von Giacomo Puccini nach La Tosca von Victorien Sardou, Libretto: L. Illica und G. Giocosa
Regie/Bühnenbild: Franco Zeffirelli, Kostüme: Anna Biagiotti, Licht: Alessandro Santini
Dirigent: Gianluigi Gelmetti, Orchester und Chor des Teatro dell’Opera
Solisten: Myrtò Papatanasiu (Floria Tosca), Giuseppe Gipali (Mario Cavaradossi), Silvio Zanon (Baron Scarpia), Francesco Facini (Cesare Angelotti), Matteo Ferrara (Mesner), Claudio Barbieri (Spoletta), Antonio Taschini (Sciarrone), Massimo Mondelli (Gefängniswärter)
Besuchte Aufführung: 27. April 2008
Vorbemerkung
Was macht die Oper La Tosca so anziehend?
Die Ingredienzien für Sardous Tosca waren Sex, Sadismus, Religion und Kunst; sie wurden von der Hand eines Meisterkochs gemischt und mit dem ganzen Gericht auf dem Tablett eines wichtigen historischen Ereignisses serviert, so Mosco Carner in seiner lesenswerten Biographie Puccini. Die Spannung des Stücks ergibt sich daraus, daß Puccini die alte Regel (nach Aristoteles) angewendet und das Schicksal dreier Personen an einem einzigen Tag und am gleichen Ort Rom (die Kirche San Andrea della Valle, der Palazzo Farnese und die Engelsburg) schildert.
Es war der 14. Juni 1800, als die Österreicher unter General Melas dem französischen Heer unter Napoleon Buonaparte bei Marengo (bei Alessandria, Norditalien), gegenüberstanden. Am Vormittag siegten zunächst die Österreicher, doch konnte Napoleon am Nachmittag das Kriegsglück zu seinen Gunsten wenden. Vor dem für Italien einschneidenden historischen Ereignis dieser Schlacht (Italien wurde danach über zehn Jahre von Frankreich beherrscht) spielt sich das für alle drei Personen tödliche Drama ab.
Kurzinhalt
Die ebenso schöne wie berühmte Sängerin Floria Tosca liebt den Maler Mario Cavaradossi, doch Baron Scarpia, Polizeichef von Rom, will Tosca besitzen. Der Zufall und Toscas grundlose Eifersucht gegenüber ihrem Mario kommt Scarpia zu Hilfe. Da Cavaradossi Cesare Angelotti Unterschlupf gewährte (dieser war Anhänger Napoleons und aus der Engelsburg entflohen), wird er verhaftet und gefoltert, um Angelottis Fluchtort zu verraten. Diese Folterung muß Tosca miterleben. Unter diesem seelischen Druck verrät sie Angelottis Versteck. Der Preis ihres Verrats: sie kann mit Cavaradossi Rom verlassen, muß sich aber dafür Scarpia hingeben. Doch sie ersticht Scarpia und eilt zur Engelsburg, wo man Cavaradossi gefangenhält. Dieser mußte sich, um den äußeren Schein zu wahren, einer Scheinerschießung unterwerfen. Aber Cavaradossi stirbt im Kugelhagel. In Scarpias Palazzo Farnese entdeckt man den toten Scarpia. Seine Gefolgsleute eilen zur Engelsburg, aber Tosca springt von deren Plattform hinab in den Tod.
Franco Zeffirellis Regie
Wie gelang Zeffirelli die Umsetzung dieser schon zigmal auf die Bühne gebrachten Oper? Hören wir seine Ansicht, die er in einem längeren Interview gegenüber Michele Mirabella geäußert hat. Es steht im Opernprogrammheft, das in vorbildlicher Weise den gesamten Operntext mit eingestreuten ansprechenden Kommentaren zur Musik aufweist. Hier – etwa wortgetreu – einige Äußerungen Zeffirellis:
Wir sind im Verismo, alles wird also beschrieben: die Seelenzustände der Personen, ihre Akzente beim Singen, ihre Gebärden. All das findet sich im Operntext und in der Musik. …. Ich sage es in aller Offenheit: es gibt eine Menge Narren, die sich die Willkür erlauben, zu ändern oder zu vereinfachen, was Puccini vorgegeben hat. Die Regisseure sollten gut die Geschichte erzählen, und zwar weniger das, was sie in der Tradition finden, als was Puccini geschrieben hat. Die Oper unserer Zeit anzupassen kann funktionieren, es ergibt aber ein mageres Resultat.
Aufführung
Genau danach hat Zeffirelli gehandelt. Beim Öffnen des Vorhangs blickt man auf den Altar der Kirche Sankt Andrea della Valle, Angelotti kann hinter dem Gitter der Attavanti-Kapelle links verschwinden, das Malergerüst mit dem fast vollendeten Madonnenbild steht gegenüber. Das Tableau (Bild) zum Schluß des ersten Akts zeigt den hohen Kirchenraum übervoll mit Volk, vielen Geistlichen und Ministranten in Anwesenheit des Kardinals. Beim Aufrauschen von Orgel und Chor beim Gesang des Te Deum befindet man sich wirkliche in einer Kirche. Man riecht den reichlich gespendeten Weihrauch. Ein recht verstandener Verismo, meine ich! In gleicher Weise auch die beiden folgenden Akten: Scarpias Residenz als bibliotheksähnlicher Arbeitsraum in dunklem Holz getäfelt, zuletzt die Plattform der Engelsburg.
Sänger und Orchester
Hervorragend alle Sänger, auch die Nebenrollen: Myrtò Papatanasiu als Tosca, Giuseppe Gipali (Cavaradossi), Silvio Zanon (Scarpia) und Francesco Facini (Angelotti) singen ausgezeichnet. Die Darstellung, bei Zeffirelli genau nach der Musik ausgerichtet, bringen alle Protagonisten zwingend nachvollziehbar – besonders in der Begegnung Tosca/Scarpia – zum Ausdruck.
Besonders gelingt Zeffirelli die letzte Szene: Cavaradossis Gefängnis ist zunächst unterhalb der Plattform der Engelsburg. Nach dem ungemein gut vorgetragenen Klagegesang Cavaradossis: E lucevan le stelle – und die Sterne glänzten, der nach frenetischem Applaus wiederholt wird (ein Encore – Wiederholung habe ich seit über zehn Jahre nicht erlebt!) und nach Cavaradossis und Toscas Hymne trionfal di nova speme – in Triumph und neuer Hoffnung fährt die Hebebühne die beiden hoch auf die Plattform: sie werden sich im Himmel wiedersehen, kann man sich vorstellen.
Bleibt noch zu erwähnen, daß Franco Zeffirelli bei geöffnetem Vorhang, also vor dem Schlußbild (Tableau) und vor allen Sängern, gemeinsam mit Gianluigi Gelmetti (der großartig das Riesenorchester leitet) erscheint, um sich bei Sängern, dem Chor, seinen Mitstreitern und dem Publikum für das jedesmal ausverkaufte Opernhaus zu bedanken, eine ungemein sympathische Geste, wie mir scheint.
Ich bin überzeugt: eine veristische Oper sollte man auch veristisch auf die Bühne bringen. Sollte jemand meinen, ich hätte einem musealen Kostümfest beigewohnt, so sei daran erinnert, daß Fernsehübertragungen vom Balkon des Petersdoms (mit allen Kardinälen im Ornat) mehr als eine Milliarde Zuschauer verfolgen, die die ehrwürdige Zeremonie kaum als museal empfinden.
Dr. O. Zenner
Bild: Corrado Maria Falsini
Das Bild zeigt Ende des 1. Aktes.
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