von Benjamin Britten (1913-1976), Oper in zwei Akten von Ronald Duncan nach einem Stück von Andre Obeys, UA: 1946, Glyndebourne
Regie: Christina Schmidt, Bühne: Martin Scherm
Dirigent: Arne Willimczik, Philharmonisches Orchester Regensburg
Solisten: Michael Berner (Erzähler), Gesche Geier (Erzählerin), Ryszard Kalus (Collatinus, Römer), Adam Kruzel (Junius, Römer), Seymur Karimov (Prinz Tarquinius), Jasmin Etezadzadeh (Lukrezia, Gattin des Collatinus), Misaki Ono (Bianca), Theresa Grabner (Lucia)
Besuchte Aufführung: 9. April 2011 (Uraufführung)
In einem Prolog beschreiben die zwei Erzähler die Unterdrückung Roms durch die Etrusker.
In einem Feldlager sitzen die beiden römischen Generäle Collatinus und Junius mit dem Etruskerprinzen Tarquinius zusammen und diskutieren über Frauen. Hierbei rühmt man Lucretia, die ihrem Mann Collatinus treu ist. Tarquinius glaubt nicht an ihre Standhaftigkeit und will sie auf die Probe stellen. Unter einem Vorwand reist er nächtlich zu ihr. Er versucht sie vergeblich zu verführen und frustriert vergewaltigt er sie. Lucretia berichtet am nächsten Tag ihrem heimkehrenden Mann von ihrer Schande und Erniedrigung. Collatinus kann Lucretia nicht am Selbstmord hindern.
Aufführung
Diese Produktion ist eine adäquate Umsetzung einer Kammeroper als einfache Studioproduktion, mit einem einfachen aber funktionalen Bühnenbild. Scheinbar besteht die Bühne nur aus einem relativ kleinen Raum mit drei Wänden. Doch jede Wand verfügt über zwei bis drei Drehtüren, durch die Personen und Dekorationsteile auf die Bühne gelangen und wieder verlassen können. Die Drehtüren an der Hinterwand können offen stehen bleiben, um die dramaturgische Wirkung der Auftritte erhöhen zu können oder raffinierte Beleuchtungseffekte zu ermöglichen. Auch dient die Hinterwand als Projektionsfläche für einige Videoprojektionen. Wichtigstes Requisit ist ein beweglicher Tisch, der im Raum die unterschiedlichsten Positionen einnehmen kann. Einmal ist er ein Tisch für das Trinkgelage im Militärlager, das andere Mal der Küchentisch, das Bett oder – bedeckt mit einem Leichentuch – die Bahre der Lucretia. Manchmal wird er aber einfach nur zum Zeitvertreib herumgefahren. Die Kostüme entsprechen den üblichen Vorstellungen an römische Kleidung aus mythischer Vorzeit weit vor Christi Geburt.
Sänger und Orchester
In dieser Produktion stehen die knapp eindutzend Musiker unsichtbar seitlich hinter den Kulissen. Arne Willimczik steht für die kongeniale Umsetzung von Brittens kammermusikalischer Orchestersprache und die gelungene Integration der Gesangspartien, auch wenn diese in der Hauptsache aus Rezitativen bestehen. Seltsamerweise hat nicht Lucretia die Hauptrolle in diesem Stück sondern die beiden Erzähler, die wiederum – neben dem Schlußmonolog der Lucrezia – mehr zu bieten haben als Rezitative. Michael Berner als männlicher Erzähler ist ein solider Tenor mit Strahlkraft auch in den Höhen, auch wenn er etwas zu sehr nach oben drückt. Gesche Geier als weiblicher Widerpart hat mit ihrem drei Oktaven umfassenden Sopran keine Probleme die dominante Rolle entsprechend auszufüllen. Einen entsprechenden Auftritt als Heldenbariton hat Seymur Karimov, der den Prinz Tarquinius mit düsteren Klangfarben entsprechend seinem Charakter gestalten kann. Jasmin Etezadzadeh legt viel Härte und Nachdruck in die Rolle der Lucretia, intoniert aber manchmal ungenau. Ryszard Kalus als Einspringer in der Rolle des Collatinus, mußte sich erst sprachlich in die Rolle einarbeiten, war aber wie seine Kollegen in den anderen Nebenrollen eine für die gehobenen musikalischen Ansprüche passende Besetzung.
Fazit
Ein wenig schwierig ist dieses Frühwerk von Benjamin Britten schon einzuordnen. Eine Handlung ohne Happy End und moralische Bewertung kann kein Publikumserfolg werden und hat sich daher im Opernbetrieb kaum behauptet. Auch die korrekte Übersetzung des englischen Wortes Rape mit Schändung anstatt mit Raub wie bislang im deutschen Sprachraum üblich, wird das Ansehen kaum heben, auch wenn Schändung und Selbstmord der Lucrezia sehr dezent in Szene gesetzt wurde. Musikalische Glanzpunkte können eigentlich nur die Erzähler setzen, in dieser Kammeroper mit einem kleinen, unsichtbaren aber immer präsenten Orchester. Wegen der erfolgreichen Bemühungen der Produktion mittels einer stringenten Personenregie die Charaktere und Beweggründe der handelnden Personen deutlich zu machen, zollte das Publikum den Akteuren im kleinen Haus am Haidplatz mit ca. 250 Plätzen minutenlangen freundlichen bis begeisterten Applaus.
Oliver Hohlbach
Bild: Theater Regensburg
Das Bild zeigt: Der Morgen danach voller Verzweiflung: Jasmin Etezadzadeh (Lukretia), Theresa Grabner (Lucia), Misaki Ono (Bianca) v.l.n.r.