Musik und Text von Richard Wagner (1813–1883), Handlung in drei Aufzügen, UA: 10. Juni 1865, München
Regie: Rosamund Gilmore, Bühne: Carl Friedrich Oberle, Kostüme: Monika Staykova, Film: A.T.Schaefer
Dirigent: Dirk Kaftan, Philharmonisches Orchester und Chor des Theaters Augsburg
Solisten: Christiane Libor (Isolde), Gerhard Siegel (Tristan), Stephen Owen (Kurwenal), Guido Jentjens (König Marke), Kerstin Descher (Brangäne), Jan Freidrich Eggers (Melot)
Besuchte Aufführung: 12. März 2011 (Premiere)
Der Ritter Tristan führt die irische Prinzessin Isolde, deren Verlobten Morold er einst im Zweikampf getötet hat, seinem Onkel König Marke von Kornwall als Braut zu. Auf der Überfahrt nach England verlangt Isolde Sühne für Morolds Tod: Sie fordert Tristan auf, gemeinsam mit ihr Gift zu trinken. Brangäne hat jedoch das Gift heimlich gegen einen Liebestrank ausgetauscht, so entbrennen Tristan und Isolde in heftiger Leidenschaft füreinander. Isolde heiratet zwar König Marke, trifft sich aber mit Tristan. Melot verrät die Liebenden und verwundet Tristan im Zweikampf schwer. Während Isolde zurückbleibt, bringt Kurwenal Tristan nach Kornwall. Isolde eilt ihnen nach, Tristan stirbt jedoch im Moment ihrer Ankunft. Als letzte Konsequenz ihrer Liebe folgt Isolde ihm in den Tod.
Aufführung
Das Einheitsbühnenbild besteht im Wesentlichen aus einer Rampe in der Bühnenmitte, die nach hinten ins Nichts führt. Zur dramatischen Steigerung kann sie sich aufrichten, dann rutschen die handelnden Personen herunter. Links und rechts finden sich Rampen und angedeutete Mauern. Den raumfüllenden Hintergrund bilden in allen drei Akten Projektionen: Das Meer, ruhig oder sturmgepeitscht, oder fließendes Wasser über Felsen, Gebäude an Land, fahrende Schiffe oder Schiffe vor Hafenanlagen. Die Personenführung ist drastisch reduziert, meist stehen die Personen beziehungslos auf der Bühne (herum). Im zweiten Akt ist der Höhepunkt der Liebesbeziehung zwischen Tristan und Isolde ein Tausch der Mäntel. Zu den Aktschlüssen finden sich die Darsteller mit dramatischen Armposen zu einem statischen Schlußbild zusammen, dessen Aussage doch meist hinter der des Stückes zurückbleibt.
Sänger und Orchester
Es ist der Abend des Guido Jentjens, der den Monolog des Königs Marke als wortgewaltige Erzählung mit gewaltigen seelischen Abgründen darstellte. Auch stimmlich fühlte er sich in den tiefen Lagen deutlich wohl und konnte auch die dramatischen Ausbrüche entsprechend gestalten. Den Versuch des Charakter-Tenors Gerhard Siegel als Heldentenor Tristan muß man zurückhaltend beurteilen. Er muß sich mangels dramatischen Potentials deutlich zurückhalten, teilt sich seine Kräfte klug ein, reduziert die mörderischen Sprünge deutlich indem er hohe Töne nur ansingt und die Phrasen fast nie aussingt. Trotzdem kann er mit seiner warmen Stimme, mehr gehaucht als ausgesungen, die grundlegenden Anforderungen an einem kleinen Haus erfüllen. Stephen Owen als Kurwenal kämpft immer wieder gegen die Gesangslinie an, liegt gerade im ersten Akt mehrfach außerhalb des Taktes und hat im Forte ein sehr seltsames Vibrato. Christiane Libor ist eindeutig indisponiert und hustet sich mit viel Kraft durch die Rolle der Isolde und läßt Wärme und Ausdruckskraft dieser Rolle vermissen. Kerstin Descher verfügt nur in der mittleren Lage über einen ausdrucksstarken Sopran für die Brangäne, die Höhen klingen schrill und wirken aufgesetzt, die Tiefe kann sie nicht gestalten. Eine beachtenswerte Leistung bieten die kleinen Rollen wie Jan Friedrich Eggers lyrischer Tenor als Melot oder Christopher Busietta als Hirte und junger Seemann. Der Chor tritt nur als Übertragung in den Zuschauerraum auf – leider nicht zeitgleich mit dem Orchester.
Eine interessante Interpretation bietet Dirk Kaftan mit dem außerordentlich gut eingestellten und Wagner-erfahrenen Philharmonischen Orchester Augsburg. Das Vorspiel bringt er eher verhalten und langsam, wie eine Erzählung ohne dramatische Ausbrüche. Im Laufe der Akte nimmt er aber deutlich Fahrt auf und gerade die Aktschlüsse bekommen so eine ungeahnte dramatische Wirkung. Das große Finale ist dann eine einzige Liebesraserei, die die Verbindung Tristan und Isoldes nur im Jenseits ermöglicht.
Fazit
Richard Wagner vertrat die Meinung, daß es die mittelmäßigen Vorstellungen wären, die seine Oper retten könnten. Das erklärt vielleicht die Heftigkeit mit der das Augsburger Publikum diese Produktion minutenlang feierte. Sicherlich stellte diese Produktion eindrucksvoll unter Beweis, warum das Theater Augsburg schon seit langem als kleiner Geheimtip im Wagnerfach gilt, allein die angereisten Wagnerianer, aus dem nahen München vertrieben, sind für die Auslastung in Augsburg signifikant. Einerseits ein hochkonzentriertes und zumindest ausgewogenes Ensemble, andererseits eine Inszenierung, die das Werk Richard Wagners ernst nahm und sich redlich mühte jeden Verdacht auf Regieeinfälle zu vermeiden.
Oliver Hohlbach
Bild: A.T. Schaefer
Das Bild zeigt: Finale II.Akt: Melot verletzt Tristan, obwohl Kurwenal eingreift. Isolde und Brangäne können nur zusehen.