L‘ INCORONAZIONE DI POPPEA- DIE KRÖNUNG DER POPPEA – Dresden, Semperoper

von Claudio Monteverdi (1567-1643), Oper in einem Prolog und drei Akten, Libretto: Giovanni Francesco Busenello, UA: 1643 Venedig

Regie: Florentine Klepper, Bühne: Bastian Trieb, Kostüme: Chalune Seiberth

Dirigent: Ruben Dubrovsky, Capella Sagittariana Dresden

Solisten: Nicole Heaston (Poppea), Franco Fagioli (Nerone), Matthew Shaw (Ottone), Christa Mayer (Ottavia), Georg Zepenfeld (Seneca), Ute Selbig (Drusilla), Rebecca Raffell (Arnalta), Vanessa Goikoetxea (Damigella), Roxana Incontrera (Fortuna), Andrea Ihle (Virtù/Pallade), Christiane Hossfeld (Amore), Timothy Oliver (Valetto/2.Soldat/Littore), Gerald Hupach (Lucano/Console) u.a.

Besuchte Aufführung: 2. April 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Rom, im Jahre 62 n. Chr.: Der machtbesessene Kaiser Nerone verspricht seiner Geliebten Poppea, seine Gattin Ottavia zu verstoßen und Poppea damit zur Kaiserin zu machen. Der Philosoph Seneca kritisiert diese Entscheidung, daher zwingt ihn Nero, Selbstmord zu begehen. Kaiserin Ottavia will ihre Nebenbuhlerin Poppea ausschalten und überredet den stets eifersüchtigen Ottone, seine ehemalige Geliebte Poppea umzubringen, was jedoch mißlingt. Ottavia und Ottone werden aus Rom verbannt und Nero kann Poppea sofort heiraten. Die Krönung erfolgt unter allgemeinem Jubel.

Aufführung

Auf der Drehbühne ist eine geräumige Villa aufgebaut, die je nach Drehpunkt einen Blick in die Räume auf den drei Etagen bietet. Im Tiefparterre befinden sich die Tiefgarage mit dem Dienstauto Ottones, die Herrentoilette, in der Seneca mit einem Kopfschuß die weißen Kacheln besudeln wird, und den Damenumkleideraum, in dem sich Poppea mit Nerone trifft. Im ersten Stock sieht man das Ankleidezimmer Ottavias mit vielen Schränken und das Großraumbüro Neros mit zwei Designersesseln. Hier finden u.a. ein Phototermin und seine Golfstunden statt. Die Kostüme könnten der aktuellen italienischen Designermode entnommen sein. So trägt Nero einen glänzenden grünschimmernden, Seneca einen unauffälligen grauen Anzug von der Stange, die Bodyguards in schwarz und die Damen graue Kostüme oder Abendgarderobe. Die Krönung der Poppea findet als glanzvoll inszeniertes Medienereignis auf dem Balkon der Residenz mit einem Feuerwerk statt. Sie wird aber durch die Veröffentlichung von Photos der Vergewaltigung Ottavias getrübt.

Sänger und Orchester

Was die Sängerinnen und Sänger dem Publikum boten genügte höchsten Standards: Angeführt vom noch relativ jungen, aber schon weltweit gefeierten Countertenor Franco Fagioli als Nerone waren alle Rollen gesanglich sehr gut besetzt. Nicole Heaston in der Titelrolle konnte sich genauso wie Christa Mayer als Ottavia als gleichwertige Barock-Spezialistinnen mit hervorragenden und ausdauernd gehaltenen Koloraturen auszeichnen. Während Franco Fagioli auch als Sopranist gelten könnte, liegt Matthew Shaw (Ottone) eher im Alt-Bereich. Beide Countertenöre überzeugen durch ihre solide Technik und können ohne Gesangs-Tricks ihre Rollen wohlklingend ausgestalten. Eine kleine Sensation ist die Altistin Rebecca Raffell als Sekräterin Poppeas Arnalta. Sind normale Altstimmen schon selten, trägt ihre Stimme in noch größere Tiefen (bis zum g°) absolut klangschön – und klingt dabei wie eine Männerstimme. Eine bemerkenswerte Seltenheit heutzutage. Dagegen charakterisiert Ute Selbig mit viel lyrischer Ausdruckskraft die unglückliche Geliebte Ottones Drusilla. Georg Zeppenfeld als Senecca ist der gewohnt ausdrucksstarke und in den Höhen und Tiefen traumwandlerisch sichere Baß. Für die Ensemblemitglieder in den kleinen Rollen sind Barockpartien hörbar ungewohnt, hier klingen manche Stimmen oder Passagen nicht nach Monteverdi, sondern auf einmal wie Mozart.

Ruben Dubrovsky (Dirigent) stammt aus Argentinien und vertritt die Meinung, daß die ehemaligen Kolonien in ihrer Folklore viel vom barocken Flair bewahrt haben. So läßt er sich eine Gitarre reichen und interpretiert ganze Passagen wie lateinamerikanische Tänze. Genauso flott und mitreißend interpretiert er auch die Gesangspartien. Manchmal aber haben einzelne Orchestermitglieder dabei Probleme zusammenzufinden, bzw. zeitgleich mit den Solisten zu agieren.

Fazit

Eigentlich mußte man damit rechnen: Der erste Versuch der Semperoper, sich der barocken Aufführungspraxis zu stellen, konnte kein voller Erfolg werden. Die jahrelangen Bemühungen anderer Häuser mit auf Barockmusik spezialisierten Orchestern, mit Musikern auf historischen Instrumenten und mit Solisten ein Barock-Ensemble aufzubauen, lassen sich nicht innerhalb einer Produktion nachholen. Da wird noch viel musikalische Feinarbeit zu leisten sein, da hilft es beispielsweise, nicht ein lokales Barockorchester an sich zu binden, diese dann aber mit Gastmusikern aufzufüllen, auf die andere Ensembles wie die Batzdorfer Hofkapelle auch zurückgreifen. Immerhin würdigte das Dresdner Publikum diesen Versuch mit langem Beifall, für die Hauptdarsteller auch mit enthusiastischem Beifall, während es für die peppige, mit Gewalt aktualisierte, aber völlig beliebige Inszenierung doch einige Buhrufe gab.

Oliver Hohlbach

Bild: Matthias Creutziger

Das Bild zeigt:  Nicole Heaston (Poppea)

Veröffentlicht unter Dresden, Semperoper, Opern