von Paul Burkhard (1911-1977), Musikalische Komödie in drei Akten nach einem Lustspiel von Emil Sautter; UA: 1950, München
Regie: Karsten Jesgarz, Bühne/Kostüme: Michael D. Zimmermann
Dirigent: Roland Vieweg, Hofer Symphoniker
Solisten: Jürgen Schulz (Vater Albert Oberholzer), Bärbel Kubicek (Mutter Karline Oberholzer), Inga Lisa Lehr (Tochter Anna), Florian Bänsch (Robert, ein junger Gärtner), Ingrid Katzengruber (Kati, die Köchin), Thilo Andersson (Alexander Oberholzer alias Obolski), Stefanie Rhaue (Iduna), Thomas Rettensteiner (Onkel Fritz), Iwona Lukaszynska (Tante Berta), Peer Schüssler (Onkel Gustav), Marianne Lang (Tante Paula), Karsten Schröter (Onkel Heinrich), Annett Tsoungui (Tante Lisa)
Besuchte Aufführung: 15. April 2011 (Premiere)
Zu Vater Oberholzers sechzigstem Geburtstag werden die letzten Vorbereitungen getroffen. Tochter Anna und Köchin Kati wollen ein Ständchen einstudieren, das vom Klingeln der ankommenden Gäste immer unterbrochen wird. Überraschend taucht auch der verschollen geglaubte Onkel Alexander auf, der sich mittlerweile Obolski nennt. Dieser und seine Frau Iduna (welcher ganz nebenbei die männlichen Gäste sehr zugeneigt sind) ziehen mit einem Zirkus durch die Welt, wovon Anna sofort begeistert ist. In der allgemeinen Empörung über Annas Wunsch, zum Zirkus zu gehen, verpufft die Überraschung von Onkel Fritz: ein Feuerwerk. Nun führt Obolski seine Nichte in die Welt des Zirkus ein. Die Onkels treten als Clowns auf, die Tanten als fleischfressende Raubkatzen. Annas Geliebter, der Gärtner Robert, ist nicht begeistert von dieser neuen Zirkuswelt. Er will viel eher mit Anna eine Familie gründen. Nachdem Iduna unter vier Augen Anna von den Schattenseiten der Zirkuswelt berichtet, trifft diese die Entscheidung, bei ihrer Familie zu bleiben und Onkel Obolski verläßt mit seiner Frau die Familie.
Aufführung
Eigentlich gibt es nur zwei einfach gehaltene Bühnenbilder: Einmal das Haus der Familie Oberholzer mit gemaltem Schrank, Kamin und Klavier. Lediglich ein großer Tisch ist real, an ihm finden alle Gäste zum Festmahl Platz. Auch die Zirkuswelt ist nur gemalte Kulisse mit Zuschauerreihen und Kapelle auf einem Podium. Zwei Rampen und eine Schaukel vervollkommnen die Kulisse. Auf den Rampen ist Platz für die Pferdedressur (Zwei Statisten im Fell), auf der Schaukel führen Artisten ihre Tricks vor. Die Tanten treten als fauchende Tiger auf und die Onkels als bunte Clowns. Das alles untermalt Karsten Jesgarz geräuschvoll: mit einem choreographierten Löffelgeklapper beim Schlürfen der Suppe, oder die Clowns spielen auf sieben Flaschen – mit sieben Tönen Oh mein Papa. Die Kostüme sind zeitlos elegant, passen aber auch zur Entstehungszeit, in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Sänger und Orchester
Den Hofer Symphonikern geben die sentimentalen, schnippischen und schmissigen Musik-Nummern reichlich Gelegenheit, sich einmal dramatisch und einmal träumerisch zu geben. Roland Vieweg hat zwar manchmal Probleme, Solisten und Orchester klangbildlich zu vereinheitlichen; doch am Ende kann das Orchester auch als genialer Begleiter für die Solisten glänzen. Allen voran Stefanie Rhaue (Iduna), die mit dem weitbekannten Oh mein Papa sich sogar von dem allgemein bekanntem Vorbild Caterina Valentes lösen kann! Genauso glanzvoll melancholisch Ich hab ein kleines süßes Pony. Thilo Andersson ist mit seinem soliden Operettentenor mehr als ein unscheinbarer Begleiter als Zirkusdirektor. Inga Lisa Lehr gibt als Tochter Anna auch stimmlich die jugendliche Naive mit einem kindlich glockenklaren Sopran. Zusammen mit der Köchin Kati gestaltet sie ein mitreißendes Geburtstagsständchen, aber auch Ingrid Katzengruber kann mit mehr als Kochrezepten glänzen – ihr durchschlagsstarker Sopran wird klanglich immer solider und ist mittlerweile fast tremolofrei. Thomas Rettensteiner gestaltet auch die Nebenrolle des Onkel Fritz als charakterstarkes Klangerlebnis. Peer Schüssler und Marianne Lang sind die alt gedienten Grandseigneure der Oper.
Fazit
Gewaltigen Spaß hatte das beifallfreudige Publikum bei der Premiere; sicherlich hilfreich dabei der Umstand, daß es Karsten Jesgarz gelungen ist mit einer einfühlsamen Personenregie Charaktere und keine Knallchargen zu erschaffen. Wie z.B. Onkel Gustav und Tante Paula: er als bejammernswert hüstelnde Jammergestalt von einem Ehemann; sie als Gehorsam heischender Hausdrachen. Oder Anna, die provokativ auf dem Tisch tanzt, als sie nicht zum Zirkus darf. So konnte jeder Besucher Parallelen zur eigenen Familie bzw. zur Realität ausmachen. Und eine Antwort auf die Frage finden, wo die Grenze zwischen musikalischer Komödie und populistischem Musical zu suchen ist.
Oliver Hohlbach
Bild: SFF Fotodesign
Das Bild zeigt: Anna (Inga Lisa Lehr) träumt sich in die Zirkusvorstellung ihres Onkels Obolski