen musikalisches Niveau in den Rang einer „Dreigroschen-Oper“ zu rücken, die musikalische Interpretation der beiden Pontomimen-Slapstick-Tanzeinlagen machte diese Einschätzung nachvollziehbar. Der Bajazzo hingegen wirkte fast wie ein Begleitprogramm und litt unter der Indisposition Canios, während die Auseinandersetzung zwischen Tonio und Nedda auf einmal ein musikalischer Höhepunkt wurde. Bemerkenswert auch der Kinderchor, der dem Opernchor fast den Rang ablief.
Fazit
Mit viel Liebe zu den Details versucht das Anhaltische Theater die Parallelen zwischen den beiden Stücken deutlich zu machen. Daß dabei der Schwerpunkt bei dem unbekannten Protagonisten liegt, ist verständlich. Die beiden Pantomimen in diesem Stück sind perfekt choreographiert und ernten Szenenapplaus. Gleiches gilt auch für die detaillierte Personenführung und das raffiniert verschachtelte Bühnenbild. Auch gesanglich ist der Angus Wood als Protagonist dominanter als der (deutlich indisponierte) Canio von Drobyshevskiy, der darüber hinaus von dem überragenden Ulf Paulsen als Tonio an die Wand gesungen wird. Ob sich der Protagonist im Bühnenbetrieb durchsetzen wird, muß sich zeigen. Die Dessauer Produktion hat jedoch gezeigt, daß der Protagonist musikalisch keinesfalls ein Leichtgewicht ist und durchaus mit dem Bajazzo mithalten kann. Das Publikum feierte den Versuch mit donnerndem Applaus, ein würdiger Beitrag zum Kurt Weill Fest.
Oliver Hohlbach
Bild: Jan-Pieter Fuhr
Das Bild zeigt: Bajazzo: Canio (Sergey Drobyshevskiy), Nedda (Iordanka Derilova ) und die Schauspieltruppe landen im Ballon.