DIE WALKÜRE – Staatsoper im Schiller Theater

von Richard Wagner (1813–1883), Musikdrama in drei Aufzügen, erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Libretto vom Komponisten, UA: 1870 München

Regie: Guy Cassiers, Bühnenbild: Guy Cassiers und Enrico Bagnoli, Kostüme: Tim van Steenbergen, Dramaturgie: Michael P. Steinberg und Detlef Giese, Choreographie: Csilla Lakatos, Licht: Enrico Bagnoli, Video: Arjen Klerkx und Kurt d’Haeseleer

Dirigent: Daniel Barenboim, Staatskapelle Berlin

Solisten: Simon O’Neill (Siegmund), Anja Kampe (Sieglinde), René Pape (Wotan), Iréne Theorin (Brünnhilde), Mikhail Petrenko (Hunding), Ekaterina Gubanova (Fricka), u.a.

Besuchte Aufführung: 17. April 2011 (Berliner Premiere)

Kurzinhalt

Wotan hat die Wälsungen Siegmund und Sieglinde gezeugt. Er hofft, daß es ihnen aus freiem Willen möglich sein werde, dem Riesen Fafner den Ring des Nibelungen zu entwenden, dem Rhein zurückzugeben und damit sein eigenes Vergehen rückgängig zu machen. Doch legt Wotans Gattin Fricka ihm dar, daß Siegmund ebenso von ihm gesteuert wird wie alle seine Wesen. Sie fordert zur Wiederherstellung ihrer Ehre den Tod seines Sohnes. Widerstrebend gibt Wotan nach und beauftragt die Walküre Brünnhilde damit, Siegmund im Kampf sterben zu lassen. Sie vermag es nicht und wird dafür von Wotan bestraft: Er nimmt ihr ihre göttlichen Eigenschaften und läßt sie als Menschenfrau auf einem Felsen in Schlaf fallen, damit sie ein Mann finde, wecke und zur Gattin nehme. Siegmund fällt im Kampf mit Hunding, aber seine Schwester Sieglinde entkommt und hat ein Kind von ihrem Bruder empfangen.

Aufführung

Diese Koproduktion mit der Mailänder Scala, die dort bereits im letzten Winter mit anderen Sängern ihre Premiere gehabt hat, wurde von einem belgischen Regieteam gestaltet, das den Akzent auf die Farbgestaltung der Bühne legt. Dies geschieht in erster Linie durch Videoprojektionen. Die Bühne ist recht dunkel und wird von leuchtenden Würfeln, Stäben oder Projektionen im Hintergrund bestimmt. Während des Walkürenrittes und der gesamten ersten Sezen des dritten Aufzugs sind etwa ineinander verschlungene Leiber zu sehen, in denen sich ein Pferd aufbäumt. Hinter dem Gazevorhang führen währenddessen zwei Akrobaten an Seilen ihre Bewegungen aus. Bis auf Wotans Speer gibt es keine Requisiten. Die Kostüme der Walküren erinnern entfernt an die Mode des 19. Jh.s.

Sänger und Orchester

Die überragendste Leistung des Abends war fraglos der Wotan René Papes. Darstellerisch unaufdringlich gelang ihm die musikalische Gestaltung seiner Partie in allen Teilen. Der große Monolog im zweiten Aufzug wurde von ihm mit großer Liebe zum Detail deklamiert, d.h. die Stimmfärbung richtete sich fein abgestimmt stets nach dem Text. Auch in den massiv begleiteten Passagen verlor seine Stimme dabei nie ihren Wohlklang. Iréne Theorin stellte eine beachtliche Brünnhilde auf die Bühne, vor allem als Schauspielerin, doch wären an ihrem Gesangsvortrag noch zwei Dinge zu verbessern: Einerseits leidet die Textverständlichkeit manchmal unnötigerweise bei ihr, andererseits ist das Tremolo ihrer ansonsten angenehmen und durchschlagskräftigen Stimme bisweilen etwas zu unkontrolliert. Simon O’Neill verfügt über eine verblüffend massive, tenorale Spitze, die den gesamten Raum füllt. Doch muß er dafür viel Kraft aufbringen, und vereinzelt verunglückt auch mal ein Ton. Doch beeinträchtigt das seine ausgezeichnete musikalische Leitung nur wenig. Seine Verkörperung des Siegmund wirkte etwas nervös. Anja Kampe (Sieglinde) sang und spielte ihre Partie mustergültig. Nicht so gelungen war hingegen der Hunding Mikhail Petrenkos, der seine Rolle eher sprach als sang. Ekaterina Gubanova hatte einen starken Auftritt. Ihre Fricka hatte nichts Keifendes, sondern nahm die Zuhörer durch ihren ergreifenden Vortrag ein.

Die Staatskapelle Berlin muß in ihrer Ausweichspielstätte, dem Schiller Theater, in reduzierter Besetzung antreten. Daniel Barenboim hatte sich offenbar vorgenommen, aus der Not eine Tugend zu machen und das Publikum vor allem mit den leisen Passagen des Werkes zu beeindrucken. Dies gelang und hatte den angenehmen Nebeneffekt, daß die Sänger nirgends im Orchesterklang untergingen. Dennoch vermißt man an manchen Stellen die volle Wucht des Wagnerschen Orchesters.

Fazit

Was an dieser Produktion am meisten einnimmt, sind die herausragenden sängerischen Leistungen aller Hauptpartien. Die dunkle Bühne und die bildlichen Assoziationen des Regieteams waren hingegen nicht jedermanns Sache. Ein technisches Problem ist, daß, um die Videoprojektionen im Hintergrund deutlich werden zu lassen, die Beleuchtung der Akteure nur recht schwach ist, so daß die mimische Feinarbeit als Gestaltungsmittel über weite Strecken ausfällt. Die Inszenierung geht in jedem Fall respektvoll mit dem Stück um und zwängt keine fest umrissene eigene Aussage hinein.

Dr. Martin Knust

Bild: Monika Rittershaus

Das Bild zeigt: René Pape (Wotan), Iréne Theorin (Brünnhilde)

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