LA TRAVIATA – Regensburg, Theater

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Melodramma in drei Akten, Libretto: Francesco Maria Piave, UA:1853, Venedig.

Regie: Arila Siegert, Bühne: Marie-Luise Strandt

Dirigent: Philip van Buren, Philharmonisches Orchester Regensburg, Opern- und Extrachor des Theaters Regensburg, Choreinstudierung: Christoph Heil

Solisten: Theodora Varga (Violetta Valéry), Misaki Ono (Flora Bervoix), Ruth Müller (Annina), Enrico Lee (Alfredo Germont), Adam Kruzel (Giorgio Germont), Cameron Becker (Gastone, Vicomte de Letorières), Matthias Degen (Baron Douphol), Sung-Heon Ha (Doktor Grenvil) u. a..

Besuchte Aufführung: 14. Mai 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Auf einem Fest lernen sich die Kurtisane Violetta Valéry und Alfredo Germont kennen. Der Verehrer erhält von der Angebeteten eine Kamelie, mit der Einladung, sie am nächsten Tag zu besuchen. Beide verlieben sich und ziehen hinaus aufs Land. Da erscheint Alfredos Vater. Ohne Alfredos Wissen drängt er Violetta dazu, seinen Sohn zu verlassen, um dessen Familie nicht in Verruf zu bringen. Violetta willigt ein und verläßt Alfredo mittels eines Abschiedsbriefes. Auf dem Fest von Violettas Freundin Flora begegnen sich Alfredo und Violetta, die wieder zu Baron Douphol zurückgekehrt ist. Alfredo beleidigt Violetta und wirft ihr ein Geldbündel vor die Füße. Später eilt Alfredo zur an der Schwindsucht erkrankten Geliebten, da ihm sein Vater den Grund ihrer scheinbaren Abwendung erklärte. Doch beiden bleiben nur wenige Momente bevor sie stirbt.

Aufführung

Der Vorhang öffnet sich und gibt den Blick frei auf eine graue halbhohe Trennwand. Der Hintergrund ist mit grauen Platten abgehängt. Je nach Stellung der Drehbühne ist diese Trennwand  einmal Sitzgelegenheit oder ein großer Spieltisch oder einfach nur ein Raumteiler, über den die Akteure einen Blick ins Publikum werfen können. Ein Sofa und viele verstreute weiße und rote Kamelien dominieren das erste Bild. Das gleiche Sofa mit einem weißen Sonnenschirm auf einem Podium dient als Reminiszenz einer Gartenlaube. Der dritte Akt kehrt wieder zum ersten Bild zurück. Violetta stirbt, auf Kamelien gebettet, in den Alfredos Armen. Bei den Herren dominiert der zeitlose klassische schwarze Anzug oder Frack, nur Alfredo trägt im zweiten Akt ein farbiges Hemd. Die Damen hingegen zeitlos klassische Abendgarderobe, Violetta trägt am Schluß einen roten Hausanzug.

Sänger und Orchester

Musikalisch bleibt die Erkenntnis, daß auch ein relativ kleines, aber feines Orchester (der Orchestergraben in Regensburg ist relativ klein) den breiten Klangteppich einer Verdi-Oper nicht nur ausbreiten, sondern auch zum Schweben bringen kann. Philip van Buren ist der Mann der Stunde für die vielen filigranen Verästelungen des italienischen Klanges, für die La Traviata so geschätzt wird.

Überragende Sängerdarstellerin des Abends ist Theodora Varga in der Titelpartie der Violetta. Ihr klarer, heller Sopran hat auch eine sehr große Durchschlagskraft im Forte, auch wenn das manchmal sehr eng geführt klingt und damit Schärfen hat. Jedoch ist das verhaltene Piano sehr klangstabil und weckt vor allem in der Sterbeszene Emotionen. Da kann ihr geliebter Alfredo Enrico Lee fast nicht mithalten: Ein italienischer Tenor mit strahlender Höhe und großer Zukunft, aber im Duett mit Violetta zu leise: ein wenig mehr Strahlkraft wird sicherlich noch kommen. Sein Trinklied ist ein Beleg dafür. Über Kraft in der Stimme mit viel Pathos verfügt hingegen Adam Kruzel (Giorgio Germont) mehr als reichlich. Die große Arie Di Provenza il mar war wahrlich ein großer Höhepunkt. Ein solides Ensemble komplettiert die Besetzung. Allen voran zu erwähnen Misaki Ono (Flora), Cameron Becker (Gaston) und Sung-Heon Ha (Doktor Grenvil). Auch dem Chor gelingt es die hohen Anforderungen an Bewegung (Stierkampf der Zigeuner) und Gesang zu vereinen.

Fazit

Im Prinzip ist diese Inszenierung ein weiterer Beleg dafür, daß das Tanztheater mehr Impulse der Oper zur Weiterentwicklung geben kann als Regietheatereinfälle des Schauspiels. Arila Siegert kommt vom Tanztheater, sie choreographiert die Beziehungen zwischen den einzelnen Personen durch ihre Haltung zueinander – mit den Mitteln des klassischen Ausdruckstanzes. Da diese Oper kaum äußere Handlung hat, sondern von den inneren Spannungen der Personen untereinander lebt, ist dies ein richtiger Ansatz. Sicherlich wird manchmal den Akteuren sehr viel zugemutet, nämlich akrobatische Einlagen während diese singen müssen – jedoch ist es faszinierend mitzuerleben, wie Giorgio Germont schon im Laufe des zweiten Aktes verzweifelt erkennen muß, wie schrecklich seine Forderungen an Violetta sind. Das Bühnenbild stellt den Brückenschlag zu aktuellen Inszenierungen her, wie z.B. der letzten Salzburger Produktion. Lang anhaltender und lauthals geäußerter Jubel für alle Akteure ist der Dank des Publikums.

Oliver Hohlbach

Bild: Juliane Zitzlsperger

Das Bild zeigt: Alfredo (Enrico Lee)  und Theodora Varga (Violetta) versuchen zueinander zu finden.

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