von W.A. Mozart (1756-1791), Dramma per Musica in drei Akten, Libretto: Giambattista Varesco nach Antoine Danchets Idoménée, UA: 29. Januar 1781, München, Hoftheater
Regie: Kay Kuntze, Bühne: URBANSCREEN, Kostüme: Christa Beland, Dramaturgie: Hans-Georg Wegner, Juliane Luster
Dirigent: Markus Poschner, Bremer Philharmoniker, Chor und die Herren des Extrachors des Theater Bremen, Einstudierung: Daniel Mayr
Solisten: Luis Olivares Sandoval (Idomeneo), Nadja Stefanoff (Idamante), Patricia Andress (Elektra), Nadine Lehner (Ilia) Randall Bills (Arbace), Christian-Andreas Engelhardt (Oberpriester), Jakob von Borries (Stimme von oben)
Besuchte Aufführung: 27. März 2011 (Premiere)
Die Kreter erwarten die Ankunft ihres Königs Idomeneo, der gemeinsam mit den Griechen Troja erobert hat. In einem Seesturm geraten, wird er von Neptun gerettet. Aus Dankbarkeit schwört Idomeneo dem Meeresgott, den Menschen zu opfern, der ihm als erster an Land begegnet. Daß dies sein Sohn Idamante ist, erfüllt Idomeneo mit Entsetzen. Um Idamantes Leben zu schützen, will er ihn zusammen mit Elektra, die auf Kreta im Exil lebt, nach Argos schicken, um dort die Rechte der Königstochter Agamemnons auf den Thron geltend zu machen. Doch Neptun schickt aus Rache ein Meeresungeheuer. Idomeneo ist gezwungen, seinen Sohn zu töten, um die Katastrophe abzuwenden. Als er Idamante hinrichten will, fällt ihm die trojanische Prinzessin Ilia in den Arm, der den Schwertstreich ausführt. Aus Liebe zu Idamante bietet sie ihr Leben als Opfer. Durch so viel Heldenmut milde gestimmt, ändert Neptun seinen Willen: Idamante und Ilia sollen heiraten und das neue Königspaar Kretas werden. Elektra, die Idamante ebenfalls liebt, wird über die Niederlage wahnsinnig. Idomeneo freut sich über den Götterwillen, dankt ab und krönt Idamantes zum König.
Aufführung
Die Inszenierung ist geprägt durch die mediale visuelle Gestaltung des Bühnenraums, die von dem Medienkunst-Team „Urbanscreen“ konzeptioniert wurde. Auf der Bühne sieht man verschiedene dreidimensionale Objekte, die die felsige Silhouette der Insel Kreta darstellen. Auf diese weißen, beweglichen Objekte werden je nach Szene passgenau Videos projiziert, die das an sich minimalistische Bühnenbild sehr wandlungsfähig machen. Die Inszenierung von Kay Kuntze folgt nicht immer dem Libretto: Sie kreist um die seelische Krise Idomeneos, die durch den Kampf zwischen seinem und dem Götterwillen Neptuns ausgelöst wird. Neptun ist eine sehr präsente Figur: Immer, wenn Idomeneo seine Situation reflektiert, tritt Neptun als sein Schatten auf, indem er z.B. Idomeneos Bewegungen imitiert. Die innere Zerrissenheit Idomeneos löst Kuntze am Schluß nicht in Freude auf: Idomeneo stürzt sich ins Schwert, während das Volk die Krönung Idamantes und Ilias feiert.
Orchester und Sänger
Die Stimmen von Nadja Stefanoff (Idamante) und Nadine Lehner (Ilia) harmonieren wunderbar an diesem Premierenabend. Die Partie der Ilia, deren kriegerische, starke Seite in der Inszenierung hervorgehoben wird, gibt Lehner viel Kontur durch stimmliche Kraft und lyrische Innigkeit. Ihre Stimme klingt vor allem in den höheren Lagen etwas forcierter als die Stefanoffs: sie ist weich im Ausdruck mit zarten, stimmlichen Farben. Das Liebes-Duett Idamantes und Ilias S’io non moro, a questi accenti – Sterbe ich nicht bei diesen Worten ist der Höhepunkt des Abends: Das Publikum dankt mit kräftigem Szenenapplaus. Auch die anderen Solisten erfreuen das Publikum durch technische Perfektion: Sie haben eine deutliche Aussprache (am deutlichsten artikuliert Tenor Randall Bills) und intonieren rein. Die Stimme des Orakels wird vom Knabensopran Jakob von Borries (Mozart hat im Libretto einen Baß vorgesehen) mit glockenheller Klarheit vorgetragen. Die Violinen der Bremer Philharmoniker zeigen in der Ouvertüre strahlende Glanzpunkte, die Bläser intonieren sauber. Der einzige Moment, in dem Sänger und Orchester nicht gut zusammenklangen, war wohl der Inszenierung geschuldet: Der Chor Pietà, Numi, Pietà – Erbarmen! Götter, Erbarmen! zerfällt, weil die Chorsänger wild mit den Füßen stampfen und Seile auf den Boden schlagen, was der Orchesterbegleitung Schwierigkeiten bereitete.
Fazit
Das Publikum feiert diese Premiere mit langem Schlußapplaus und Bravorufen für die Solisten, das Regieteam und den GMD zu Recht, denn die Inszenierung überzeugt durch gute Einfälle, trotz starkem Eingriff ins Libretto. Die Videoprojektionen setzen optische Akzente, die ein klassisches Bühnenbild nicht vermocht hätte. Sie wirken nicht wie gefälliges Beiwerk zur Unterhaltung, sondern sind konstitutiver Bestandteil durch die Inszenierung.
Annika Klanke
Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt: Luis Olivares Sandoval (Idomeneo mit erhobenem Schwert), Nadja Stefanoff (Idamante, liegend), Nadine Lehner (rechts im Hintergrund), Chor