von Richard Wagner (1813–1883), Musikdrama in drei Aufzügen, Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Libretto vom Komponisten, UA: 16. August 1876, Bayreuth, Festspielhaus
Regie: Barrie Kosky, Bühne: Klaus Grünberg, Kostüme: Klaus Bruns, Licht: Klaus Grünberg, Susanne Reinhardt
Dirigent: Wolfgang Bozic, Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Solisten: Siegfried (Robert Künzli), Mime (Johannes Preißinger), Wanderer (Béla Perencz), Alberich (Frank Schneiders), Fafner (Albert Pesendorfer), Erda (Evelyn Gundlach), Stimme Erda (Julie-Marie Sundal), Brünnhilde (Brigitte Hahn), Waldvogel (Hinako Yoshikawa)
Besuchte Aufführung: 17. April 2011 (Premiere)
Siegfried ist bei Mime, dem Schmied, in Unkenntnis seiner Herkunft und ohne Kontakt zu anderen Menschen im Walde aufgewachsen. Er befragt Mime über seine Eltern, und dieser offenbart ihm seine Abstammung. Zum Beweis zeigt er Siegfried die Stücke des väterlichen Schwertes Nothung, die selbst Mime nicht zusammen schmieden kann. Der Wanderer/Wotan betritt Mimes Hütte und Letzterer verwettet seinen Kopf in einem Frage-Antwort-Spiel, das er nicht lösen kann. Wanderer/Wotan offenbart Mime, daß nur der, der das Fürchten nicht gelernt, das Schwert schmieden kann – und diesem sei auch Mimes Kopf verfallen. Siegfried kehrt von einem seiner Streifzüge zurück und schmiedet tatsächlich Nothung neu. Mime überredet Siegfried, sich auf den Weg zur Neidhöhle zu machen, da er dort das Fürchten lernen könne. Siegfried aber schwingt Nothung und tötet den Höhlenbewohner Fafner, der als Drache den Nibelungenhort gehütet hat. Der Kontakt mit dem Drachenblut macht Siegfried unverwundbar (bis auf die bekannte Schwachstelle) und gleichzeitig kann er die Stimme des warnenden Waldvögeleins verstehen, daß Mime Siegfried umbringen wolle, um selbst in den Besitz des Schatzes zu gelangen; es rät aber auch Siegfried, sich der kostbarsten Stücke zu bemächtigen, des Ringes und des Tarnhelms. Siegfried erschlägt Mime, als dieser ihm die vergiftete Erfrischung reicht. Das Vögelchen weist Siegfried darauf hin, daß die begehrenswerteste Frau der Welt noch zu befreien sei, und Siegfried macht sich auf den Weg, der ihm alsbald von Wotan versperrt wird. Aber der junge Held fackelt nicht lange, zerspaltet den göttlichen Speer mit Nothung und macht sich auf den Weg, Brünnhilde aus dem Tiefschlaf zu wecken, was ihm auch mühelos gelingt. Nach kurzem Zieren sinkt Brünnhilde (ihrem Neffen) Siegfried in die Arme.
Aufführung
Nach einem doch stimmigen Rheingold und nach einer etwas anstößigen Walküre hat man das Gefühl, daß Barrie Kosky zu keiner richtigen Linie mehr findet. Ein bühnenmäßiges Leitmotiv ist nicht zu erkennen. Der zweite Akt scheint in einem riesigen Kachelofen zu spielen, nach hinten raus offenbar der Eingang zur Neidhöhle. Das Waldvögelein hüpft wie Olympia durch Hoffmanns Erzählungen um Siegfried herum. Im dritten Akt dreht sich eine (Venus)Muschel inmitten der stockfinsteren Bühne, darin liegt splitternackt die dem Modelalter bereits entwachsene Erda. Siegfried erscheint und haut kurzerhand den etwa 20 m langen Speer des Götterchefs Wotan entzwei und marschiert bis zu einer auf dem Kopf stehenden Tankstelle. Dort liegt Brünnhilde, die er zum Leben erweckt.
Sänger und Orchester
GMD Wolfgang Bozic hat sich weiter gesteigert. Das war ein wagnerianisches Dirigat mit Richtung Weltspitze. Wie gewohnt – und offenbar am Premierenabend bei allen beliebt – klassischer Wagner ohne Überraschungen. Und seinem Niedersächsischen Staatsorchester paßt die Wagner-Jacke wie angegossen. Robert Künzli debütierte als Siegfried – und wie er debütierte! So wollen wir Siegfried wieder hören! Strahlkraft und Kondition sind die Grundvoraussetzungen für diese Rolle und eine möglichst heldische Erscheinung dazu. Künzli ließ keine Wünsche offen bis hin zu gut verständlicher Diktion, so daß es der oben mitlaufenden Widergabe ins Deutsche eigentlich nicht bedurft hätte. Nahezu gleichauf Johannes Preißinger als Mime. Man könnte diese Rolle noch abgefeimter singen, wie es der unvergessene Gustav Neidlinger in Bayreuth demonstriert hat. Souverän in Sang und Spiel, obwohl er mit erwähntem ewig langem Speer hantieren mußte, Béla Perencz als Wanderer/Wotan. Eine altbekannte, zuverlässige und beliebte Größe der Staatsoper Hannover: Frank Schneiders in der kurzen, aber eindringlichen Partie des geleimten Alberich. Eindrucksvoll in Stimme und Gestalt, wie gewohnt, Albert Pesendorfer als Fafner. Zur unbekleideten Gestalt der Muschelbewohnerin Erda sang bekleidet Julie-Marie Sundal mit feinem Alt. Mit zwitscherndem Sopran hingegen erfreute uns das Waldvögelein Hinako Yoshikawa. Last but not least Brigitte Hahn als kurz, aber gewaltig aufsingende Brünnhilde. Na, Kunststück: Siegfried mußte ja schon drei Stunden gewaltig aufsingen, bevor er auf die bestens ausgeruhte Brünnhilde trifft.
Fazit
Wie immer: Bravi für die Musikmachenden, Buhs für die Regie. Bleibt nun noch Die Götterdämmerung.
Dr. Rüdiger Ehlert
Bild: Thomas M. Jauk
Das Bild zeigt: Robert Künzli (Siegfried), Johannes Preissinger (Mime)